Dietmar Fritze: "Die Beharrlichkeit der Philosophen"
Mit Licht beharrlich gegen die Dunkelheit
Philosophie
bedeutet "Liebe zur Weisheit", aber eine Lehre dieses Namens
erfährt nicht notwendig nur Gegenliebe. In der Antike dienten
die Philosophen noch als Fürstenerzieher und betrieben
richtige Schulen. Große Namen entstammen dieser Zeit wie
Sokrates, Platon
oder Aristoteles. Oder
Diogenes, der Alexander, den man den
Großen nennt, aufgefordert haben soll, dass dieser ihm aus
der Sonne gehe. Doch dann durchschritt die Menschheit die lange Zeit
der Finsternis, in der die Philosophie an der Kette der Religion lag.
Da kam es schon einmal vor, dass einer der größten
Denker der europäischen Geistesgeschichte in Flammen aufging.
Ein Foto des Autors des an diese Ungeheuerlichkeit erinnernden Denkmals
auf der Römischen Campo dei Fiori sucht als Titelbild den
ersten Kontakt zu dem Betrachter. Jeder aufrechte Humanist wird diesen
Ort einmal in seinem Leben bepilgern und in Andacht vor der Statue
Giordano Brunos die christlich-abendländischen (Leit-)Kultur
reflektieren müssen. Dieser Giordano Bruno, der mit seinem
überragenden Geist in der Spätrenaissance die
europäische Geisteswelt ausleuchtete und in Genf, Wittenberg
und Rom lange Schatten der Intoleranz zutage förderte. Doch
sein (Lebens-)Licht wurde von dem übermächtigen
römischen Dunkel verschlungen. (Man stritt sogar eine Zeitlang
ab, mit dessen Tod etwas zu tun zu haben.)
In 27 Miniaturen präsentiert uns der Autor Menschen, die sich
in der höchsten kulturellen Leistung versuchten und versuchen,
zu der diese Spezies fähig ist: philosophische Literatur. Doch
die großen Namen wurden aus verschiedenen Motivationen
gewählt. So findet man Vertreter mit großen Namen
aus der ersten Reihe der Popularität wie Sokrates,
Epikur, Bruno,
Spinoza, Kant,
Schopenhauer,
Kierkegaard,
Nietzsche,
Wittgenstein, Bloch oder Heidegger. Er vergaß auch nicht die
großen Opportunisten Seneca und Heidegger, der sogar die
unbestechliche
Hannah Arendt zu bestechen vermochte. Und
natürlich der Legitimator des politischen und dynastischen
Opportunismus: Machiavelli. Der Aphoristiker Lichtenberg ist als
Einziger mit zwei Würdigungen enthalten. Dieser
Göttinger Physiker Lichtenberg, der mit
seinen pointierten
Aphorismen nicht aus dem Schatten des großen
Königsberger Zeitgenossen heraustreten konnte, hat uns zwar
kein geschlossenes Werk hinterlassen, aber mit seinen Aphorismen
geschickt die Finger auf die Wunden der Zeit gelegt.
An Position 13 erwartet uns ein die politische Weisheit Suchender, der
sie
allerdings bislang nicht fand. Vielleicht lag das an seinen Mitteln,
denn er
suchte sie so wie ein Pädagoge, der glaubt, man müsse
ein Kind nur lange genug
prügeln, bis es irgendwann quasi experimentell die
Persönlichkeit ausbilde,
die man von ihm erwarte. Harald Müller, Professor für
Internationale
Beziehungen an der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Frankfurt a. M. und
Mitglied der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, sah
sich denn
auch genötigt, in Buchform auf die theoretischen und
handwerklichen Schwächen
der Argumentation Samuel P. Huntingtons einzugehen. Ach ja, dieser
Huntington
war lange Zeit außenpolitischer Berater der US-Regierung, als
er noch Zeit dazu
hatte und nicht täglich in Talkshows auftreten musste.
