polarkreis e.V. (Hg.): "polar Nr.1. Was fehlt. Politisierung"
Halbjahresmagazin für politische Philosophie und Kultur
Neues
politisches Netzwerk?
Genau das hat uns gerade noch gefehlt! Ein Magazin, das versucht,
Politik, Ökonomie, Philosophie, Kultur und Alltag sozusagen
branchenübergreifend zu thematisieren in Essays, Interviews,
Reportagen und Kolumnen. "polar" will einerseits all die Politiker,
Wissenschaftler, Künstler und Intellektuelle zu einer Debatte
zusammenbringen, andererseits sollen die Inhalte polarisieren. Politik
soll wieder zur öffentlichen Auseinandersetzung werden,
Theorie und Kultur sollen wieder bewusster mit der
alltäglichen Praxis vermittelt werden. Der Kreis potenzieller
Interessenten für dieses neuartige Magazin wird provokant
umrissen: "Nachdenkliche, neugierige, kritische, gesellschaftlich und
kulturell interessierte Leserinnen und Leser, für die monopol
zu unpolitisch,
Cicero zu konservativ und das Kursbuch
zu brav ist." (Werbeslogan).
Das klingt doch schon recht forsch, oder?! Soll also links sein endlich
"cool" sein?! Geführt wird die neue kritische Debatte vom
überregionalen Netzwerk polarkreis e.V.,
dem (junge) Journalisten, Wissenschaftler, Künstler und
überhaupt politisch engagierte Mitmenschen angehören.
Angeregt werden sollen öffentliche Auseinandersetzung und
Einmischung: "produktiver Streit über Ursachen, Ziele und
Auswege" (vgl. Vorwort).
Diese Zielsetzung ist ehrenwert und löblich - inwiefern halten
nun die Beiträge dem eigenen Anspruch stand?! In einer Art
Leitartikel postulieren der Redaktionsleiter Peter Siller und einer der
Mitarbeiter, Arnd Pollmann: "Politisierung heißt, die
gesellschaftlichen Voraussetzungen für eine demokratische
Transformation nationaler sowie internationaler Institutionen zu
schaffen, die dem ökonomischen Druck standhalten, für
vielfältige Interessen und Standpunkte durchlässig
sind und kollektive Einflussnahme ermöglichen." Freilich
scheint der
"ökonomische Druck" übermächtig
und die "kollektive Einflussnahme" scheint in fröhlicher
Lethargie dahinzusiechen. Politisierung zielt nach Siller/Pollmann auf
die "Stärkung von Gerechtigkeit und Selbstbestimmung" -
Aufgabe der Politik ist es demnach, "für gleiche reale
Verwirklichungschancen zu streiten."
Rainer Forst erläutert in seinem Beitrag seine Vorstellung:
"Politisierung heißt somit nichts anderes, als den
konventionellen Raum politischer Gründe (und entsprechender
Institutionen) aufzubrechen und Dinge auf neue Weise zu thematisieren -
und zwar nicht allein in Vertretung von, sondern unter Beteiligung der
Betroffenen." Martin Saar beschreibt "Wie Demokratie in der Kunst
sichtbar wird" und sieht die Tendenz, dass "sich künstlerische
Praxis wieder eng an soziale Bewegungen und lokale Kritikfelder
anschließt." Eine politisierende Kunst hat für Ruth
Sonderegger die Funktion, etwas für uns alle in Frage zu
stellen bzw. sichtbar zu machen.
In weiteren kurzen Beiträgen wird die Politisierung in
Literatur, Theater und Musik andiskutiert - es geht aber nicht
genügend ans Eingemachte. Der Impetus des Magazins ist positiv
und notwendig - die Beiträge müssen aber konsequenter
und deutlicher werden - das ist alles noch zu brav! Wenn schon links -
dann radikal! Sonst verblubbert das als linksliberale Attitüde
nach Büroschluss. Geben wir "polar" noch eine Chance und
freuen und erst einmal noch auf die zweite Nummer (Frühjahr
2007) zum Thema Ökonomie.
(KS; 09/2006)
polarkreis
e.V. (Hg.): "polar Nr. 1. Was fehlt. Politisierung"
Campus Verlag, 2006. 192 Seiten.
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