Robert Zimmer: "Das Philosophenportal"
Ein
Schlüssel zu klassischen Werken
Aber vor lauter Klammern und Fußnoten verstand er kein Wort,
und wenn er gewissenhaft mit den Augen den Sätzen folgte, war
ihm, als drehe eine alte, knöcherne Hand ihm das Gehirn in
Schraubenwindungen aus dem Kopfe. Als er nach etwa einer halben Stunde
erschöpft aufhörte, war er nur bis zur zweiten Seite
gelangt, und Schweiß stand auf seiner Stirne.
(Törleß liest Kant; Textszene von
Robert
Musil)
Wer
mit Musils Frühwerk ein wenig vertraut ist, der wird sich an
eine Szene aus Musils "Die
Verwirrungen des Zöglings Törleß"
erinnern, in welcher sich der Schüler
Törleß schwitzend und zitternd an einem
Lesestück Immanuel Kants versucht, jenem - in diesem Kontext
gesehen - alles überragenden Idol vermeintlicher und
wirklicher Bildungsphilister. Der Jüngling erlebt Kant nun als
reinste Tortur, die ihm nach nur wenigen Zeilen eine geradezu
körperlich spürbare Resignation abnötigt.
Dafür Liebe zu empfinden, sich dem anzunähern und
darin heimisch zu werden, das scheint gar eine Frage vorheriger
Selbstentfremdung zu sein. Der belesene Spießer - so der
Verdacht - liebt die Philosophie, weil er das Leben schon hinter sich
hat. Philosophie sozusagen als Nekrophilie, als Liebe zum Leblosen
verstanden - so könnte man jetzt fast meinen. Jener besagte
Törleß findet sich jedenfalls in Anschluss zu seiner
peinigenden Kantlektüre vorerst damit ab, in Hinkunft auf die
Hilfe philosophischer Bücher verzichten zu müssen.
Nun geht es aber in Robert Zimmers "Das Philosophenportal" ausgerechnet
um eine Hinführung zu dieser Art von Liebhaberei
gegenüber einer Buchwelt, die Törleß meiden
zu müssen meinte. Wie ist es, ein Ding zu lieben, das vorweg
betrachtet so gar nicht liebenswert, weil nicht so richtig
genießbar ist? Die meisten von uns verbinden eine liebende
Haltung (im günstig gelagerten Fall) mit einer unmittelbar
empfangenen Wohltat am eigenen Lustbedürfnis. Eine in diesem
Sinne unbefriedigte Liebe wird als grausam empfunden. Liebe bzw.
Liebhaberei, das ist dann die romantische Umschreibung einer
schnöden Lust-, Geltungs- und Herrschaftsorientierung, oder,
als sexuelle Liebe aufgefasst, die List, vermittels derer sich die
Natur beim Menschen in ihrem Grund- und Eigeninteresse nach
Fortpflanzung durchsetzt. Und das, wie allgemein bekannt, zum
überindividuellen Zweck der Arterhaltung.
Die hedonistische Auffassung von Liebe will also immer nur Lust, ist
maßlos gelebtes Lustprinzip und - so meint man - die
Befassung mit Philosophie ist schlechthin das Gegenteil davon, also
maßlos gelegte Unlust. Zumindest für den
Anfänger scheint es sich so darzustellen. Warum dann also
Philosophie? Um der bloßen Kultur und Kultiviertheit wegen?
"Kultur ist Triebverzicht", so konstatierte es ja immerhin schon
Sigmund Freud. Welch unzeitgemäßes Postulat in
Zeiten einer entfesselten Spaßgesellschaft, in welcher man
sodann konsequenterweise zusehends die Bereitschaft praktiziert, auf
höhere Kultur zu verzichten.
Es sei hiermit eingestanden: Die Beschäftigung mit Philosophie
erfordert (zuweilen) höchste Konzentration und
Durchhaltevermögen und ist solcherart nach dem
Dafürhalten von so manchem Abseitsstehenden ein geradezu
lebenswidriges Gehaben. Doch wer sich nun dem spröde
scheinenden Stoff trotzdem zuneigt und hierfür die richtige
Herangehensweise findet, der wird alsbald dem besonderen Charme der
Philosophie erliegen und diese auf eine Weise lieben lernen, wie es
Platon in seinem "Symposion"
so eindrücklich als Eros - das philosophischen Streben nach
der Schönheit der Erkenntnis - umschrieben hat. Der Mensch ist
eben nicht nur Sinnenwesen; der Mensch hat Transzendenz, und wer nicht
gänzlich an die barbarisierende Spaßgesellschaft
verloren gegangen ist, wird diesen Eros beim Durchschreiten des
Philosophenportals dann wohl auch gar bald selbst verspüren.
