Heidi Rehn: "Tod im Englischen Garten"
Historischer Krimi
Polizeikommissar
Severin Thiel ist wieder da, um im München der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Fall zu bearbeiten. Bereits
seit einigen Monaten ermittelt er mehr oder weniger verdeckt gegen die
so genannte "Dachauer Bank" der Adele Spitzeder. Es handelt sich um
eine Art alternatives Kreditinstitut, das sich vor allen Dingen der
Kleinanleger annimmt. Da hier sehr viele Menschen in sehr kurzer Zeit
zu finanziellem
Glück zu kommen scheinen, schöpft die
Obrigkeit Verdacht, besonders,
weil die gescheiterte Schauspielerin Adele Spitzeder nicht unbedingt
die Seriosität einer regulären Bankdirektorin
ausstrahlt.
Doch für viele Menschen im Inntal - und natürlich
auch in München selbst - ist sie die Hoffnung auf ein
Vorwärtskommen, die in den größtenteils
noch sehr rustikal-mittelalterlichen Gegenden geradezu
widernatürlich zu wirken scheint, auch wenn sogar viele
Geistliche die Vorzüge der "Dachauer Bank" von ihren Kanzeln
herab preisen.
Als im Englischen Garten der vierte
Ermordete
gefunden wird, dessen
Leiche neben einer schweren Kopfverletzung in erster Linie sehr leere
Taschen
aufweist, ist sich Thiel zunehmend sicher, dass diese Häufung
an Todesfällen in der Nähe der Spitzeder Bank mit
dieser ursächlich zusammenhängt. Zunächst
kann er aber seine Vorgesetzten von dieser Auffassung nicht so
gänzlich überzeugen.
Bald jedoch bekommt er über den Umweg der von ihm verehrten
Frauenrechtlerin Johanna Morgenthau einen weiteren Zugang zu dem Fall.
Deren Nichte ist nämlich mit ihrem Galan aus dem Inntal in die
Stadt geflüchtet, und nachdem sich dieser
abgesetzt zu haben scheint, ist das verzweifelte - und schwangere -
Mädchen bei seiner Verwandten gelandet. Und damit auch im
Wahrnehmungskreis Thiels, der bald die Identität einer der
"Gartenleichen" mit dem Vermissten in Deckung bringen kann. Ab diesem
Moment entwickelt sich der weitere Fall ziemlich rasant.
Neben einer sehr anschaulichen Darstellung der Ereignisse um die
historische Figur der Adele Spitzeder und ihrer Bankgeschäfte
zeichnet dieser Roman auch ein authentisch erscheinendes Bild des
Lebens der Menschen im München der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts. Hierbei ist in meinen Augen vor allen Dingen die
Darstellung der Landflucht und ihrer Konsequenzen in dieser Zeit
interessant, die an verschiedenen - wenn auch zum Teil ein wenig
stereotypen -
Einzelschicksalen dargestellt werden. Die Beschreibungen von
Landschaften des Inntals erinnern stark an Darstellungen aus der
Literatur des 19. Jahrhunderts, was für den
zeitgenössischen Leser vielleicht ein wenig
gewöhnungsbedürftig sein könnte, der
Atmosphäre des Buchs aber durchaus gerecht wird.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 11/2007)
Heidi
Rehn: "Tod im Englischen Garten"
Emons Verlag, 2007. 381 Seiten.
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