Leo Perutz: "Der Meister des Jüngsten Tages"
Vom
Großmeister des psychologischen Indizienromans
Leo Perutz, über Jahrzehnte vergessen, zwischendurch immer
einmal wiederentdeckt, aber nie in den Aufmerksamkeitsbereich der
großen Öffentlichkeit gerückt, dieser Leo
Perutz hätte zweifellos mehr Beachtung verdient, als ihm
bislang zuteil geworden ist. Deshalb ist es auch hoch anerkennenswert,
dass der Zsolnay Verlag die Werke des Leo Perutz immer wieder neu
auflegt. Nun liegt also auch "Der Meister des Jüngsten Tages"
in einer Neuauflage vor, ein Indizien- und Detektivroman von
exemplarischer Güte, durchaus vergleichbar mit Poes
Geschichten um Monsieur Dupin. Trotzdem ist er nicht zu dem geworden,
was man gemeinhin einen Klassiker nennt. Dietrich Neuhaus schreibt dazu
in seinen "Beobachtungen zum Werk Leo Perutz'": "Dass keiner seiner
Romane zu den sogenannten Klassikern gehört, dürfte
eher darin zu suchen sein, dass sie neben ihrem hohen literarischen
Niveau auch noch das Peinliche an sich haben, spannend zu sein." Da mag
etwas dran sein. Im gleichen Aufsatz beklagt Neuhaus, dass kaum eines
der einschlägigen Nachschlagewerke das korrekte Geburtsjahr
von Leo Perutz angibt, und auch im Klappentext der vorliegenden Ausgabe
erscheint - wenn ich einmal unterstelle, dass Neuhaus recht hat - ein
falsches Datum. Das korrekte Geburtsdatum lautet nach
Dietrich Neuhaus 02.11.1884.
Ausgangspunkt der verwickelten Handlung im "Meister" ist, wie in fast
jeder anderen Geschichte auch, eine Liebesaffäre. Ein
Ich-Erzähler,
der Freiherr von Yosch, treibt seinen Nebenbuhler um die Gunst Dinas,
seiner ehemaligen Geliebten, durch ein psychologisch
ausgeklügeltes Intrigenspiel in den Tod. Um sich zu
rechtfertigen, konstruiert er eine fantastische Geschichte, in der er
von seiner Schuld abzulenken sucht, gleichzeitig aber auch eine Art
versteckter Beichte abliefert, denn immer wieder
stößt der Leser in der Erzählung des
Freiherrn von Yosch auf unbewusst hervorgebrachte
Eingeständnisse seiner Schuld. Und als Drohung steht dahinter
das Bild vom Jüngsten Gericht, das sich wie ein Leitmotiv
durch den gesamten Roman zieht. Wie eine Hydra mit tausend
Köpfen erhebt sich das Gewissen bei von Yosch, und zwar in
Form von den Menschen auf der Straße, die ihn alle anstarren
und damit anzuklagen scheinen. Zu allem Überfluss
trägt der Freiherr von Yosch auch noch für jedermann
sichtbar das Kainsmal auf der Stirn, eine Wunde, deren Herkunft und
Ursache er nicht bestimmen kann. Nicht nur von Yosch, auch andere
Personen im Roman werden von Schuldgefühlen geplagt, besonders
der Ingenieur Waldemar Solgrub, in erster Linie wegen seiner
Vergangenheit, aber wohl auch, weil er in der Geschichte eine
Komplizenschaft mit Yosch eingeht. "Ein brennendes
Schuldgefühl, das nicht vernarben wollte, verfolgte ihn durch
die Jahre hindurch und ließ ihm keine Ruhe."
Aber die wahren Hintergründe des Ganzen sind für den
Leser anfangs nur schwer zu durchschauen. Über 200 Seiten lang
wird er an der Nase herumgeführt, und es wird wohl kaum einen
Leser geben, der sich bei der Erstlektüre des Buches nicht hat
nasführen lassen, auch wenn der Ich-Erzähler selbst
immer wieder Zweifel an seiner Unschuld ausstreut, zum Beispiel durch
das oftmalige formelhafte Beteuern eben dieser Unschuld. Sein
Gegenspieler Felix, Schwager des Opfers, erkennt von Anfang an den
wahren Sachverhalt der Dinge und legt ihn auch klar und logisch dar,
aber der Leser vermag seiner Beweisführung nicht zu trauen,
weil sie ihm zu klar und zu einfach erscheint.
