Christopher P. Jargodzki, Franklin Potter: "Wie man Gurken zum Glühen bringt"

Physikalische Rätsel und Paradoxien


105 originelle, verblüffende Fragestellungen und Antworten

Nach "Singender Schnee und verschwindende Elefanten" und "Warum Katzen immer auf die Pfoten fallen" gibt es nun einen dritten Band mit teils originellen, teils verblüffenden Rätseln aus der Physik. Die Autoren haben diesmal folgende Bereiche gewählt: "Physik in der Küche", Zeit, geometrische/räumliche Dimensionen, "Phantasiewelten auf dem Prüfstand" sowie "Zeitreisen und die Paradoxa der Raum-Zeit".

Die Küche hat natürlich auch etwas von einem Chemielabor, vor allem aber spielen sich dort physikalische Prozesse ab. Manche davon lassen sich recht leicht erklären, zum Beispiel, wie viel Zucker sich in einer Tasse Wasser löst (sehr viel, das sei verraten) - und warum dem so ist. Haben Sie sich übrigens schon einmal darüber Gedanken gemacht, warum, je nach Lebensmittel, Salz und Zucker so hervorragende Konservierungsmittel sind? Wenn Sie wissen, worum es sich bei der Osmose handelt, kommen Sie sicher von selbst darauf. Aufs wissenschaftliche Glatteis könnte die Frage führen, ob es möglich ist, Wasser, das sich innerhalb eines Hohlraums in einem Eisblock befindet, in einem Mikrowellenherd so zu erhitzen, dass es siedet, während das Eis fest bleibt.

Die Zeit kann ebenfalls mit ziemlich kniffligen Aufgabenstellungen aufwarten. Warum braucht die Erde von der Herbst-Tagundnachtgleiche bis zur Frühlings-Tagundnachtgleiche einige Tage weniger als von der Frühlings-Tagundnachtgleiche bis zur Herbst-Tagundnachtgleiche? Wie funktioniert das Schaltjahr-System ganz genau (und warum war 2000 ein Schaltjahr, 1900 jedoch nicht?)? Warum haben die genauesten Laser- und Atomuhren eine Lebensdauer von unter 30 Jahren?

Aber auch die Geometrie bietet uns Anregungen für die grauen Zellen. Ein Punkt hat null Dimensionen, eine Linie eine, eine Ebene zwei, der Raum drei. Interessanterweise lässt sich nachweisen, dass gewisse geometrische Figuren eine nicht ganzzahlige Anzahl von Dimensionen aufweisen. Die Symmetrieeigenschaften der platonischen Körper halten ebenfalls Überraschungen parat. Übrigens: Können platonische Körper außer dem Würfel einen 3-D-Raum lückenlos ausfüllen?

Besonders originell und voller Herausforderungen ist zweifellos das Kapitel, in dem untersucht wird, inwiefern Science-Fiction, Zeichentrickfilme (jedoch auch Western- und Action-Filme) und Comics der physikalischen Wirklichkeit entsprechen. Kann zum Beispiel die Wucht einer Gewehrkugel den Getroffenen ein, zwei Meter nach hinten schleudern, wie man es im Film oft sieht? Warum sind Zeichentrickfiguren, die durch eine Wand krachen und ein Loch mit ihren exakten Umrissen hinterlassen, der Alptraum von Festkörperphysikern? Und auch an den beeindruckenden Explosionen von Raumschiffen ist so manches in physikalischer Hinsicht Schall und Rauch.

Das Universum, beziehungsweise das Raum-Zeit-Gefüge, steckt auch ohne Science-Fiction voller Paradoxien und Rätsel. So gibt es Quasare, die sich mit Überlichtgeschwindigkeit von uns fortbewegen, scheinbar ohne sich an die spezielle Relativitätstheorie zu halten. Und sogar die Frage, ob die Masse eines Systems mit n sich frei bewegenden Teilchen gleich der Summe der einzelnen Teilchenmassen ist, hat ihre Tücken.

Wie seine Vorgänger richtet sich das Buch an Leser mit naturwissenschaftlichem Basiswissen; ein "Profi" braucht man allerdings nicht zu sein. Im Vorwort erwähnen die Autoren, dass die Beschäftigung mit solchen oft nur scheinbar banalen Fragen im Vordergrund steht, der Spaß am Knobeln und Überlegen, das Durchspielen potenzieller Lösungen, und nicht der Prozentsatz tatsächlich gelöster Aufgaben. Franklin Potter hat Recht: Manchmal tut man sich sogar mit dem Verstehen der Antworten schwer, obwohl diese durchweg gründlich erklärt werden. Es kommt hierbei natürlich auch auf die persönlichen Neigungen des Lesers an. Die meisten Antworten kann die Zielgruppe jedoch gut nachvollziehen, zumal viele Skizzen zur Veranschaulichung beitragen.

Dieses Buch trägt dazu bei, die Bedeutung der Physik für unseren Alltag zu erkennen und scheinbar banale Phänomene zu hinterfragen. Zudem zeigen die Lösungen zu Jargodzkis und Potters Fragen, dass die spontane, einfache Erklärung nicht immer die richtige ist - und dass, nicht erst seit der Entdeckung der Quantenmechanik, zuweilen Ja und Nein korrekt sein können.

Knapp und sachlich sind Fragen wie Antworten formuliert, ohne unnötiges Abschweifen. Wer sich gründlicher zu den jeweiligen Themen informieren möchte, muss ein Fachbuch bemühen (und hat einen guten Grund, dieses vom Staub zu befreien). Insgesamt gibt es 105 Fragen und Antworten, lauter physikalische Appetithäppchen. Ob Sie Ihr künftiges Leben nach der Lektüre danach ausrichten, dass gewissen relativistischen Effekten zufolge Ihr Kopf schneller altert als die Füße, ist fraglich. Aber es macht einfach Spaß, sich damit zu befassen.

(Regina Károlyi)


Christopher P. Jargodzki, Franklin Potter: "Wie man Gurken zum Glühen bringt"
Übersetzt von Michael Schmidt.
Reclam, 2009. 190 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen