Kathy Reichs: "Hals über Kopf"
Kein harmloser Exkurs auf eine idyllische Ferieninsel
Nach
ihren Erlebnissen
im Heiligen Land befindet sich Tempe Brennan nun wieder auf
dem nordamerikanischen Kontinent und geht einer ihrer grundlegenden
Vorlieben nach - der Anthropologie. Dabei fungiert sie als Leiterin
einer Feldstudie mit einer Gruppe von Studentinnen und Studenten,
für die diese Expedition auch ausbildungsrelevant ist. Auf der
kleinen Insel Dewees, nördlich von Charleston in North
Carolina, graben sie nach vorgeschichtlichen Skeletten amerikanischer
Ureinwohner, um so Wanderbewegungen dieser Volksgruppen besser
beurteilen zu können. Doch mitten unter den anderen
Grabungsartefakten findet sich ein Grab, das eindeutig ein wenig
frischer ist als seine Nachbarn, und so endet die Expedition einen Tag
früher als ursprünglich geplant. Zusammen mit der
ortansässigen Pathologin Emma Rousseau macht sich Tempe daran,
das noch sehr gut erhaltene Skelett zu bergen, wobei sie die Grabung
als Tatort behandelt. Eine Überlegung, die dem
örtlichen Sheriff Gullet nicht sonderlich zusagt - besonders
als Tempe, infolge der Erkrankung ihrer Freundin Emma, den Fall
vollständig übernimmt.
Trotzdem ruft er sie bereitwillig zu Hilfe, als in einem
Waldstück eine weitere Leiche gefunden wird, die dort wohl
schon seit einiger Zeit von einem Baum baumelt. Auch wenn es dazu
zunächst keinen konkreten Anlass gibt, kommt es Tempe so vor,
als ob die beiden Fälle miteinander in Beziehung
stünden. Und das nicht nur, weil die Identitäten der
beiden Opfer zunächst unklar bleiben. Eine
umfängliche Ermittlung in einem ungewohnten Umfeld beginnt.
Während sie sich beruflich mit diesen Problemen herumschlagen
und überdies die Semesternoten ihrer Studentinnen und
Studenten fertig machen muss, kommt zu allem Übel auch noch
Pete, ihr Exmann, ins Haus, dem die Hausbesitzerin dies für
einige Zeit versprochen hatte, nachdem Tempes Arbeit abgeschlossen ist.
Dadurch, dass Tempe nun länger arbeiten muss, sind die beiden
Ex-Eheleute gezwungen, wieder miteinander unter einem Dach zu leben,
was zu gewissen Spannungen führt - obwohl sich Pete auf der
Suche nach der vermissten Tochter eines Klienten meistens
außer Haus befindet.
Die Spannung steigt weiter, als zu allem Überfluss auch noch
Ryan in Charleston auftaucht, der ebenfalls in das fragliche Haus
einziehen muss. Nun sind der Ex und der eventuell Zukünftige
in einem Haus und versuchen erst einmal spielerisch ihre
Kräfte zu messen, was für Tempe ziemlich anstrengend
wird; genauso, wie Sheriff Gullet zu erklären, warum sich nun
ein weiterer "Aushäusiger" an den Ermittlungen beteiligt. Doch
die Erfolge der gemeinschaftlichen Bemühungen lassen nicht
allzu viel Unfrieden aufkommen. Und als die dritte Leiche auftaucht,
kann Tempe der örtlichen Polizei endgültig ihre
Nützlichkeit beweisen.
Es gibt in "Hals über Kopf" zwar wieder kurz vor Ende eine
dieser Situationen, die bei Reichs' Romanen schon fast Formelcharakter
angenommen haben, aber diesmal wirkt es insgesamt ein wenig
natürlicher, als man es von den vorhergehenden Krimis
gewöhnt war. Ansonsten ist "Hals über Kopf" erneut
ein erfreulicher Roman, der die Schwächen der beiden letzten
Titel vergessen lässt. Anscheinend hat die Arbeit an der
Fernsehserie hier einige positive Impulse gebracht. Eine angenehme
Sommerüberraschung.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 07/2006)
Kathy
Reichs: "Hals über Kopf"
(Originaltitel "Break No Bones")
Übersetzt von Klaus Berr.
Blessing, 2006. 415 Seiten.
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