Erst die Schlussbemerkungen des Herausgebers führen den Leser
auf die richtige Spur, oder sagen wir besser, sie geben ihm Gewissheit
und lassen das Lügenkonstrukt des Freiherrn von Yosch in sich
zusammenstürzen. Und diese Enthüllung ist gleichsam
als Aufforderung des Autors an seine Leser zu verstehen, den Roman noch
ein zweites Mal zu lesen, um die geniale Konzeption des Werkes noch
besser zu durchblicken, um Details aufzuspüren, die ihm beim
ersten Mal entgangen sind. Mit geradezu mathematischer Genauigkeit,
(Perutz war studierter Mathematiker), hat Leo Perutz die Fäden
der Handlung verknüpft, führt er seine Leser sicher
durch schwer durchschaubare Labyrinthe von Andeutungen und Indizien,
wie er es eigentlich in allen seinen Werken gehandhabt hat. Wie kaum
ein anderer Autor hat er es verstanden, das Verschwommene, Unbestimmte
der Mystik mit der Präzision und Logik der Mathematik zu
verbinden.
Was der Roman noch beleuchtet, ist das nach wie vor aktuelle Thema der
Bewusstseinserweiterung durch Drogen, hier mit besonderem Bezug auf das
Milieu der Künstler, eine Bewusstseinserweiterung,
die durch
die Farbe Drommetenrot, (die Farbe, in der die Sonne am Tag des
Jüngsten Gerichts leuchten wird), ihren sichtbaren Ausdruck
findet, was durchaus auch in einem ironischen Sinne gedeutet werden
kann. Den Roman in all seinen Facetten und möglichen Deutungen
zu beleuchten, würde den Rahmen dieser Rezension freilich
sprengen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf das fundierte und
aufschlussreiche Nachwort von Hans-Harald Müller, das dem
Leser weitere Informationen und Hintergründe liefert.
Mir bleibt abschließend nur noch zu sagen: ein grandioses
Buch, wärmstens zu empfehlen!
(Werner Fletcher; 08/2006)
Leo Perutz: "Der Meister des
Jüngsten Tages"
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Hans-Harald Müller.
Zsolnay, 2006. 218 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Leseprobe:
Vorwort statt eines Nachworts
Meine Arbeit ist beendet. Ich habe die Ereignisse des Herbstes 1909
niedergeschrieben, jene Folge tragischer Begebenheiten, mit der ich auf
so sonderbare Art verknüpft gewesen bin. Ich habe die volle
Wahrheit geschrieben. Nichts übergangen, nichts
unterdrückt - wozu auch? Ich habe keinen Anlaß,
irgend etwas zu verheimlichen. - Während des Schreibens machte
ich die Entdeckung, daß mein Gedächtnis eine Unzahl
Einzelheiten - zum Teil recht unwichtige Dinge: Gespräche,
kleine Vorfälle des Tages - lebendig und deutlich bewahrt hat;
daß sich jedoch in mir von der Länge des Zeitraums,
in dem sich das alles abgespielt hat, eine ganz falsche Vorstellung
herausgebildet hat. Noch jetzt habe ich den Eindruck, als
wären es mehrere Wochen gewesen. Das ist ein Irrtum. Das Datum
des Tages, an dem mich Doktor Gorski zum Quartettspiel in die Villa
Bischoff mitnahm, weiß ich genau: Es war der 26. September
des Jahres 1909, ein Sonntag. Das ganze Panorama dieses Tages steht mir
noch heute vor Augen: Die Morgenpost hatte mir einen Brief aus Norwegen
gebracht, ich versuchte den Poststempel zu entziffern und dachte dabei
an die Studentin, die auf der Fahrt über den Stavanger Fjord
meine Nachbarin gewesen war. Sie hatte ja versprochen, mir zu
schreiben. Ich öffnete den Brief, aber er enthielt nur den
Prospekt eines Wintersporthotels auf dem Hardanger Gletscher.
Enttäuschung. - Später ging ich in den Fechtklub, auf
dem Wege, in der Florianigasse, überraschte mich ein
Platzregen, ich trat in ein Haustor und entdeckte einen alten,
verwilderten Garten mit einem steinernen Barockbrunnen, und eine alte
Dame sprach mich an und fragte, ob in diesem Haus nicht eine
Putzmacherin Namens Kreutzer wohne. Das weiß ich noch, als
wäre es gestern gewesen. Dann hörte der Regen auf,
und es kam schönes Wetter. Als einen Tag mit warmem Wind und
wolkenlosem Himmel, so hab’ ich den 26. September 1909 in
Erinnerung. Mittags speiste ich mit zwei Regimentskameraden in einem
Gartenrestaurant. Die Morgenblätter las ich erst nach Tisch.
Sie enthielten Aufsätze über die Balkanfrage und
über die Politik der Jungtürken - es ist erstaunlich,
wie ich das alles noch weiß. Ein leitender Artikel besprach
die Reise des Königs von England, und ein anderer
befaßte sich mit den Plänen des türkischen
Sultans. "Zuwartende Haltung Abdul Hamids" stand fettgedruckt
über den ersten Zeilen. Die Tageschroniken brachten
Einzelheiten aus Schefket Paschas und Niazi Beys Lebenslauf - wer kennt
heute noch diese Namen? Auf dem Nordwestbahnhof hatte es in der Nacht
ein Schadenfeuer gegeben - "riesige Holzvorräte vernichtet"
hieß es in den Blättern. Eine akademische
Vereinigung kündigte eine Aufführung von Büchners
"Danton"
an, in der Oper wurde die "Götterdämmerung" gegeben,
mit einem Gast aus Breslau in der Rolle des Hagen. In der Kunstschau
waren Bilder von Jan Toorop und Lovis Corinth ausgestellt, und die
ganze Stadt lief hin, um sie anzustaunen. Irgendwo,
in Petersburg
glaube ich, gab es Streik und Arbeiterunruhen, in Salzburg einen
Kircheneinbruch, und aus Rom wurden Lärmszenen in der Consulta
gemeldet. Ganz klein gedruckt fand ich noch eine Notiz über
den Zusammenbruch des Bankhauses Bergstein. Er überraschte
mich keineswegs, ich hatte ihn kommen sehen und rechtzeitig meine
Depots zurückgezogen. Aber ich mußte an einen
Bekannten, den Schauspieler Eugen Bischoff, denken, der sein
Vermögen gleichfalls diesem Bankhause anvertraut hatte. Ich
hätte ihn warnen sollen, fuhr es mir durch den Kopf. - Aber
hätte er mir denn geglaubt?
Er hielt mich immer für falsch informiert. Wozu sich in fremde
Angelegenheiten mischen? - Und zugleich fiel mir ein Gespräch
ein, das ich einige Tage zuvor mit dem Intendanten der Hoftheater
geführt hatte. Die Rede war auf Eugen Bischoff gekommen - "der
Mann wird alt, leider, ich kann ihm nicht helfen", hatte der Intendant
gesagt und ein paar Bemerkungen über das Drängen des
Nachwuchses hinzugefügt. Wenn mein Eindruck richtig war, dann
bestand für Eugen Bischoff wenig Aussicht auf Erneuerung
seines Vertrages. Und nun mußte auch noch das
Unglück mit Bergstein & Cie dazukommen.
An all dies erinnere ich mich. So deutlich steht das Relief des 26.
September 1909 in meinem Gedächtnis. Um so unbegreiflicher ist
es mir, wie ich den Tag, an dem wir zu dritt das Haus auf der
Dominikanerbastei betraten, gegen die Mitte des Monates Oktober
verlegen konnte. Vielleicht hat mich die Erinnerung an verwelktes
Kastanienlaub auf den Kieswegen des Gartens, an reife Trauben, die an
den Straßenecken feilgeboten wurden, und an ersten
herbstlichen Frost - vielleicht hat mich dieser ganze Komplex
unbewußter Erinnerungen, die mir irgendwie mit diesem Tag
verknüpft sind, irregeführt; das kann wohl sein.
