Walter Nigg: "Rembrandt"
Maler des Ewigen
Rembrandt als Mittler religiöser
Erleuchtung
Rembrandts Geburt jährt sich 2006 zum vierhundertsten
Mal, ein Grund für zahlreiche Verlage, Rembrandt-Biografien
herauszubringen.
Das hübsche, bei Diogenes erschienene Rembrandt-Bändchen
hebt sich vom Rest ab; der Verfasser, der 1988 verstorbene Theologe, Philosoph
und Pfarrer Walter Nigg, erzählt und interpretiert Leben und Werk des großen
niederländischen Malers aus dem 17. Jahrhundert praktisch ausschließlich aus
religiöser Sicht.
Zunächst befasst sich der Autor mit der widersprüchlichen Rezeption Rembrandts,
der von Jacob Burckhardt im 19. Jahrhundert heftig abgelehnt und herabgesetzt,
von van Gogh hingegen tief verehrt wurde. Nigg erläutert, warum man sich im
vorletzten Jahrhundert überwiegend schwer tat, Rembrandt als einmaliges Genie
zu akzeptieren und seine Gemälde zu verstehen, zu erkennen, dass "etwas vom
Evangelium in Rembrandt ist", wie van Gogh meinte.
Es folgt eine Kurzbiografie, die in den historischen Zusammenhang
eingebettet wird: das Holland, das die spanische Besatzung abgeschüttelt hat und
vom Dreißigjährigen Krieg verschont blieb, und in dem bereits die Aufklärung
aufzuscheinen beginnt. Geprägt ist es jedoch nach wie vor vom Calvinismus, und
Rembrandts Bilder widersprechen dessen Geist zunehmend, als der Maler nach einem
bemerkenswerten gesellschaftlichen Aufstieg Bankrott geht und viele Jahre in
bitterer Armut verbringt. Der Autor betrachtet die Schicksalsschläge in
Rembrandts Leben, zum Beispiel den frühen Tod der geliebten ersten Frau und
mehrerer Kinder sowie die besagte Armut, als Auslöser für eine Hinwendung zum
Religiösen, das nun in seiner Kunst zum wesentlichen Element wird. Nigg
interpretiert Rembrandts berühmteste Bilder, die man als Schwarzweiß-Abbildungen
in der Mitte des Buchs findet, aus theologischer Sicht und diskutiert die
Unterschiede zu anderen Malern aus Rembrandts Zeit, etwa Rubens, und den großen
Künstlern der mittelalterlichen Kirchenmalerei.
Zuerst einmal ist dieses
Buch eine kleine bibliophile Besonderheit, wurde das Buch doch 1951 erstmals
verlegt. Ungewöhnlich erscheint aber auch der Interpretationsansatz: Rembrandts
Kunst als eine Form der Exegese und die Bibel als Mittel zur Deutung von
Rembrandts Kunst. Ob man Rembrandts Werk und Person ausschließlich für eine
religiöse Auslegung vereinnahmen darf, sei dahingestellt. Ganz unzweifelhaft
aber hat Rembrandt sich von biblischen Ereignissen faszinieren und inspirieren
lassen und sie unter Zuhilfenahme des bedeutungsschweren und beeindruckenden
Spiels von Licht, Schatten und Farbe in wunderbar auskomponierten Gemälden
dargestellt, deren tiefe
Frömmigkeit den Betrachter anrührt. Niggs
Ausarbeitungen sowohl zu Rembrandts Person als auch zu seiner Kunst erweisen
sich als hilfreich für das Verständnis so manches Bildes mit biblischem
Hintergrund, aber auch die profanen Bilder weiß der Autor nachvollziehbar zu
erklären. Tatsächlich scheint es, als ließe sich Rembrandts Werk nicht ohne das
Wissen um seine tiefe Religiosität, sein Gottvertrauen und seine Liebe zu
biblischen Figuren verstehen - wenn ein umfassendes Verständnis überhaupt
möglich ist, woran auch Walter Nigg zweifelt.
Das Buch ist, wie erwähnt, bei
aller Schlichtheit sehr ansprechend und hochwertig aufgemacht und bietet dazu
interessante und in einem angenehmen, kurzweiligen und unkomplizierten Stil
verfasste Lektüre: ein empfehlenswerter Beitrag zum Rembrandt-Jahr!
