Akif Pirinçci: "Das Duell"
Francis ist zurück: Akif Pirinçcis lang erwarteter neuer Felidae-Roman
Nach neun Jahren Pause dürfen sich
Millionen von Felidae-Fans aus aller Welt am neuen Roman mit Francis,
dem detektivischen Kater, erfreuen. Vor kurzem erschien der Roman
"Blondi"
von Michael Degen, in dem Hitlers Lieblingshündin
allerlei zu erzählen hat. Der Vergleich mit dem vorliegenden
Krimi liegt logischerweise auf der Hand. Es soll hierbei nicht um die
Frage gehen, ob sich Degen etwas Ungeheuerliches vorgenommen hat und
Pirinçci nur an der Oberfläche der Welt nagen mag.
In aller Deutlichkeit möchte ich hingegen darauf hinweisen,
dass dem Autor ein gut gelungener Katzenkrimi aus den Pfoten gequollen
ist, während Degen sich mit seiner Darstellung eindeutig
übernommen hat. Dabei ist es keineswegs so, dass "Das Duell"
nur auf eine kriminalistische Komponente zu reduzieren ist. Im
Gegenteil: Es handelt sich um keine Kriminalstory im klassischen Sinn,
sondern um eine Ineinanderverschachtelung von erstaunlichen Merkmalen,
die von philosophischen Anmerkungen über essayistische
Strukturen, thrillermäßige Einschübe,
Science-Fiction, Anklänge an den Abenteuerroman, dramatische
Elemente, bis hin zu Horror und tiefschwarzem Humor reichen.
Die Geschichte beginnt ganz harmlos damit, dass Francis, der
erzählende Kater, auf einen scheinbar strangulierten
Artgenossen stößt. Damit wird eine Kettenreaktion
ausgelöst, die bis zum Ende des Buches hin eine teils
atemberaubende Spannung erzeugt. Der in seinen jungen Jahren so
übermäßig schlaue und bei der
Kätzchenwelt so begehrte Kater überlegt ernsthaft,
sich zur Ruhe zu setzen und den lieben Gott einen guten Mann sein zu
lassen. Doch als er des zu Tode gekommenen Artgenossens ansichtig wird,
ändert sich seine Strategie schlagartig. Er schließt
Bekanntschaft mit Adrian, einem jungen Kater, der sofort darauf
Anspruch erhebt, über mehr Grips und Körperkraft als
Francis zu verfügen. Zunächst ist der Held perplex,
weil Adrian von einigen Kätzchen umschmeichelt wird; doch bald
schon wird diese Angelegenheit als Nebensache erscheinen, wo sich
katzenhafte Abgründe auftun. Der so selbstbewusste Nebenbuhler
führt Francis, sich unbeobachtet fühlend, in die
seltsame Welt eines Glaspalastes, wo zwei merkwürdige Menschen
eine Schar von Katzen als putzige Haustierchen halten mögen.
Doch dieser Anschein trügt, wie sich allzu bald herausstellt.
In Wirklichkeit sind die schwerkranke Agathe und ihr
Lebensgefährte Dr. Gromyko wahnsinnige Wissenschafter, die
dubiose Experimente mit Katzen durchführen, um die
Futtermittelindustrie zu revolutionieren. Francis versucht den Dingen
auf die Spur zu kommen, und begibt sich dabei häufig in
Teufels Küche.
Es passieren ständig Dinge, mit denen der Leser nie und nimmer
gerechnet hat. Nie entsteht der Eindruck einer sicheren Konstante, an
der die unheimlichen, sich häufenden Todesfälle von
Katzen festgemacht werden können. Vielmehr steckt hinter der
Fassade der Futtermittelindustrie etwas Unfassbares, das sich erst auf
den letzten Seiten des Romans offenbaren wird. Die Geschichte breitet
sich wie ein Teppich aus, der unzählige von Mustern aufweist.
Doch unter jedem Teppich kommt ein weiterer Teppich zum Vorschein, und
es ist kein Wunder, dass Francis schließlich ausrutscht und
in eine Welt eindringt, die der
Bestie Mensch
alle Ehre macht. Die einzige Schwäche des Romans sind die oft
sprachlich fragwürdigen Dialoge, welche wie isoliert aus den
Seiten zu kriechen scheinen. Dadurch vermindert sich die Spannung
erheblich. Eine der wenigen Ausnahmen ist ein Zwiegespräch
zwischen Adrian und Francis, das sich eindeutig jener Episode aus
"Die Brüder
Karamasoff" von Dostojewski annähert, wo die
Fragwürdigkeit der Eintrittskarte in den Himmel angesprochen
wird. Es ist verwunderlich, inmitten einer hochspannenden Geschichte
dieser philosophischen Reflexion zu folgen. Wenn der Roman insgesamt
betrachtet wird, weicht diese Überraschung jedoch einer
Erkenntnis, die als logische Konsequenz der Geschichte zu erachten ist:
Der Tod als einzige Gewissheit; der alle Unterschiede auflöst.
Die inneren Monologe von Francis kreisen immer wieder um die
Unumgänglichkeit des Todes. Ein kleines Detail soll hierbei
nicht verschwiegen werden: Katzen sind bis wenige Monate vor dem
Lebensende fit und geschmeidig. Das unterscheidet diese Vierbeiner auf
drastische Weise von den Menschen. Die Lebensfreude bleibt den in
hiesigen Breitengraden beliebten Zimmertigern fast lebenslang erhalten.
Da könnten wir Menschen uns doch ein Scheibchen davon
abschneiden, oder?
Einige moralische Keulen dürfen nicht fehlen. Der Autor
lässt Tierquälerei nicht unerwähnt und weist
auf die zahlreichen Arten hin, Tieren Gewalt anzutun. Der introspektiv
geschilderte Kater Francis unterscheidet sich von der Hündin
"Blondi" insbesondere in einem Detail: Er wird nicht vermenschlicht.
Mehr noch: Die Vermenschlichung von Tieren wird als unmögliche
Wunschvorstellung demaskiert und auf die Insel von Dr. Moreau
verfrachtet.
Pirinçci hat sich mit seinen Katzenkrimis in die Herzen von
Millionen Fans geschrieben. Er wurde 1959 in Istanbul geboren, wuchs in
der Eiffel auf und lebt nunmehr in Bonn. Aufgrund des fortgeschrittenen
Alters seines Helden Francis ist anzunehmen, dass es sich bei "Das
Duell" entweder um den letzten, oder aber vorletzten Katzenkrimi
handeln mag. Freilich könnte sich Pirinçci einer
Finte bedienen, und den eine Nebenrolle spielenden Sohn des Helden in
Zukunft als kriminalistische Spürnase agieren lassen. Damit
täte er es einem äußerst bekannten Autor
aus Schweden gleich, der ebenfalls im Krimigenre seine
größten Erfolge zu verzeichnen hat.
(Jürgen Heimlich; 12/2002)
Akif
Pirinçci: "Das Duell"
Gebundene
Ausgabe:
Eichborn, 2002. 272 Seiten.
ISBN 3-8218-0865-9.
ca. EUR 19,90.
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