Peter Sloterdijk,
der von Karteikarten Kluges abnuschelt, lässt die Philosophie
auf Talkshow-Niveau verkommen, bedauert der Autor. Das ist wahr,
konstatiert der Rezensent mit einer Seufzer und sich an eine Sendung
mit Martin Mosebach
zum Thema Religion erinnernd, aber lauscht nicht der ein oder andere
Exilant gelegentlich die Deutsche Welle auf Kurzwelle, auch wenn es
beständig im Lautsprecher knackt? Und wiegt der
Safranski
nicht manches Opfer auf? Solange die Philosophie im Gegensatz
zu Fußball und Volksmusik allenfalls
homöopathisch angeboten wird, können wir nicht
wählerisch sein.
Beharrlichkeit ist kein Verdienst an sich. Giordano Bruno und Galileo
Galilei
hegten prinzipiell ähnliche Gedanken und waren beide
beharrlich. Doch
Brunos Beharrlichkeit galt der Idee und Galileis Beharrlichkeit seinem
Überleben.
Damit soll Galilei nicht verurteilt werden - wem stünde das
zu? Auch Spinoza
war beharrlich und stellte seine Gedanken über sein eigenes
Wohlergehen. Ein
solides auskömmliches Leben vor Augen, blieb er dennoch bei
seinen Zweifeln und
wurde von seinen Glaubensgenossen mit Schimpf und Schande aus dem
toleranten
Amsterdam gejagt. In Den Haag verdiente er seinen Lebensunterhalt als
Linsenschleifer und zerstörte sich mit dem Glasstaub die
Lunge, während er
seine großen Werke schrieb. Man muss sich nur sein
berühmtes Porträt
anschauen, um angesichts der darin liegenden Melancholie die
Tragödie dieses
Menschen zu erfassen.
Fazit
Es fällt auf, dass der Text dieses kleinen Buches sehr
sorgfältig formuliert
ist; in großer Leichtigkeit kommt er daher. Die konsequente
Kleinschreibung
scheint sprachlicher Verständigung die
Selbstverständlichkeit zu rauben, die
ihr sonst leicht anhaften könnte. Der
Selbstverständlichkeit diese durch eine
veränderte Perspektive zu rauben, scheint eine unterschwellige
Motivation des
Autors zu sein.
Das Buch ist wohl unabhängig von den philosophischen
Vorprägungen für jeden
ein Leser ein Gewinn. Es enthält keine an den Kanten
geglättete philosophische
Anthologie, was für den Autor auch untypisch wäre.
Und so ragt die ein oder
andere Person oder ein ungewöhnlicher Betrachtungswinkel auch
sperrig aus dem
Werk heraus. Es fällt schwer, eine Schnittmenge zu finden, die
alle Porträtierten
gleichermaßen beschreibt.
Aber Huntington als Philosoph? Der sich beharrlich der Einsicht der Ringparabel
widersetzt, weil er sie vermutlich nicht kennt oder verstanden hat?
Oder sollte
man bei diesem Suchenden eher die neue Schreibweise "Filsosof"
verwenden, dessen Thesen mindestens so befremdlich sind wie diese
Schreibweise.
Vielleicht sollte man auch den Leviathan ins Amerikanische
übersetzen, denn
dieser Autor scheint in Amerika völlig unbekannt zu sein. Dass
Kriege das größte
vermeidbare Übel der Menschheit darstellen, hat Thomas Hobbes
schon vor über
350 Jahren hinlänglich bewiesen.
(Klaus Prinz; 09/2005)
Dietmar
Fritze: "Die Beharrlichkeit der
Philosophen"
BoD, 2002. 100 Seiten.
ISBN 3831134537.
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Der Autor, pensionierter Lehrer, lebt in Hattingen und wirkt als Schriftsteller, Netzjournalist und Literaturkritiker. Er betreibt die Seite: https://www.frizztext.de/ (eigenartigerweise in englischer Sprache).