Janne Haaland Matláry: "Veruntreute Menschenrechte"
Droht eine Diktatur des Relativismus?
Die
moderne Auslegung der Menschenrechte contra Naturrecht
1948 wurden unter dem Eindruck der
Nürnberger
Prozesse die
Menschenrechte formuliert. Sie sind sozusagen ein Exportschlager der
westlichen Welt, denn sie werden heute in allen demokratischen Staaten
im Wesentlichen akzeptiert; zudem dienen sie zunehmend supranationalen
Zusammenschlüssen wie der EU als Rechtsgrundlage.
Auf den ersten Blick ist die Bemühung nach einer
internationalen Norm der Grundrechte ein großer Fortschritt.
Doch wenn man genauer hinsieht, tauchen Paradoxien und Probleme auf.
Zwar sind die Menschenrechte festgelegt, nicht aber ihre Auslegung.
Diese wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Wer mit der
Menschenrechtsinterpretation in seinem (EU-) Staat nicht zufrieden ist,
kann sich zum Beispiel an den Europäischen Gerichtshof wenden
- mit guten Erfolgsaussichten. Dieser vertritt ausdrücklich
die Ansicht, die Auslegung und
Anwendung der Menschenrechte
müsse sich nach politischen Trends richten. Traditionelle
Werte, die bis vor etwa drei Jahrzehnten in unserer auf
bewährtem römisch-christlichem Recht basierenden
Gesellschaft verankert waren und die Gesetzgebung auf eine solide,
vertrauenswürdige und zeitlose Basis stellten, sind verloren
gegangen.
Moderne Philosophen halten bereits den Begriff "Wahrheit" für
fundamentalistisch, repressiv und somit undemokratisch. Was aber ist an
den Menschenrechten demokratisch, wenn sie modischen Polittendenzen
unterliegen? Janne Haaland Matláry zeigt nicht nur auf, wie
Nichtregierungsorganisationen (deren demokratische Legitimierung, um es
vorsichtig auszudrücken, alles andere als einwandfrei ist)
geschickt und mithilfe der Medien Einfluss auf die Rechtsgrundlagen von
Staaten und supranationalen Organisationen nehmen, sondern sie
erwähnt auch die Gefahr, die zuweilen von
mehrheitsgestützten Entscheidungen ausgeht, zumal die Mehrheit
durch geschickte Aufbereitung und Lancierung von
Schlüsselthemen gerade in unserer Mediengesellschaft leicht zu
beeinflussen ist.
Vor allem aber bringt die Menschenrechtsdiskussion eine
gefährliche Verquickung von Politik und Rechtsprechung mit
sich, wie die Autorin anhand mehrerer Beispiele beweist. Wo jedoch
Legislative und Judikative nicht klar getrennt werden, besteht kein
Rechtsstaat, und nur ein solcher kann Demokratie garantieren.
Ein wesentlicher Teil des Buchs befasst sich mit dem Naturrecht, wie es
vom Christentum vertreten wird, und das Papst Johannes Paul II. im
Rahmen der Menschenrechtsdiskussion immer ein großes Anliegen
war, besonders bezüglich zentraler "katholischer" Themen wie
Abtreibung und Euthanasie. Die Autorin, die sowohl in Norwegen als auch
im Vatikan wichtige politische Posten bekleidete, führt eine
ganze Reihe von Beispielen an, die zeigen, welch positiven Einfluss der
letzte Papst auf bedeutsame politische Entscheidungen genommen hat. Die
katholische Kirche hat aufgrund ihres einzigartigen Status und der
hervorragenden Diplomatie des Vatikans auch heute noch
Möglichkeiten, auf Entscheidungsträger einzuwirken.
Kardinal Ratzinger, heute
Benedikt
XVI., hat sich ebenfalls intensiv
mit den Menschenrechten befasst. Zu Recht kritisiert er die Intoleranz
der säkularisierten Staaten der Kirche gegenüber:
Systematische Verhöhnung und Lächerlichmachen der
Kirche und des Glaubens verstößt beispielsweise
gegen das Menschenrecht Glaubensfreiheit, vor allem aber gegen die
Menschenwürde, und ist doch gerade in Europa
allgegenwärtig als eine sehr offensichtliche und dennoch
hingenommene Form von Tyrannei der vorgeblich demokratischen Mehrheit.
Der liberale Gedanke hat seine natürlichen Grenzen verloren,
die durch die abgeschaffte Ethik von Gut und Böse sichtlich
werden: (Meinungs-) Freiheit geht offensichtlich über
Menschenwürde in einer Gesellschaft selbstbezüglicher
Menschen. Unsere liberalen, säkularisierten Staaten
exportieren dessen ungeachtet ihre verschwommene, der Mode unterworfene
Menschenrechtsidee in andere Länder.
Es verwundert nicht, dass die Autorin am Ende des Buchs für
die Rückbesinnung auf das Naturrecht plädiert. Die
Menschenrechte sind zu begrüßen, bedürfen
aber einer allgemein gültigen, auf dem Naturrecht basierenden
Definition, die sie vor der Launenhaftigkeit der Politik
schützt.
Ein konservatives Buch, ein "katholisches" und dennoch, oder gerade
deshalb, ausgesprochen politisches Buch. Es ist zum einen sehr
informativ für Christen, die sich über die
Mechanismen informieren möchten, denen die Politik heute
gehorcht, und die wissen möchten, welche Chancen die entgegen
dem Menschenrecht auf Glaubensfreiheit völlig ins Private
abgedrängte Kirche hat, sich konstruktiv in die Politik
einzubringen. Leser, die den Anschluss an die Kirche teilweise oder
ganz verloren haben, können sich mittels dieser
Lektüre über die wesentlichen Aspekte katholischer
Sozialethik informieren. Erfreulich sind unter anderem die klare
Struktur, der gut verständliche Stil und die logische, sorgsam
durchdachte Argumentation. Im ersten Teil kommt es allerdings zu
häufigen inhaltlichen Wiederholungen.
Anhänger der "political correctness" werden an diesem Buch
wenig Freude haben, da es sich explizit gegen die daraus
hervorgehenden, demokratisch nicht legitimierten Vorgaben richtet.
Zudem zieht die Autorin als Beleg ihrer Schlussfolgerungen und
Beobachtungen vor allem die Abtreibungsdiskussion heran; der
diesbezügliche Standpunkt der Kirche wirkt bekanntlich auf die
Öffentlichkeit wie ein rotes Tuch, wenngleich hierin die
Bedeutung, die die Kirche dem Recht auf Leben beimisst, besonders
deutlich wird. Sollte man aber als Befürworter von Toleranz
und Menschenrechten nicht die dem eigenen entgegengesetzten Standpunkte
kennen lernen, bevor man sie bestenfalls als altmodisch und
"konservativ" abtut?
"Dieses Buch wird Kontroversen auslösen, aber das
müsste es eigentlich nicht", schreibt die Autorin in der
Einleitung. Was es müsste oder auch nicht, sei dem Leser
überlassen. Schön wäre es, wenn das Buch
bekannt genug würde, um tatsächlich eine Kontroverse
zu ermöglichen. Selbst wenn man sich nicht mit allen darin
enthaltenen Aussagen und Rückschlüssen anfreunden
kann, verdient es, dass man sich unvoreingenommen damit
auseinandersetzt: Es basiert auf gründlicher Sachkenntnis und
legt den Finger in eine tiefe Wunde unserer Zeit.
(Regina Károlyi; 09/2006)
Janne
Haaland Matláry: "Veruntreute Menschenrechte"
Übersetzt von Gabriele Stein.
Sankt Ulrich Verlag, 2006. 207 Seiten.
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Janne
Haaland Matláry, geboren 1957 im Süden Norwegens,
ist Professorin für internationale Politik an der
Universität Oslo. Von 1997 bis 2000 gehörte die
Christdemokratin als Staatssekretärin im
Außenministerium und stellvertretende
Außenministerin der norwegischen Regierung an. Die
mehrsprachige Politikerin ist Vorsitzende des Ausschusses für
Außenpolitik der Christlichen Volkspartei Norwegens und
Mutter von vier Kindern. Aus einem agnostischen Milieu stammend,
konvertierte sie mit 24 Jahren zur Katholischen Kirche. Sie ist
Mitglied des Päpstlichen Rates für die Familie und
des Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Als Vertreterin des
Heiligen Stuhls nahm Matláry an mehreren UNO-Konferenzen
teil, unter anderem 1995 an der internationalen Frauen-Konferenz in
Peking. Im Dezember 2001 führt sie die Delegation des Vatikans
bei der UN-Konferenz in Yokohama über sexuelle Ausbeutung von
Kindern. Neben einer großen Zahl wissenschaftlicher und
politischer Veröffentlichungen schreibt sie
regelmäßig als Kolumnistin für mehrere
Zeitungen und Zeitschriften. Im Jahre 2001 wird sie als Ordensdame in
den Malteserorden aufgenommen.
Weitere Buchtipps:
Joseph Ratzinger, Marcello Pera: "Ohne Wurzeln. Der Relativismus und
die Krise der europäischen Kultur"
Relativismus und moralische Beliebigkeit haben die europäische
Kultur an den Rand des Abgrunds geführt und bedrohen Staat und
Gesellschaft. Der zum liberalen Flügel der Berlusconi-Partei
gehörende Philosoph, bekennende Atheist und Präsident
des italienischen Senates Marcello Pera und der langjährige
Präfekt der Römischen Glaubenskongregation, Joseph
Kardinal Ratzinger, der am 19. April 2005 als Benedikt XVI. zum
Oberhaupt der Katholischen Kirche gewählt wurde, kommen in
zwei unabhängig voneinander entstandenen Beiträgen
und einem aufsehenerregenden Briefwechsel zu erstaunlichen
Übereinstimmungen über die Grundlagen einer
menschenwürdigen Gesellschaft der Zukunft und die
Notwendigkeit einer Neubelebung der christlichen Wurzeln Europas.
