Erika Pluhar: "Als gehörte eines zum andern"


"Ich hatte gelernt, Munterkeit und lautes Lachen um mich zu drapieren, mein Fremdsein unkenntlich werden zu lassen. Man konnte eine Frau besonders kehlig auflachen hören, sich mit besonderem Heißhunger auf ihr Essen stürzen sehen, besonders angeregt eine Meinung vertreten, und das war ich"

Eine Geschichte, die von einer Schauspielerin erzählt, die sich selbst inszeniert, die nicht sie selbst ist, weil sie nicht ihr Leben lebt. Sie lebt das Leben der Figuren auf der Bühne, fühlt sich dort sicher, angstfrei - doch sobald sie die Bühne verlässt ist sie gezwungen ihr Fremdsein und ihre Ängstlichkeit hinter einer Maske zu verstecken. Sie verbringt ihre Nächte mit den Schauspielern in einem Gasthaus ohne diese Abende zu genießen. Sie vegetiert dahin wie eine Bewusstlose, sucht Zuflucht auf der Bühne. Sie kann aber nur vor einer anonymen Masse spielen, möchte nicht für jemanden spielen, da dies sofort mit Leistungsdruck und Einengung verbunden wäre.

In dieses gut inszenierte Leben tritt ein Südländer, vorerst wird er von der Schauspielerin gar nicht wahrgenommen, doch er entdeckt sie hinter ihrer künstlich aufgebauten Fassade, erkennt ihre Ängste hinter ihrem fröhlichen Getue und seine Berührung dringt zu ihr durch. Plötzlich glückt es ihr auf ihren Körper zu achten, seine Sprache zu erkennen, es gelingt ihr Gefühle zuzulassen, nicht sich bedingungslos zu öffnen - das könnte sie sich nie erlauben? Sie ist fasziniert von ihm, dem Mann, der jeden Augenblick zu genießen versteht und im Hier und Jetzt lebt.

Als er ihr nach ihrer ersten Liebesnacht mitteilt, dass er länger weg sein werde, verschlägt es der Schauspielerin die Sprache, die widersprüchlichsten Gefühle regen sich in ihr, aber es sind ihre Gefühle. Sie beginnt sich intensiv mit sich selbst und ihrem Beruf als Schauspielerin zu beschäftigen. Als der Mann nach ihr ruft, folgt sie nach kurzem Zögern, verursacht durch Zurufe ihres Gewissens, seinem Ruf. Dieses Treffen ist von Liebe, Eifersucht, Bitterkeit, Trauer und Hoffnungen ihrerseits geprägt. Obwohl ihr Wunsch nach ewigem Beisammensein ein Wunsch bleiben wird, hat diese Begegnung sie ihres Kokons entledigt, ihr die Möglichkeit offenbart, zu genießen ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, und sie veranlasst ihr Leben zu leben, sodass sie ruhigen Gewissens sagen kann: "Mein Leben läuft mir mittlerweile nicht mehr davon."

Eine faszinierende, aufrüttelnde Geschichte - schlichtweg ein Aufruf sein eigenes Leben zu leben, zu genießen und endlich damit aufzuhören, alles Erleben außerhalb des Erfolgsprinzips als Nebensächlichkeit zu betrachten.
Ein Bericht, wie aus einem tristen, monotonen Leben ein Fest voller Gefühle, Farben, Unvorsehbarkeiten - eben ein lebenswertes Leben werden kann.

Die Autorin Erika Pluhar war seit ihrer Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar vierzig Jahre lang Schauspielerin am Burgtheater in Wien. Sie textet und interpretiert Lieder und Chansons, hat einen Film gedreht und bereits mehrere Bücher veröffentlicht.

(Margarete; 08/2002)


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