Sven Regener: "Herr Lehmann"
Es ist 1989 in Berlin
und Frank Lehmann steht kurz vor seinem 30. Geburtstag, weswegen ihn seine Freunde
und Bekannten nun immer als "Herr Lehmann" ansprechen, was ihm fürchterlich
auf den Wecker
geht. Er arbeitet als Kellner und ist in dem was er tut in seiner Umgebung ungeahnt
beliebt, was ihn selbst immer wieder am meisten überrascht. Eines Abends wird
er nach einem Umtrunk mit seinem Chef auf dem Lausitzer Platz von einem aggressiven
Hund aufgehalten, der ihn zu einem weiteren Umweg zwingt. Kurz darauf "droht"
ihm seine Mutter mit einem elterlichen Besuch aus Bremen.
Bei einem Streit mit
der Köchin in einem anderen Restaurant seines Arbeitgebers gerät er bei der
Diskussion des Schweinebratens ins Philosophieren und Wortspielen, was zunächst
etwas aufgesetzt wirkt. So kann die Köchin zum Beispiel nicht glauben, dass
der gelernte Speditionskaufmann sehr gerne als Kellner arbeitet und wirklich
gar nichts Anderes tun möchte. Doch ein Näherherankommen an die Köchin - Katrin
- und einige Ereignisse, die ihn in seinem Bekanntenkreis zum Helden machen,
lassen Herrn Lehmann doch über einen Wechsel seiner Lebensumstände nachdenken. Dabei sind
neben Katrin unter anderem sein Freund Karl und ein Gast mit dem Namen Kristall-Rainer
verantwortlich, die ihn in einige der Situationen, in denen er heldenhaft sein
muss hinein manövrieren.
Als seine Eltern schließlich
tatsächlich nach Berlin kommen, bedeutet dies für Herrn Lehmann den Umbruch
in seinem Leben, nach dem sich so viel ereignet, dass der zeitgleich verlaufende
Fall der Mauer und
die Deutsche Wiedervereinigung für Herrn Lehmann und seine
Freunde geradezu en passant geschieht.
Eine interessante Studie
von Befindlichkeiten und Ideen in Umbruchzeiten - und darüber, wie wenig wichtig
tagespolitische Ereignisse für viele "normale" Menschen zu sein scheinen. Denn
normaler als Herr Lehmann kann man eigentlich kaum sein. Und dies kann man sogar
im
Film bewundern, wobei ich allerdings glaube, dass hier das Buch besser
sein dürfte.
(K.-G. Beck-Ewerhardy)
Sven Regener: "Herr Lehmann"
Buch
bestellen
Die weiteren Bücher der "Lehmann-Trilogie":
"Neue Vahr Süd"
Wir befinden uns im Jahre
1980 in der Neuen Vahr Süd, einem ganz und gar nicht pittoresken Neubauviertel
im Osten von Bremen. Für Frank Lehmann, der gerade seine Lehre beendet hat,
noch immer bei seinen
Eltern wohnt und irgendwie vergessen hat, den Wehrdienst
zu verweigern, wird es ein hartes halbes Jahr. Zwar gelingt ihm nach einem
Streit der Auszug aus dem Elternhaus in eine chaotische Wohngemeinschaft, aber
ein neues Zuhause hat er damit noch lange nicht gefunden, und die Neue Vahr Süd
holt ihn immer wieder ein. Und während Frank - noch immer rätselnd, wie es so
weit kommen konnte - in der Kaserne strammstehen, Hemden auf DIN A4 falten und
durchs Gelände robben muss, streiten seine Freunde für ihre Version der
proletarischen Weltrevolution, gegen Militär und Aufrüstung und um die
energische Sibille, ohne diese allerdings vorher nach ihrer Meinung gefragt zu
haben. Hin- und hergerissen zwischen Auflehnung und Resignation kämpft Frank
Lehmann hart am Abgrund und mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln für
eine eigene, würdige Existenz zwischen zwei widersprüchlichen Welten.
(Eichborn)
Buch
bestellen
"Der kleine Bruder" zur Rezension ...