(Regina Károlyi; 05/2006)
Walter Nigg: "Rembrandt"
Diogenes, 2006.
141 Seiten.
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Walter Nigg wurde am 6. Jänner 1903 in
Luzern geboren. Er studierte in Göttingen, Leipzig und Zürich Philosophie und
Theologie. Im zürcherischen Dänikon war er protestantischer Pfarrer, und an der
Universität Zürich lehrte er als Titularprofessor für
Kirchengeschichte.
Walter Nigg starb am 17. März 1988 in Zürich.
Ketzer
seien ein Korrektiv zur Kirche, sagte Walter Nigg, und oft große Wegbereiter
neuer Ideen. Von Ketzern und Heiligen, Propheten, Mystikern, Künstlern und
Denkern handeln seine einfühlsamen und kraftsprühenden Bücher.
Weitere
Bücher des Autors (Auswahl):
"Große Heilige"
Der reformierte Theologe und Schriftsteller Walter Nigg schildert in diesem
vielgerühmten Werk das Leben und Wirken von elf Heiligen: zeigt, wie auch sie
mit dunklen Mächten in sich zu kämpfen hatten und keineswegs immer Sieger blieben:
Franz von Assisi,
Jeanne d’Arc, Niklaus von Flüe,
Theresia
von Avila, Therese von Lisieux und Andere. (Diogenes)
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"Des Pilgers Wiederkehr. Drei
Variationen über ein Thema"
In einer zunehmend mobilen Welt, in der
Schnelligkeit Trumpf ist und Langsamkeit verpönt, erleben Pilgerreisen seit
einigen Jahren einen unerwarteten Aufschwung. Walter Nigg befasst sich anhand
dreier Beispiele mit dem Thema der zeitlosen Wanderschaft und lädt dazu ein, die
jahrhundertealte Tradition des Pilgerns kennen zu lernen. (Diogenes)
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"Vincent van
Gogh - Der Blick in die Sonne. Ein biografischer Essay"
Ein Leben lang hat sich der Theologe Walter Nigg mit großen religiösen Denkern
befasst - und seine Liebe scheint dabei eher den Unheiligen als den Heiligen,
eher den Ketzern als den Folgsamen zu gehören. In
Vincent van Gogh
trifft der unorthodoxe Theologe auf eine der unorthodoxesten Gestalten des 19.
Jahrhunderts, einen genialen Maler, der gleichzeitig Ketzer ist, Denker, Gottsucher
und Prophet, der sein Leben lang zu Gott strebt und mit diesem doch immer wieder
in erbittertem Streit liegt. Wie Tolstoi
sagt sich van Gogh schließlich von der Kirche und den Priestern los und lebt
nach den Gesetzen einer Religion, die er ganz aus sich und der Natur schöpft.
Walter Niggs Unterfangen, den Lebensweg von Vincent van Gogh nachzuzeichnen,
scheint ehrgeizig - über kaum einen Maler ist so viel geschrieben worden wie
über van Gogh, wenige Bilder sind bekannter als dessen Sonnenblumen. Doch gerade
diese Fülle von Literatur macht Niggs Buch um so lesenswerter. Denn wie hier
van Goghs Leben für einmal aus einer ganz anderen Perspektive geschildert wird,
nämlich der religiösen, und wie sehr religiöse und künstlerische Entwicklung
immer wieder miteinander verschmelzen - das ist in solcher Originalität und
Eindringlichkeit nur selten zu lesen. (Diogenes)
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Weitere Buchtipps:
Roelof van
Straten: "Rembrandts Weg zur Kunst 1606-1632"
Zum ersten Mal wird
Rembrandts Frühzeit umfassend dargestellt. Alle in diesem Lebensabschnitt von
1625 bis 1632 entstandenen Werke sind im Buch abgebildet: Gemälde, Kupferstiche,
Radierungen, Zeichnungen und Paneele. Roelof van Straten kann eine Vielzahl
spannender, zum Teil anekdotischer Einzelheiten aus Rembrandts Jugendleben und
Frühwerk rekonstruieren. Der Künstler erscheint so in einem neuen, bisher nicht
bekannten Licht. Ein prachtvolles Buch, das nicht nur durch seine Bilder,
sondern auch durch seinen Text besticht. (Reimer Verlag)
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Gary Schwartz: "Das Rembrandt Buch.