Die Liebe zur Philosophie erschließt sich für den
Einsteiger am besten aus der Kenntnis klassischer Werke, deren
Lektüre sich jedoch gelegentlich - und das nicht nur
für den Laien - als schwieriges Unterfangen darstellt.
Philosophen neigen nämlich (und das nicht nur nach der Meinung
von Zimmer) seit jeher zu einer Art Sprachoriginalität - so
zum Beispiel ein Kant zu barocker Begriffsarchitektur oder ein Martin
Heidegger zu ungewöhnlichen Wortschöpfungen - ohne
unmittelbare Entsprechung in der alltäglichen Umgangssprache.
Was zwar nicht für alle Philosophen bezeichnend ist, und
einige (Popper, Russell) haben sich sogar ganz dezidiert von den
Sprachungeheuern ihrer Standesgenossen distanziert, aber doch als
Einstiegsproblem in die Welt der Philosophie ein allgemeines und nicht
zu unterschätzendes Hemmnis darstellt.
Wer ein prachtvolles Gebäude betritt, der nimmt das Haustor -
er durchschreitet zwecks Eintretens das Portal. Ganz ähnlich
verhält es sich beim Eintritt in das kunstvoll gestaltete
Gedankengebäude der Philosophie. Man nimmt das Portal - tritt
ein durch das Philosophenportal. Es ist ein erstes Bekanntschaft
Schließen mit einer exklusiven Welt und soll, so Robert
Zimmer, auch gar nicht mehr sein als ein flüchtiges
Vorbeischauen.
Zimmer stellt gleich eingangs klar: "Nicht tief schürfende
Analysen, sondern ein erstes Kennen lernen in lockerer
Atmosphäre ist das Ziel." Und genau diesem Zweck dienen die
vorliegenden sechzehn Essays, mittels welcher dem Leser, bei aller
gebotenen Beiläufigkeit, ein immer noch erstaunlich profunder
Einblick in Leben und Werk der großen Philosophen vermittelt
wird. Zimmers Annäherungsweise an die Klassiker der
Philosophie ist von tiefem Respekt vor den abgehandelten Denkleistungen
getragen, doch scheut er nicht die kritische Polemik dort, wo er es
für angemessen hält. In allerdings dann allemal
ausgewogener Manier.
Eine auch nur irgendwie gemeinte oder auch nur latente Grundtendenz,
sozusagen ein durchgängiger roter Faden, lässt sich
aus den sechzehn "philosophischen Versuchen" - den Essays - Robert
Zimmers nicht herauslesen. Zimmer geht es nicht darum, beispielsweise
eine Geschichte politischer Ideen am Beispiel klassischer Werke
darzustellen, wie man angesichts der ausgewählten und teils
politologisch relevanten Buchtitel ("Der Staat", "Der Fürst",
"Zwei Abhandlungen über die Regierung") voreilig meinen
könnte. Vielmehr geht es dem Autor darum, dem Leser einen
repräsentativen Ausschnitt aus dem Reichtum philosophischen
Denkens zu präsentieren. Aber eine Absicht ist
natürlich schon zu bemerkbar - nämlich der Wunsch,
möglichst viele lesende Menschen mit der Leidenschaft des
Buchautors zur Philosophie zu infizieren.
Die Reihenfolge der Menschen- und Werksbetrachtungen beginnt, wie
könnte es auch anders sein, mit Platon,
dem "größten Philosophen aller Zeiten" wie der
schärfste Kritiker des antiken Griechen, Karl Popper, einst
meinte. "Platon ist für ihn" - für Popper - "ein
faszinierender Denker, ein Künstlerphilosoph und
Visionär, der seine Leser in den Bann ziehen kann.
Gleichzeitig ist er aber auch ein totalitärer
Verführer", so schreibt Robert Zimmer und würdigt
Platons "Politeia", mit ähnlicher Diktion wie Popper, als
einen zur damaligen Zeit schon unzeitgemäßen
Versuch, der Athener Demokratie eine jede Legitimation zu nehmen - ein
Versuch, der letztlich viel mehr leistete als Platon vorab wohl
bezweckte, insofern von diesem Werk ein "Zauber" (so Popper) ausgeht,
dessen visionäre Kraft die europäische
Geistesgeschichte maßgeblich inspirierte.
Platons "Politeia" erfährt dann auch in Zimmers
"Philosophenportal" eine ihrer Bedeutung gemäße
doppelte Würdigung - nimmt hierbei eine Sonderstellung als
auslösender Moment abendländischer Philosophie ein.
Das Buch des Griechen wird zuerst einmal gesondert besprochen, um
sodann über die von Zimmer abgehandelte Kritik der "Politeia"
durch Karl Popper, dessen streitbare und teils unduldsame Auffassung
von Philosophie durchaus mit der des alten Griechen vergleichbar ist,
auf ein Neuerliches reflektiert zu werden. Jener besagte Popper, dessen
herausragende Bedeutung als philosophische Stimme westlicher Lebensart
Robert Zimmer mit einem eigenen Kapitel zu Person und Hauptwerk des
Karl R. Popper unterstreicht, erlangte bekanntlich nicht zuletzt
über seine Platonkritik einen Ruf als vornehmster Streiter
für die Werte der liberalen Demokratie westlichen Zuschnitts.
Robert Zimmer legt seine Essays regelmäßig als kurze
Biografien zum Leben der einzeln vorgenommenen Klassiker der
Philosophie an, um dann in weiterer Folge deren jeweiliges Hauptwerk
bzw. deren jeweils populärste Veröffentlichung in den
Grundzügen wiederzugeben und einer abschließenden
Kritik zu unterziehen. Solcherart erfährt der Leser, dass zum
Beispiel ein Aurelius Augustinus aus Gründen seiner
persönliche Lebenserfahrung der Prädestinations- oder
Gnadenlehre angehangen war, welche besagt, dass es also im Willen
Gottes vorherbestimmt ist, wer in den Himmel aufgenommen und wer zur
Hölle verdammt wird. Dementsprechend war es dem christlichen
Philosophen Augustinus ein zweckdienliches Anliegen sich in seinen von
ihm so titulierten "Bekenntnissen" selbst ob seiner früheren
bösartigen und insbesondere sexuell lüsternen
Neigungen zu bezichtigen, denen er aus eigener Willenskraft nicht
entsagen konnte und die ihn eigentlich unwürdig machten, von
Gott aufgenommen zu werden. Und dennoch ist es geschehen.
Allein schon dieser dominanten theologischen Absichtsetzung wegen, die
- quasi anthropologisch - das Wesen des Menschen nach Maßgabe
der Prädestinations- oder Gnadenlehre bestimmt und diese
Bestimmung am, scheinbar jeden Zweifel verwerfenden, eigenen Beispiel
als (im Sinne der Erbsünde) überaus sündig
und gnadenbedürftig illustriert, dürfe man laut
Zimmer die "Bekenntnisse" nicht als Autobiografie des großen
Kirchenfürsten verkennen, obgleich sich das Buch
natürlich vordergründig so lese. Zimmer
würdigt Augustinus als großen Unruhestifter der
europäischen Geistesgeschichte, bemerkt jedoch auch, dass mit
Augustinus die Abwertung der körperlichen Liebe in der
christlichen Theologie beginnt.
Eine ideologische Abwertung des Körperlichen schlechthin,
entgegen welche, eineinhalbtausend Jahre später, ein Friedrich
Nietzsche, in der Kampfpose eines den christlichen
Leibverächtern unerbittlich Widersprechenden, mit seinem
selbst jedoch im
biblischen Ton gehaltenen Buch "Also sprach Zarathustra" über
die quasi messianische Ideal- und Heilsfigur des ganz an der "Erde"
orientierten Übermenschen eine "Begeisterung des Leibs"
propagieren wird. Auch zu Nietzsche verhält sich Robert Zimmer
reserviert und merkt zu dessen Terminologie kritisch an: Begriffe wie
der "Übermensch" oder der "Wille zur Macht" haben sich
für rechtsradikale Ideologien geradezu angeboten. Und: Mit
Sätzen wie "Der Mann soll zum Krieger erzogen werden und das
Weib zur Erholung des Kriegers" gab Nietzsche weniger Anlass zu
philosophischen Diskussionen als zur Bestätigung von
Ressentiments. Nichtsdestotrotz sei Nietzsche jedenfalls anzurechnen,
dass er den schöpferischen Menschen, der sich auf das
Abenteuer Welt einlässt, konsequent in den Mittelpunkt seiner
Philosophie gerückt hat, und seine These, dass der Mensch sich
der Sinnfrage ohne Transzendenz und ohne Gott stellen muss, wurde zu
einem der wichtigsten Anliegen der modernen Existenzphilosophie und von
Karl Jaspers, Martin Heidegger,
Jean-Paul
Sartre und Albert
Camus aufgegriffen.
Von den letztgenannten Philosophen ist Martin Heidegger, der
große Gegner moderner Lebensformen als Ort des
"uneigentlichen" Lebens, Robert Zimmer einen eigenen Essay wert, wobei
Heidegger nach Meinung von Zimmer mit seiner Diagnose des entfremdeten
Daseins und mit seinem Appell an den Menschen, sich mit dem
"Verfallensein" nicht abzufinden, sondern den "Ruf des Gewissens"
folgend aus den konventionellen Lebensweisen zu erwachen, durchaus als
Philosoph alternativer Lebensformen zu erachten ist. Sei Heideggers
Hauptwerk "Sein und Zeit" doch ein philosophischer Aufruf zur
Selbstverwirklichung, eine Aufforderung zum Aussteigen aus dem, was uns
am eigenen, selbst gewählten Leben hindert. Einzig die
Tatsache, dass sich Heidegger (der auch nie die Demokratie
befürwortete) 1933 den Nazis anschloss und die Widmung
für seinen einst verehrten Lehrer Edmund Husserl, der
jüdischer Abstammung war, aus dem Buch "Sein und Zeit" tilgte,
beschädigte nicht nur seinen Ruf, sondern wirft
überdies die Frage nach dem moralischen bzw. amoralischen
Charakter einer Existenzphilosophie auf, deren Schöpfer sich
selbst als nicht hinreichend gefestigt gegenüber der
Versuchung durch die Barbarei erwies.
Als zweiten klassischen Existenzphilosophen führt Robert
Zimmer den Dänen Sören Kierkegaard vermittels dessen
berühmtestem Buch "Entweder - Oder" aus. In diesem im Stile
postmoderner Erzählkunst verfassten Werk entwickelt
Kierkegaard die Lebensformen ästhetischer und ethischer Natur,
welchen er in seinen späteren Schriften die religiöse
als höchste und schwierigste Lebensform hinzufügen
wird. Wobei sich die religiöse Lebensform, welche die Opferung
aller sozialen Bindungen zugunsten einer unmittelbaren Beziehung zu
Gott verlangt, bereits in Kierkegaards Herausgeberpseudonym "Victor
Eremita - Victor der Einsiedler" manifestiert.
Wie bedeutsam die Auseinandersetzung mit Philosophie für das
Leben sein kann, verdeutlicht Robert Zimmer schlussendlich
über seinen Aufsatz zu Ludwig Wittgensteins "Tractatus
logico-philosophicus", welcher in der Deutung von Zimmer als Logik im
Dienst der Mystik zu erachten ist und mit seiner
berühmtberüchtigten These "Wovon man nicht sprechen
kann, darüber soll man schweigen" in aufreizender Manier an
jenen großen Bereich ethischer und metaphysischer Sinnfragen
rührt, die auf die eigentlichen Lebensprobleme verweisen.
Gott, Tod und Erlösung,
Religion
und Kunst sind zwar allesamt unsäglich - sie lassen sich nicht
logisch korrekt besprechen -, doch gehören sie dem Bereich des
von Wittgenstein so benannten "Zeigbaren" an, der - im Unterschied zu
dem Bereich des "Sagbaren" - für Wittgenstein die eigentlichen
Lebensprobleme enthält.
Für Zimmer ist der "Tractatus" ein janusköpfiger
Text, hinter dessen logischen Sprachanalysen und Wahrheitstafeln das
Antlitz moderner Mystik hervorlugt. Und nicht zuletzt kann sich auch
Zimmer der großen Faszination der Person Ludwig Wittgensteins
nicht entziehen, welcher nicht nur über die Lebensprobleme
nachdachte, sondern aus seinem Denken unmittelbare praktische
Konsequenzen zog: "Er (Wittgenstein) war den Forderungen
Tolstois
gefolgt und hatte sich dem einfachen Leben und dem Dienst am
Nächsten zugewandt. Zeitweise arbeitete er als
Gärtnergehilfe in einem Kloster. Von seinem Anteil des
väterlichen Vermögens trennte er sich, indem er es an
seine Geschwister oder an wenig begüterte Künstler
verschenkte." Einer der Empfänger Wittgensteinscher Wohltaten
war bekanntlich der Salzburger Lyriker
Georg
Trakl.
In zusammenfassender Gesamtschau listet sich die Versammlung
philosophischer Klassiker in Zimmers Buch nun wie folgt auf:
- Platon:
Der Staat (zwischen 399 und 347 v. Chr.)
- Augustinus:
Bekenntnisse (ca. 400)
- Machiavelli: Der Fürst (1532)
- Montaigne:
Essais (1580-1588)
- Descartes: Abhandlung über die Methode (1637)
- Blaise Pascal:
Gedanken
(1669/70)
- John Locke: Zwei Abhandlungen über die Regierung (1690)
- Kant:
Kritik der reinen Vernunft (1781)
- Schopenhauer:
Die Welt als Wille und Vorstellung (1819)
- Kierkegaard:
Entweder - Oder (1843)
- Karl Marx: Das Kapital (1867-1894)
- Nietzsche:
Also sprach Zarathustra (1883 - 1885)
- Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus (1921)
- Heidegger: Sein und Zeit (1927)
- Popper:
Die offene Gesellschaft und ihre Feinde (1945)
- Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit (1971)
Robert Zimmer ist - und das mag jetzt nicht abwertend verstanden sein -
ein Vielschreiber von populärphilosophischer Literatur.
Gemeinsam mit dem Koautor Martin Morgenstern, welcher auch diesmal als
Korrekturleser beteiligt war, hat Zimmer schon mit "Karl
Popper - Ein Portrait", (2002) und "Denkwege
der Philosophiegeschichte" (2003) zu überzeugen
verstanden. Sein Stilmittel ist allemal die essayistisch gehaltene
Darstellungsweise, die im anregenden Plauderton dem Laien selbst
verzwickte philosophische Positionen verständlich macht und
überdies doch noch soviel Tiefgang hat, dass selbst gestandene
Liebhaber der Philosophie dabei auf ihre Rechnung kommen.
Musils Handlungsfigur, der Zögling Törleß,
musste dermaleinst die bittere Erkenntnis ausfassen, dass die
Philosophie - das Steckenpferd der Bildungsphilister - für ihn
nichts sei. Mitunter einem Robert Zimmer ist es zu verdanken, dass sich
die Zeiten auch in dieser Hinsicht gewandelt haben, denn, wie nicht
zuletzt seine Bücher eindrucksvoll bestätigen, kann
die Befassung mit Philosophie neuerdings eine durchaus
vergnügliche Sache sein. Und wen nach der Lektüre von
Zimmers "Philosophenportal" nach mehr gelüstet, etwa nach
einer Vertiefung in die nun oberflächlich schon bekannte
Primärliteratur, dem seien jetzt schon - vom Rezensenten - zu
allererst Karl Popper und
Bertrand
Russell empfohlen, welche sich beide einer wirklich allgemein
verständlichen Sprache befleißigten. Und wer es dann
immer noch nicht bleiben lassen kann, der mag sich irgendwann halt doch
über einen echten Immanuel Kant hermachen, was dann
möglicherweise eine gar nicht so lustlose Erfahrung sein wird,
denn in - obwohl vielleicht etwas eigenwilliger - Würdigung
von Kants knochentrockener Philosophie vollbrachte zumal ein Jean
Baptiste-Botul das Auslegungswunder, von ihr auf "Das
sexuelle Leben des Immanuel Kant" zu schließen.
Demnach sich der Leser auf ein wahrlich erotisches
Lesevergnügen mit Kant freuen darf. Fast so
vergnüglich wie das soeben vorgestellte "Philosophenportal"
des Robert Zimmer.
(Harald Schulz; 10/2004)
Robert Zimmer: "Das Philosophenportal"
dtv, 2004. 240 Seiten; mit Abbildungen.
ISBN 3-423-34118-1.
ca. EUR 8,80.
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Robert Zimmer, geboren 1953, Dr. phil., studierte Philosophie und Anglistik und unterrichtete an der Universität und in der Erwachsenenbildung. Er lebt als freier Publizist in Berlin.