In Wirklichkeit war der 30. September der Tag, an dem die Entscheidung
fiel, das habe ich mit Hilfe der Notizen, die ich aus jener Zeit
besitze, festgestellt.
Vom 26. bis zum 30. September, nicht länger also als
fünf Tage, hat dieser tragische Spuk gewährt.
Fünf Tage dauerte die abenteuerliche Jagd, die Verfolgung
eines unsichtbaren Feindes, der nicht von Fleisch und Blut war, sondern
ein furchtbarer Revenant aus vergangenen Jahrhunderten. - Wir fanden
eine blutige Spur und gingen ihr nach. Schweigend öffnete sich
das Tor der Zeiten. Keiner von uns ahnte, wohin der Weg ging, und es
ist mir heute, als hätten wir uns mühsam, Schritt
für Schritt, durch einen langen dunkeln Gang getastet, an
dessen Ende ein Unhold mit erhobener Keule uns erwartete ... Die Keule
sauste nieder, zweimal, dreimal, ihr letzter Schlag traf mich, und ich
wäre verloren gewesen, ich hätte Eugen Bischoffs und
Solgrubs furchtbares Geschick geteilt, wenn mich nicht im letzten
Augenblick ein rascher Griff zurück ins Leben gerissen
hätte.
Wieviel Opfer mag es gefunden haben, das bluttriefende Ungeheuer, auf
seinem Weg durch das Dornengestrüpp der Jahrhunderte, auf
seiner Wanderung durch die Zeiten und Länder? Ich sehe manches
vergangene Schicksal jetzt mit anderen Augen als zuvor. Auf der
Innenseite des Buchdeckels habe ich zwischen den Namen der
früheren Besitzer eine halberloschene Unterschrift entdeckt.
Habe ich sie recht gedeutet? Sollte auch
Heinrich
von Kleist - -? Nein, es hat keinen Sinn, zu suchen und zu
raten und die Namen der großen Toten zu beschwören.
Nebelwolken verhüllen ihr Bild. Die Vergangenheit bleibt
stumm. Niemals wird aus dem Dunkel eine Antwort kommen.
Und es ist nicht vorüber, nein, noch immer ist es nicht
vorüber, aus ihren Tiefen steigen die Bilder auf und dringen
auf mich ein, nachts und am hellen Tage - jetzt freilich, dem Himmel
sei Dank, nur blaß und schattenhaft, nur wesenlose Schemen.
Er schläft, der Nerv in meinem Hirn, aber sein Schlaf ist noch
immer nicht tief genug. Und manchmal faßt mich eine
jähe Angst und treibt mich ans Fenster, es ist mir, als
müsse dort oben das furchtbare Licht in ungeheuren Wellen
über den Himmel rauschen, und ich kann es nicht fassen,
daß über mir die Sonne steht, von silbernem Dunst
verhüllt, von purpurnen Wolken umdrängt oder einsam
in der unendlichen Bläue des Himmels, und rings um mich her,
wohin ich blicke, die uralten, ewigen Farben, die Farben der irdischen
Welt. Niemals mehr hab’ ich seit jenem Tag das grauenvolle
Drommetenrot gesehen. Aber die Schatten sind da, sie kommen immer
wieder, sie haben mich umstellt, sie greifen nach mir - werden sie
niemals aus meinem Leben verschwinden?
Vielleicht, verfolgte Seele! Vielleicht hab’ ich, was mich
bedrängt, für immer abgetan von mir, indem ich es
niederschrieb. Meine Geschichte liegt hinter mir, ein Stoß
loser Papiere, ich habe ein Kreuz darüber gemacht. Was habe
ich noch mit ihr zu tun? Ich schiebe sie beiseite, als hätte
sie ein anderer erlebt oder erdacht, ein anderer geschrieben, nicht ich.
Aber noch ein zweiter Grund hat mich bestimmt, all das aufzuzeichnen,
was ich vergessen wollte und nicht vergessen kann.
Solgrub hat kurz vor seinem Tode ein beschriebenes Pergamentblatt
vernichtet, er hat es getan, damit von nun an kein Opfer mehr dem
grausigen Irrtum verfallen könne. Aber ist es denn
gewiß, daß jenes Pergament das einzige seiner Art
gewesen ist? Ist es nicht möglich, daß in
irgendeinem vergessenen Winkel der Welt ein zweiter Bericht des
florentinischen Orgelspielers liegt - vergilbt, verstaubt, vermodert,
von Ratten benagt, unter dem Gerümpel eines
Trödlerladens begraben oder hinter den Folianten einer alten
Bibliothek versteckt oder zwischen Teppichen, Handscharen und
Korandeckeln auf dem Boden eines Bazars in Erzinghian oder Diarbekir
oder Dschaipur -, daß es dort liegt und lauert, bereit zur
Auferstehung und lüstern nach neuen Opfern? Wir alle sind
Gebilde, die dem großen Willen des Schöpfers
mißlungen sind. Wir tragen einen furchtbaren Feind in uns und
ahnen es nicht. Er regt sich nicht, er schläft, er liegt wie
tot. Wehe, wenn er zum Leben erwacht! Möge niemals wieder ein
menschliches Auge die Farbe Drommetenrot erblicken, die ich gesehen
habe, ja, Gott helfe mir, ich habe sie gesehen. - Und darum habe ich
meine Geschichte niedergeschrieben. Sie hat, wie sie nun, ein
Stoß beschriebener Blätter, vor mir liegt, keinen
rechten Anfang, ich weiß es wohl. Wie begann es? Ich
saß daheim an meinem Schreibtisch, die Shagpfeife zwischen
den Zähnen, und blätterte in einem Buch. Da kam
Doktor Gorski. Doktor Eduard Ritter von Gorski. Er war, solange er
lebte, außerhalb eines engen Fachkreises nur wenig bekannt.
Erst sein Tod sicherte ihm Weltruhm. Er ist in Bosnien einer
infektiösen Krankheit erlegen, die er zum Gegenstand seines
Spezialstudiums gemacht hatte. Ich sehe ihn noch heute, wie er vor mir
stand: ein wenig verwachsen, schlecht rasiert, sehr salopp gekleidet,
die genähte Krawatte schief. Mit dem Zeigefinger und dem
Daumen hielt er sich die Nase zu. "Schon wieder Ihre verdammte Pfeife!"
begann er zu poltern. "Können Sie denn ohne sie nicht leben?
Dieser entsetzliche Qualm! Man spürt ihn bis hinunter auf die
Straße."
"Es ist der Geruch fremdländischer Bahnhöfe. Ich mag
ihn gern", gab ich zur Antwort und stand auf, um ihn zu
begrüßen.
"Hol’ ihn der Teufel!" brummte er.
"Wo haben Sie Ihre Geige? Sie werden bei Eugen Bischoff spielen, ich
bin beauftragt, Sie mitzubringen."
Ich sah ihn verwundert an.
"Haben Sie heute die Zeitung nicht gelesen?" fragte ich dann.
"Ah, Sie wissen es auch schon?" rief er. "Alle Welt, scheint es,
weiß davon, nur Eugen Bischoff selbst hat keine Ahnung. Eine
böse Sache. Ich glaube, man will sie ihm verheimlichen. Er hat
gerade jetzt auch noch Konflikte mit seiner Intendanz, und bevor die
nicht ausgetragen sind - so lange zumindest soll er nichts erfahren. -
Wahrhaftig, Sie müssen Dina gesehen haben: Wie ein
schützender Erzengel steht sie vor ihm. Kommen Sie nur mit,
Baron! Ich denke, jede Art Zerstreuung und Ablenkung wird ihr heute
willkommen sein."
Ich hatte ein brennendes Verlangen, Dina zu sehen. Aber ich war sehr
vorsichtig. Ich tat, als wäre ich unentschlossen, als
müßte ich erst noch überlegen.
"Ein bißchen Kammermusik", sprach Doktor Gorski auf mich ein.
"Ich habe mein Cello unten im Wagen. Vielleicht ein Klaviertrio von
Brahms,
wenn es Ihnen recht ist."
Und er pfiff, wie um mich aufzumuntern, die ersten Takte des
H-dur-Scherzos leise vor sich hin. (...)