Heidi Rehn: "Blutige Hände"
April 1870: Mitten im ersten Arbeiteraufstand geschieht ein Mord
"Blutige
Hände" ist der zweite historische Kriminalroman der Autorin,
nach dem bereits sehr interessanten "Thonets
Gesellen", und diesmal entführt sie die Leser ins
Bayern des April 1870, genauer in die Residenz- und Hauptstadt
Ludwigs
II. Und auch diesmal geht es um Momente und Aspekte der
Industrialisierung im 19. Jahrhundert sowie um die
Veränderungen, die sich dadurch in der Gesellschaft ergaben.
Die blutigen Hände holen sich die Frauen streikender Schneider
im München im April 1870. Mit gemieteten Nähmaschinen
und inoffiziellen Konfektionsaufträgen begeben sich diese
Frauen in eine Art der Kreditsklaverei zu dem
Nähmaschinenhändler Riederer, womit sie zum einen den
Streik ihrer Männer unterlaufen und zum anderen das
Überleben ihrer Familien sichern. Bis eines Tages Riederer
erstochen in seinem Laden aufgefunden und ein auswärtiger
Vertreter des Arbeitervereins zum Hauptverdächtigen wird.
Der schon länger in der Arbeiterbewegung ermittelnde
Polizeioffiziant Severin Thiel wird auf den Fall angesetzt, und
zunächst sieht alles ziemlich eindeutig aus, weswegen sein
Polizeidirektor auch auf eine schnellstmögliche
Aufklärung drängt. Doch bald zeigt sich, dass es
wesentlich mehr Verwicklungen im kleinen München gibt, als
Severin sich zuvor hatte träumen lassen. Denn nicht nur wollen
die Arbeiter hier mehr Rechte - und die Arbeitervereine mehr
politischen Einfluss -, sondern die Struktur des bayrischen
Arbeitsmarktes macht die Arbeit für die auswärtigen
"Agitatoren" überaus kompliziert und in den Augen vieler
Arbeiter sogar überflüssig. Daneben scheinen auch
Frauen in diesem Fall eine immer größere Rolle zu
spielen, die nämlich so interessante Forderungen stellen, wie
"gleichen Lohn für gleiche Arbeit." Im Zuge seiner
Ermittlungen wird Severin immer tiefer in diese undurchsichtigen
politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge und
Veränderungen hineingezogen und droht beinahe an ihnen zu
zerbrechen - genau wie seine Karriere zu beenden, als seine
Ermittlungsmethoden seinen Vorgesetzten nicht mehr zusagen.
In diesem neuen Roman beschreibt Heidi Rehn die Umstände um
den Streik der Schneidergehilfen im April 1870 in München und
das Leben in der damaligen Zeit sehr anschaulich und
schafft es, dies mit einer glaubwürdigen und annehmbaren
Kriminalgeschichte zu verknüpfen, die von ebenfalls
glaubwürdigen Charakteren vorangetrieben wird. Ein
großes und lehrreiches Lesevergnügen, das viele
Leser erfreuen dürfte. Den Historikern bietet das Nachwort
noch die Möglichkeit, die beschriebenen Ereignisse und
Personen in ihre möglichst objektive historische
"Realität" einzuordnen.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2006)
Heidi
Rehn: "Blutige Hände"
Emons Verlag, 2006. 224 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen