Pierre Itshak Lurçat (Hrsg.): "Rabbinische Weisheiten"
"Wer mit den Weisen umgeht, der wird
weise. Wer aber der Narren Geselle ist, der wird Unglück haben." (Sprüche)
Eine Auswahl aus der
weltweiten Fülle an über lange Jahrhunderte hinweg zustande gekommenen
Sprichwörtern und Ratschlägen zur Lebensführung und zur rechten inneren Haltung
bietet der vorliegende Band "Rabbinische Weisheiten".
In seinem Vorwort setzt
sich Rabbi Josy Eisenberg mit dem Begriff "Weisheit" und den unterschiedlichen
Bedeutungsebenen der Erklärungsinhalte auseinander - Wissen, Geschicklichkeit,
Weissagung, ...
Die Einführung von Pierre Itshak Lurçat zeigt die mannigfaltigen Quellen, aus
denen der Herausgeber schöpfen konnte: Tenach (das ist die hebräische Bibel),
Talmud, Midrasch (rabbinischer Kommentar zu
den Büchern der Bibel) und chassidisches Gedankengut, und auch die Strömung
des Kabbalismus hat Eingang in
die hochkarätige Sammlung gefunden.
Pierre Itshak Lurçat gibt weiters eine kurze
Darstellung der "Schicksalsgemeinschaft" der Juden und beleuchtet die spirituellen
Wurzeln und Grundzüge derselben.
Freilich kann mit den sich bei der Lektüre dieses Bandes
erschließenden Weisheiten jeder etwas anfangen, denn die Kunst des Lebens kennt
keine von Menschen gemachten Grenzen, und gar mancher tiefsinnige Spruch mag
Anlass zum Schmunzeln oder auch zum Innehalten und zur vertiefenden Wahrnehmung
bieten.
Um der geballten Ladung Sinnhaftigkeit lesefreundliche Struktur
zu verleihen, wurden jeweils Textpassagen, Sprichwörter, Zitate usw. zu
folgenden Themenkreisen versammelt:
"Der Mensch und sein Schöpfer", "Liebe",
"Erziehung", "Mann und Frau", "Das Wort", "Das Gebet", "Geld", "Glück",
"Gerechtigkeit", "Das Gute und das Böse", "Weisheit", "Lebensalter".
Am besten veranschaulichen selbstverständlich Zitate aus einigen Kapiteln die
Grundzüge der vermittelten Geisteswelt - mögen die nachstehenden Zeilen auf
fruchtbaren Boden fallen:
Aus "Der Mensch und sein Schöpfer":
"Gott verbirgt sich, damit der Mensch ihn
sucht." (Rabbi Nachman von Breslow); "Der Mensch, der eine Leiter ersteigen
will, setze seinen Fuß zunächst auf die unterste Sprosse. Erst wenn sein Fuß
die Erde verlassen hat, hat es Sinn, den Kopf zu heben und den Blick nach oben
zu richten. Willst du also Gott näher kommen, so beginne deine Suche damit,
dass du deine niederen Instinkte prüfst und deine Gelüste zügelst. Gott mit
dem Intellekt zu suchen, bevor noch der Charakter geläutert wurde, ist ein
Irrweg."
(Rabbi Abraham Weinberg von Slonim).
Aus "Liebe":
"Die materiellen Bedürfnisse deines Nächsten sind deine spirituelle Aufgabe."
(Rabbi Israel von Salant); "O, wären die Menschen doch klug ... sie würden sich
umarmen und lieben statt sich zu bekriegen.", "Du willst geliebt werden? Dann
liebe!" (Baal Schem Tow);
"Wie das Spiegelbild im Wasser ist gegenüber dem Angesicht, so ist eines Menschen Herz
gegenüber dem anderen." (Sprüche).
Aus "Erziehung":
"Derjenige heißt der Vater eines Kindes, der
es großzieht, nicht aber der, der es gezeugt hat." (Kommentar zum Buch Exodus);
"Einem Kind etwas versprechen, ohne es zu halten, heißt es lügen lehren."
(Talmud, Sota); "So ist es von jeher: Die Eltern teilen den Kummer ihrer Kinder,
doch die Kinder nicht den der Eltern. Ebenso teilt der Heilige, gelobt sei Er,
unser Leid - wir aber teilen das Leid der göttlichen Gegenwart nicht."
(Chassidische Weisheit).
Aus "Mann und Frau":
"Ein tugendsames Weib ist
viel edler denn die köstlichsten Perlen." (Sprüche); "Jeder Mann hat die Frau,
die er verdient." (Talmud, Sota); "Der Mann achte darauf, seine Frau nicht zu
verletzen und sie nicht zum Weinen zu bringen." (Talmud, Baba mezia); "Der
vollkommene Mensch besitzt die Stärke eines Mannes und die Barmherzigkeit der
Frau." (Sohar); "Liebe mich weniger heiß, dafür aber länger." (Jiddische
Volksweisheit).
Aus "Das Wort":
"In jungen Jahren lernt man zu sprechen,
im Alter aber zu schweigen. Dies ist der grundlegende Fehler des Menschen: Er
lernt zu sprechen, bevor er noch zu schweigen weiß.", "Das Wort ist ein Hammer,
der sogar das Herz aus Stein rührt." (Rabbi Nachman von Breslow); "Die beste
Arznei ist die Stille." (Talmud, Megilla); "Wenn alle Menschen die Wahrheit
sagten, wäre der Messias bereits da." (Rabbi Pinchas von Korez); "Urteile nie
über einen Menschen nach dem, was er im Augenblick des Schmerzes sagt." (Talmud,
Baba batra).
Abschließend noch einmal zurück zu Rabbi Josy
Eisenberg:
"Denn wir alle werden niemals weise sein, doch dürfen wir hoffen,
als Schüler Genüge zu finden."
(Irmgard Ernst; 10/2003)
Pierre Itshak Lurçat (Hrsg.): "Rabbinische Weisheiten"
(Originaltitel "Préceptes de Vie. Issus de la Sagesse Juive")
Aus dem Französischen von Elisabeth Liebl.
dtv, 2003. 158 Seiten.
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