Alek Popov: "Mission: London"
Alek
Popovs Roman "Mission: London" erschien
fünf Jahre nach seiner Erstveröffentlichung in Sofia
und etliche Zeit nach Übersetzungen ins Französische,
Ungarische und Englische dank der Initiative des Residenz Verlags auch
in deutscher Sprache. Das Buch ist ein mit geschliffenen literarischen
Instrumenten geschriebener Klamauk-Roman über die
allmächtige Bürokratie, darüber, was
Behörden aus Menschen machen und welche Menschen
Behörden brauchen, um zu funktionieren. Der Roman kommt
urkomisch daher und hinterlässt doch einen bitter-traurigen
Nachgeschmack.
Die bulgarische Botschaft in London ist schon seit einiger Zeit ohne
Leitung. Die Auswahl eines neuen Botschafters hat sich hingezogen in
Sofia, wohl auch verursacht durch die bevorstehenden Verhandlungen
über einen baldigen Beitritt des postkommunistischen Landes
zur EU.
Während dieser Botschaftervakanz ist in der Botschaft der
Schlendrian eingekehrt, den alle noch verbliebenen Mitarbeiter
genießen. Etliche profitieren davon, dass sie einfach Zimmer
an andere Bulgaren vermietet haben, Andere wickeln ihre krummen,
halbseidenen Geschäfte ab, und es werden noch Feste
gefeiert,
obwohl die Mittel knapp geworden sind.
Als der Botschafter Varadin Dimitrov drei Tage vor dem Plan in London
eintrifft, fängt er sofort an, aufzuräumen und bringt
alles durcheinander. Aber er behält die Ruhe. Eine
mysteriöse Zahlentherapie nach Dr. Popolen soll ihm dabei
helfen. Wenn man Ärger hat, gibt man selbigem eine Note
zwischen eins und hundert und sagt sie laut. Beim nächsten
Anlass muss die Zahl niedriger sein, und so gelangt man irgendwann zu
der total entspannten Eins. Dass Umstehende den solches Praktizierenden
vielleicht verstört ansehen, darf diesen nicht aus der Fassung
bringen.
Jahrelang hat Varadin in Sofia dafür gekämpft, diesen
Posten zu bekommen und nicht in irgendein Dritte-Welt-Land abgeschoben
zu werden. Und er will dieses Privileg verteidigen, zumal er
weiß, dass die Rückkehr nach Bulgarien grausam wird.
Doch es gibt eine Frau in Sofia, Dovorina Seljanova, deren Beziehung zu
Varadin unklar bleibt, auf jeden Fall hat sie ihn in der Hand. Sie will
unbedingt nach
London kommen, um dort bei einem Benefizauftritt die
Königin zu treffen. Sie verlangt von Varadin, alles ordentlich
zu organisieren und treibt ihn damit in die Arme einer Firma namens "Famous
Connections", die sich darauf spezialisiert hat, sexuelle
Bedürfnisse jeder Art zu befriedigen sowie Verabredungen
zwischen Kunden und Doppelgängern berühmter
Persönlichkeiten zu vermitteln.
Varadin erteilt in Unkenntnis des Hauptgeschäfts von "Famous
Connections" der Firma den Auftrag, die englische
Königin und eine Auswahl der gehobenen Gesellschaft zu seinem
Wohltätigkeitsfest zugunsten bulgarischer Waisenkinder in die
Botschaft einzuladen.
Während diese Vorbereitungen laufen, hat der Koch der
Botschaft die Bekanntschaft zweier dunkler Typen gemacht, die ihn
gezwungen haben, 40 im Hyde-Park gestohlene Enten zwecks
späteren Verkaufs an China-Restaurants in der
Tiefkühlung der Botschaftsküche aufzubewahren.
Was sie nicht wussten: Etliche Tiere waren mit Sendern
präpariert, um sie bei Diebstahl bzw. Verschwinden ausfindig
machen zu können. Das bringt die Polizei ins Spiel, und, als
die Funksignale irgendwann auf die bulgarische Botschaft
schließen lassen, auch den britischen Geheimdienst, der die
ganze Angelegenheit wegen der Beitrittsverhandlungen Bulgariens zur EU
vertuschen will.
Und da ist Katja. Katja
stammt
auch aus Bulgarien und wohnt mit Doti in
einer kleinen Wohnung. Neben ihrem Studium putzt sie in der Botschaft,
wo sie Varadin sofort auffällt. Doch während dieser
noch erregt darüber nachdenkt, wie er sie möglichst
schnell in sein Bett bekommen könnte, haben die Agenten von "Famous
Connections" schon ein geschäftliches Auge auf sie
geworfen, denn mit entsprechender Aufmachung sieht Katja Prinzessin
Diana täuschend ähnlich. Sie wird zum Renner der
Organisation und ist schnell auf Monate ausgebucht.
Der Tag der großen Waisenkindergala kommt näher,
alles ist vobereitet, auch der von Frau Dovorina Seljanova in ihrer
Schauspielergruppe mitgebrachte Aktionskünstler, der mit
seiner "Feuerkunst" vom großen internationalen Durchbruch
träumt, ist er erst einmal vor der englischen Königin
aufgetreten. Die Veranstaltung endet in einem Desaster, der MI 6
verfolgt die nach Sofia abreisenden Gäste bis zum
Flughafenterminal, weil einer von ihnen beim Verspeisen der schon
erwähnten Enten einen Sender verschluckt hat.
Katja hat unterdessen eine Verabredung mit einem Juwelier, von welcher
sie nackt, aber mit Schmuck im Wert von 500 000 Pfund behängt,
flieht und bei den Tupamaros in Peru ein neues Leben beginnt.
Alles in allem ein unterhaltsamer Roman, der, wie ein bulgarischer
Rezensent zutreffend formulierte, so lustig ist, dass man am Ende
weinen möchte.
(Winfried Stanzick; 11/2006)
Alek
Popov: "Mission: London"
Aus dem Bulgarischen von Alexander Sitzmann.
Residenz Verlag, 2006. 333 Seiten.
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Alek Popov wurde 1966 geboren. Er studierte bulgarische Philologie, lebt und arbeitet in Sofia.