Gernot Wagner: "Der Rest der Welt"
Ein Reiseführer für überzeugte
Daheimbleiber
Wie wir seit "Keiner ist so toll wie wir" wissen, sind
unsere Mit-Europäer allesamt ziemlich hoffnungslose Fälle. Aber ein Vergleich
mit dem Rest der Welt zeigt: Auch die betrunkenen Brasilianer, die mumifizierten
Ägypter, die Chili-versessenen Mexikaner, die sich ständig verbeugenden Japaner
und selbst die unzähligen Chinesen können der Tatsache keinen Abbruch tun, dass
wir allen etwas voraus haben.
Die schönsten Vorurteile auf einen
Blick verspricht schon der Einband. Und so darf man sich auch keinen ernsthaften
Reiseführer um die Welt, schon gar keine politische Korrektheit
erwarten.
Gernot Wagner nimmt den Leser mit auf eine Expedition rund um
den Globus, Europa aussparend - denn das wurde schon 2001 in dem Werk "Keiner
ist so toll wie wir" von Markus Huber und Robert Treichler entsprechend
aufbereitet.
Auch über den Rest der Welt fällt dem Autor so einiges ein. Ausgangspunkt ist
der Nordamerikanische Kontinent, auf dem vor allem der USA besonders ausführlich
gedacht wird. So enthüllt man hier endlich die "wahren"
Gründe
der US-Militäreinsätze und "durchleuchtet" die Abgründe der amerikanischen
Kultur. Weiter geht es über Mittelamerika mit seinen fußballversessenen Brasilianern
bis nach Feuerland. Danach folgt ein Streifzug beginnend im Norden Afrikas -
auch die Ägypter bekommen ihr Fett weg - bis man schließlich in Südafrika angelangt
ist. Flugs springt der Leser dann zurück in Norden nach Südwestasien. So kämpft
sich der Leser immer fort, quer über die Steinwüsten Zentralasiens, die Riesengebirge
Südasiens, durch Südostasien mit den unzähligen Tempeln und Sexshops Thailands
bis letztlich nach Ostasien, wo man dem "unendlichen" Heer der Chinesen einen
Besuch abstatten kann. Den krönenden Abschluss bildet, was der Autor malerisch
mit "Arsch der Welt" umschreibt. Darunter versteht er freilich kein längliches
Gebirgstal, umgeben von zwei großen sanften Hügeln, sondern die Pazifischen
Inseln, Australien und Neuseeland, ganz nach dem Motto: Was so weit weg ist,
kann eigentlich bloß der Arsch sein.
Schon beim Vorwort wird klar, dass es eigentlich darum geht, aufzuzeigen, warum
gerade wir - die Österreicher - den anderen Völkern der Erde an Kultur, Stil
und Manieren - und auch sonst - weit überlegen sind. Mit der Gewissheit, dass
"uns keiner das Wasser reichen kann", werden die Länder der restlichen Welt
mehr oder weniger eingehend betrachtet.
Vorausgesetzt man
nimmt das Buch nicht ernst, kann der Leser auf eine recht unterhaltsame Weise
eine Weltreise unternehmen, die ob der kurzen Kapitel und des angewendeten
Schreibstils ohne Anstrengung zu lesen ist. So eignet es sich auch als Lektüre
in der U-Bahn oder an sonstigen Orten, an denen man keine Konzentration für
"anspruchsvolle" Literatur erübrigen kann.
Anzumerken ist jedoch, dass in
einigen Fällen eine Mindestkenntnis der Historie oder sonstiger wichtigster
Eckdaten der behandelten Länder von Vorteil ist, andernfalls die eine oder
andere Anspielung wirkungslos verpuffen dürfte.
Wer das Buch allzu ernst
nimmt, Satire oder "leichte Unterhaltung" nicht schätzt, der sollte von diesem
Werk Abstand nehmen. Allen anderen kann dieser unorthodoxe Blick über die
europäischen Grenzen durchaus empfohlen werden - und seien wir ehrlich: einmal
zu den besten zu gehören, ist doch ein ganz gutes Gefühl, oder nicht?
(MagMaMa; 06/2004)
Gernot Wagner: "Der Rest der
Welt"
Ueberreuter, 2003. 144 Seiten; 10 s/w-Abbildungen, 10 farbige
Abbildungen.
ISBN 3-8000-3957-5.
ca. EUR 14,95.
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Lien:
https://www.tollwiewir.at/derrestderwelt/index_derrestderwelt.php3
Ergänzende
Buchempfehlung:
Markus Huber, Robert Treichler: "Keiner ist so toll wie
wir"
Blöde Briten, dämliche Deutsche, frustrierte Franzosen und 36
weitere hoffnungslose Fälle.
Von den albernen Albanern über die blöden Briten, dämlichen Deutschen, frustrierten
Franzosen und den lächerlichen Luxemburgern bis zu den zimperlichen Zyprioten:
Alle europäischen Länder werden in diesem Lexikon einer genauen, vorurteilsvollen
Überprüfung unterzogen. Erscheinungsbild und Vorkommen, Geschichte und Geografie,
Umgangsformen und Sprache: Kein Detail wird hier ausgelassen, um Österreichs
Überlegenheit zu dokumentieren. Zwangsläufig räumt das Buch dabei mit alten
Legenden auf, etwa der Legende von der angeblich so glorreichen Geschichte der
Schweden: Als Wickinger haben sie ja vor einiger Zeit halb Europa terrorisiert.
Aber haben sie dabei die Gegend um den Wörthersee erobert? Nein.
Grönland
haben sie besiedelt. Also bitte.
Längst haben wir Österreicher gemutmaßt, dass Spanier generell zu
klein und zu dunkel sind, dass Belgien ohne jede Notwendigkeit gegründet wurde
und dass Finnen aussehen wie in Alkohol eingelegte Fischstäbchen - blass,
tiefgefroren und betrunken.
Immer schon haben wir Vorurteile gegenüber den
anderen Europäern gehegt. Hier werden sie endlich bestätigt. Ausnahmslos.
(Ueberreuter)
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