Arsen Rewazow: "Der schwarze Gral"


Was der Titel dieses Romans genau soll, ist dem Rezensenten nicht ganz einsichtig. Denn einen Gral im eigentlichen Sinne findet man hier nur sehr indirekt. Wenn der Heilige Gral etwas ist, das ewiges Leben auf der Grundlage der christlichen Lehre geben kann, dann muss ein schwarzer Gral eine vergleichbare umfassende Wirkung haben, und diese ist auch irgendwo hierin zu finden. Und die Gralshüter sind hier wirklich Leute von einer überaus eigenen Art.

Ansonsten hat dieser Roman überhaupt vieles, was man von einer normalen Gralssuche erwartet. Ein mehr oder minder unbedarfter Mann, der Werbeagent Josif Mesenin, wird durch einen lukrativen Auftrag dazu gebracht, seltsame Botschaften, einen ägyptischen Städtenamen, den Namen eines Ketaminäquivalents, eine geheimnisvolle Zahl und das Wort Einsamkeit unter das Volk zu bringen. Gleichzeitig wird einer seiner ältesten Freunde, der so genannte Chemiker, getötet und kopflos in seiner Wohnung aufgefunden. Dessen Lebensgefährtin und auch die ermittelnde Miliz stehen vor einem Rätsel, das die Freunde des Ermordeten sich anschicken zu lösen. Und dabei stoßen sie auf allerlei Ungewöhnliches, wie etwa eine Verbindung zwischen dem Toten und den geheimnisvollen Botschaften, die Josifs Agentur über alle möglichen Medien verbreitet.

Wie ein moderner Parzival macht sich der etwas unbedarft erscheinende junge Mann auf die Suche nach den Mördern seines alten Freundes, wobei ihn immer wieder Anton, sein Gawain-Äquivalent, und einige andere Leute zur Seite stehen. Wer Wolfram von Eschenbachs "Parzival" kennt, wird einige Parallelen in diesem Buch finden, nur dass die Welt in "Der schwarze Gral" wesentlich größer ist und voller moderner Technologie. So bringen nicht Boten die Botschaften, sondern das Internet und das Handy, und es wird nicht auf Pferden gereist, sondern mit dem Flugzeug und dem Zug. Doch trotzdem werden Standards wie das Ausharren vor einer Eremitenklause und eine längere Gefangenschaft nicht vernachlässigt. Und Josif/Parzival und alle Anderen neigen, wie ihre literarischen Vorbilder, immer wieder zu ausufernder Geschwätzigkeit auf der Suche nach dem Mörder ihres Freundes und den allgemeinen Rätseln der Welt, die schließlich zu einer Suche nach einem viel größeren und weltumspannenderen Verbrechen wird. Und dabei reichen die Wurzeln des Übels weit in die Vergangenheit zurück, viel weiter, als man es von einer Gralslegende sonst eigentlich gewohnt ist.

Wer Kafka, Haruki Murakami und ähnliche Dinge mag und sich gerne mit Verschwörungen beschäftigt, die bereits im alten Ägypten ihren Ursprung hatten, vermischt mit ein wenig Umberto Eco, der wird an diesem Buch sicher seinen Spaß haben. Wer ständige Abschweifungen und hingeworfene Weisheiten ohne Handlungsbezug nicht so schätzt, wird dieses Buch nicht so mögen können.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2007)


Arsen Rewazow: "Der schwarze Gral"
(Originaltitel "Odinotshestvo-12 [Solitude-12]")
Aus dem Russischen von Anna Serafin.
Blanvalet, 2007. 510 Seiten.
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Arsen Rewazow, geboren 1966, studierte Medizin in Moskau und promovierte in Israel im Fach Psychologie. Seit einigen Jahren leitet Arsen Rewazow eine der wichtigsten Werbeagenturen Russlands. Er lebt in Moskau.