Dieses Buch ist ein aufregendes Dokument zur Eröffnung einer
zukunftsweisenden Debatte zwischen Katholiken und Nicht-Glaubenden
über die moralischen Voraussetzungen des menschlichen
Zusammenlebens im 21. Jahrhundert. (Sankt Ulrich Verlag)
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Kardinal
Miloslav Vlk im Gespräch mit Rudolf Kucera: "Wird Europa
heidnisch?"
Fällt Europa zurück ins Heidentum? Oder steht der
alte Kontinent vor einem neuen christlichen Frühling seiner
Geschichte? Miloslav Kardinal Vlk, Erzbischof von Prag und Vorsitzender
des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen, gibt Antworten
auf drängende Fragen nach der Zukunft des wiedervereinten
Europas. Kardinal Vlk hat die Bedeutung des christlichen Glaubens
während der kommunistischen Unterdrückung
persönlich erfahren, was ihn vieles unkomplizierter, aber auch
kritischer als westliche Beobachter sehen lässt. Als
freimütiger und glaubensstarker Christ hat Kardinal Vlk, der
sich zehn Jahre als Fensterputzer in der ehemaligen Tschechoslowakei
durchschlagen musste, weil er nicht Priester werden konnte, in der
persönlichen Erfahrung des Kreuzes einen unbeirrbaren
Standpunkt gewonnen. Westlichen Kirchenvertretern wie Politikern
hält er einen kritischen Spiegel vor, aber er spricht auch die
Einladung zum christlichen Wiederaufbau ganz Europas aus. Rudolf
Kucera, Professor für Politikwissenschaft und vielbeachteter
tschechischer Publizist, der sich insbesondere für die
deutsch-tschechische Aussöhnung in seiner Heimat einsetzt,
sprach mit dem Kardinal über gesamteuropäische
Zukunftsperspektiven für Gesellschaft und Kirche. (Sankt
Ulrich Verlag)
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Peter
Kreeft: "Ökumenischer Djihad - Religionen im globalen
Kulturkampf"
Was hat das ökumenische Miteinander der Religionen mit dem
"Djihad" zu tun, der in der aktuellen Diskussion für
fanatisierte Selbstmordattentäter steht? Peter Kreefts
provozierende Antwort: Die Welt ist nicht von einem Kampf der Kulturen
bedroht, sondern von einem längst schon entbrannten Kampf der
Gottlosigkeit gegen das menschliche Leben und seine Werte. Warum
kämpfen Kirchen und
Religionen der Welt nicht friedlich
zusammen gegen Werteverfall, Glaubensverlust,
Jugendkriminalität, Bildungskrise, Zerstörung der
Familien? Peter Kreeft sieht alle Gläubigen der Welt in einem
gemeinsamen "Heiligen Krieg" gegen die materialistische Ausbeutung und
moralische Korruption des Menschen. (Sankt Ulrich Verlag)
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Rudolf
Czernin: "Vom Liberalismus zur Anarchie. Dem Sturz ins Chaos begegnen!"
Konsequent umgesetzter Liberalismus führt zu Chaos und
Anarchie, die erst recht die Grundbedingungen menschlicher Freiheit
zerstören. Gerade um der Bewahrung der Freiheit und der
demokratischen Staatsordnung willen muss es also darum gehen, das
falsche Menschenbild und den irrigen Freiheitsbegriff des Liberalismus
zu korrigieren - so lautet das Credo des Autors.
Zu diesem Zweck analysiert er die philosophischen Wurzeln des
Liberalismus im Gedankengut der Aufklärung und des 19.
Jahrhunderts und zeigt die fatalen gesellschaftlichen Auswirkungen der
Lehren eines
Nietzsche,
Freud,
Sartre und
Marcuse. Die
Entwicklung in
Kirche, Kunst und Kultur, die Folgen von verabsolutiertem
Individualismus und Massengesellschaft, von Multikulturalismus und
Globalisierung
werden kritisch beleuchtet. All diese
auflösenden Faktoren, denen die Staaten und Kulturen
ausgesetzt sind, können schon bald zu katastrophalen
Zuständen der Unordnung und Anarchie führen. Mit
welchen Prinzipien dieser Entwicklung begegnet und die Würde
des Menschen unantastbar gehalten werden kann, umreißt der
Autor im abschließenden Teil seines Buches. (Leopold Stocker
Verlag)
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