Leben und Werk eines Genies"
Gary Schwartz, international renommierter
Rembrandt-Experte, beschreibt hier anschaulich und lebendig das Leben und Werk
Rembrandts. Ob Zuschreibungsproblematik, Biografie, historischer und sozialer
Kontext oder Bildanalyse - in allen diesen Bereichen erweist sich Gary Schwartz
als Fachmann, der versiert und gewandt in jedes Thema einzuführen weiß. So
ermöglicht er dem Leser, ganz in die Zeit Rembrandts einzutauchen und sich in
den Künstler und seine Arbeitsweise hineinzuversetzen.
Wie hat Rembrandt,
heute der berühmteste niederländische Künstler, seine Karriere begonnen? Wo und
wie hat er gelernt, welche Bildthemen waren für ihn wichtig? Diesen und vielen
weiteren Fragen geht Gary Schwartz auf den Grund. Informativ und kenntnisreich
schildert er Rembrandts Lebensweg und zeigt, was zu seinem großen Erfolg geführt
hat. Zum besseren Verständnis von Leben und Werk des Malers führt Gary Schwartz
in den historischen und sozialen Kontext ein - so fragt er etwa danach, wie der
Kunstmarkt funktionierte und was es bedeutete, im Amsterdam der damaligen Zeit
Künstler zu sein. Ein großer Teil des Buches ist den einzelnen Werken gewidmet -
hier werden die verschiedenen Themenkomplexe wie Landschaften, Porträts,
Selbstbildnisse oder religiöse Szenen vorgestellt und wichtige Bilder
exemplarisch untersucht. Gary Schwartz vermittelt sein immenses Wissen auf immer
nachvollziehbare Weise und lässt so ein umfassendes und vielschichtiges Bild von
Rembrandt und seiner Zeit entstehen. (C. H. Beck)
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Stefan Grohé: "Rembrandt. Leben und
Werk"
Warum üben Rembrandts Bilder heute noch eine so starke Wirkung auf
uns aus? Wie hat Rembrandt gearbeitet, was hat zu seinem großen Erfolg geführt?
Stefan Grohé geht diesen Fragen nach und verschafft uns einen faszinierenden
Einblick in das Leben und die Arbeitsweise des Malers, dessen Bilder - darunter
die Nachtwache sowie die große Zahl an
Selbstporträts - zu den berühmtesten
Werken der Kunstgeschichte gehören. (C. H. Beck)
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"Rembrandt. Genie auf der
Suche"
Der 400. Geburtstag Rembrandts ist der Anlass für die
Gemäldegalerie Berlin, in Kooperation mit dem Rembrandthuis in Amsterdam das
Gesamtwerk in einer großen Überblicksausstellung zu würdigen. Die aus der ganzen
Welt zusammengetragenen Hauptwerke ermöglichen einen neuen Blick auf einen der
wohl bekanntesten Maler der Welt.
1642 ist das Schicksalsjahr im Leben des
Malergenies: Mit dem Abschluss der Arbeiten an der Nachtwache hat er den
Höhepunkt seines Ruhmes als Porträt- und Historienmaler erreicht, doch mit dem
Tod seiner Frau Saskia, die ihn mit dem einjährigen Sohn Titus zurücklässt,
stürzt er in eine Lebenskrise.
Der Meister entwickelt seinen eigenen Stil zu
ganz neuen, originellen Bilderfindungen weiter und unterweist zugleich sein
großes Atelier und einen wachsenden Schülerkreis. Er setzt den Grundstein für
seinen unvergleichlichen Einfluss auf die Entwicklung der Kunst. Dieses reich
illustrierte Buch, das von einem internationalen Forscherteam erarbeitet wurde,
ist ein unverzichtbares Standardwerk über Rembrandt auf dem aktuellen
Forschungsstand. (DuMont)
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Ekkehard v. Mai (Hrsg.): "Holland nach
Rembrandt" zur Rezension ...
Zur niederländischen Kunst zwischen 1670 und
1750