Martin Prinz: "Ein Paar"


Georg und Susanne sind seit langem ein Paar. Susanne ist Journalistin und hat lange Jahre als freie Mitarbeiterin bei ihrer Zeitung gearbeitet. Als sie die Redaktionsleitung im Juli 1998 nach dem Grubenunglück in den Bergbauort Lassing in Österreich schickt, ergreift sie ihre Chance: Sie berichtet ehrlich und authentisch über mehrere Tage hintereinander. In Anerkennung dieser Leistung erhält sie von der Redaktionsleitung einen festen Vertrag und ist mittlerweile so etabliert und erfolgreich, dass sie nur selten für die von ihr nun geleiteten Gesundheitsseiten ihrer Zeitung auf Reisen gehen muss. Sie hat inzwischen die Thermen, "Wellness"-Oasen und "Day-Spas" ziemlich satt und lässt andere Mitarbeiter zu Terminen fahren, die aufgrund von Anzeigen-Gegengeschäften nötig sind.
Auch Georg ist in seinem Beruf erfolgreich. Er arbeitet im Institut für medizinische und sportwissenschaftliche Beratung, wo er eigentlich den ganzen Tag lang kaum sein Labor verlässt. Für diese Arbeit hat er sein Medizinstudium vor Jahren vorzeitig abgebrochen.
Beide führen eine normale Ehe, pflegen Bekanntschaften mit Menschen, mit denen sie sich unter anderem über gutes Essen und edlen Wein, (ein Spezialgebiet Georgs), austauschen, so wie es viele ihrer Generation tun, jedenfalls so lange, bis sie merken, dass man mit Essen und Wein weder Sinn- noch Identitätslücken füllen kann.
Beide sind soweit glücklich, auch in ihrer Beziehung - es gibt massenhaft lieblosere und leidenschaftslosere.

Eines Tages begegnet Susanne während eines Termins einem Mann namens Sebastian. Schon beim ersten Blick funkt es so gewaltig, dass Susanne ihm ihre Mobiltelefonnummer gibt. Über einen vom Autor auch ausschnittsweise dokumentierten Kontakt per SMS kommt Susanne Sebastian so nahe, wie sie es noch nie erlebt hat. Wohlgemerkt: sie landet nicht mit ihm im Bett. Susanne weist Sebastian mehrfach darauf hin, dass sie vergeben und glücklich verheiratet ist, und sie meint das auch ernst. Sie will aus ihrer Ehe mit Georg nicht ausbrechen und kann sich doch dem Zauber Sebastians nicht entziehen.

Georg spürt davon nichts, zumal die tatsächlichen Begegnungen der beiden frisch Verliebten sehr selten sind. Aber Hunderte SMS und E-Mails, die Georg später auf Susannes Rechner entdeckt, zeigen eine Beziehung, wie sie intensiver und dichter kaum sein könnte.

Susanne genießt das und will dennoch den Kontakt beenden. Auch dies eine Erfahrung, die sie nicht als Erste macht. Immer wieder schickt sie Sebastian die "allerletzte" SMS, bloß um einige Tage danach wieder schwach und rückfällig zu werden.
Sie versucht, Abstand zu gewinnen, und nutzt einige Tage, in denen Georg sie in Hamburg auf einer "Wellness"-Präsentation wähnt, um nach Grado ans winterliche Mittelmeer zu fahren. Auf dieser Fahrt erinnert sie sich an ihre Tätigkeit in Lassing anno 1998, ebenso daran, wie Georg mehrfach während dieser anstrengenden Tage erfolglos versucht hatte, ihr, nachdem sie müde und erschöpft nach Hause gekommen war, einen Heiratsantrag zu machen, sie dokumentiert die ganze damalige Geschichte inklusive der wundersamen Rettung eines schon lange für tot gehaltenen Bergmanns.

Am ersten Abend ihrer Abwesenheit ist Georg, nachdem er, doch etwas stutzig geworden, Susannes E-Mails auf ihrem Rechner gelesen hat, zu Gast bei Freunden und vögelt auf der Toilette kurz und wenig befriedigend mit Eva, der Frau des Hauses.
Als er, leicht betrunken und verstört nach Hause kommt, hat ihm Susanne eine SMS geschickt, von der sich später herausstellt, dass sie sie eigentlich gar nicht abschicken wollte: "lassing schläft". Er versteht die Andeutung, weiß, was die Chiffre für sie und ihn bedeutet, und antwortet: "noch einmal".
Am nächsten Tag bricht auch er nach Grado ans Meer auf; er will ebenfalls Abstand gewinnen und Kraft für einen Neuanfang mit sich selbst und seiner Frau tanken. Er schläft in seinem Himalaya-tauglichen Schlafsack am Strand, wo ihm die nachts am Meer spazieren gehende Susanne begegnet, ohne ihn zu erkennen.
Wieder nach Hause zurückgekehrt, erwartet Georg Susanne voller innerer Spannung und Freude; er weiß nicht, dass sie beide in Grado waren.
Ob sie wieder in ihre Ehe zurückfinden? Ob Susanne aus ihrer frischen Liebe zu Sebastian Brücken in ihre Beziehung mit Georg schlagen kann?

Martin Prinz überlässt es dem Leser, eine Antwort darauf zu finden. Er hat einen unterhaltsamen Roman geschrieben, der neben dem Hauptthema auf interessante Weise das Grubenunglück von Lassing Revue passieren lässt, vielleicht auch, weil es eine schöne Metapher darstellt. Der verschüttete und tot geglaubte Bergmann Georg Hainzl lebt. Ein Wunder ist geschehen. Vielleicht gilt das auch für Georgs und Susannes Ehe und auch für so manch andere zugeschüttete und abgestürzte Beziehung.

Ein bemerkenswerter Roman aus einem kleinen ambitionierten Verlag, den ich sehr empfehlen kann.

(Winfried Stanzick; 11/2007)


Martin Prinz: "Ein Paar"
Jung und Jung, 2007. 151 Seiten.
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Martin Prinz, 1973 geboren, lebt in Wien. Er studierte Theaterwissenschaft und Germanistik.

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