Hakan Baykal: "Vom Perserreich zum Iran"

3000 Jahre Kultur und Geschichte


Beeindruckende Darstellung einer dynamischen, hoch entwickelten Kultur über die Jahrtausende

Der Iran tritt meistens ziemlich überraschend auf der Weltbühne auf, nicht erst, seit er von Präsident Ahmadinezhad regiert wird. Obwohl Russland und England vom 19. Jahrhundert an versuchten, das Land systematisch zu schwächen, hat es als globaler Machtfaktor keineswegs ausgedient.

Und der Staat kann auf eine wahrlich beeindruckende Geschichte zurückblicken. Der Autor des vorliegenden Geschichtsbandes präsentiert dem Leser dreitausend Jahre des eigentlichen persischen beziehungsweise iranischen Kulturraumes beziehungsweise Reichs, bezieht aber auch Elam, die erste Hochkultur auf dem Gebiet des heutigen Irans, mit ein.

Persiens Geschick war wechselhaft, doch bildete das Reich während der Antike und islamischen Zeit immer einen entscheidenden Machtfaktor in der damals bekannten Welt. Bereits die Achämeniden, deren Herrschaft im sechsten Jahrhundert vor Christus begann, dehnten ihr Herrschaftsgebiet beachtlich aus. Alexander der Große und die Seleukiden stellten nur ein relativ kurzes Intermezzo dar, ehe Persien unter asiatischen Herrschern, den Parthern und den Sasaniden, seine Macht zurückeroberte und zum Teil sogar beträchtlich ausbaute.

Sehr detailliert befasst sich der Autor mit dem Aufkommen des Islams und der bald darauf erfolgten Islamisierung Persiens, der gewaltsamen Durchsetzung des Schiitentums und der Vorherrschaft von Mongolen und Türken einschließlich der Verheerung vieler bedeutender Städte des Reichs durch Dschingis Khans Horden. Inhalt eines wichtigen Kapitels sind auch die Safawiden, die den aus der Antike stammenden Titel "Schah" annahmen.

Im letzten Abschnitt des Buchs geht es um das 19. sowie das 20. und den Übergang zum 21. Jahrhundert, eine für den Nationalstolz und auch aus wirtschaftlicher Perspektive über weite Strecken bittere Zeit. Sehr gut nachvollziehbar und bemerkenswert neutral - nicht jedem Sachautor gelingt dies bei derart brisanten Themen - erläutert der Autor die Entwicklung, die letztlich zu einem internationalen Status quo des Irans als "Schurkenstaat" (laut USA) führte, vielleicht sogar zwangsläufig führen musste. Er schildert abschließend die gegenwärtige Situation und geht auch auf die Lage der Frau ein.

Verurteilt wird in diesem Buch also nicht, sondern der Autor lässt die Fakten für sich sprechen. Viele von ihnen dürften dem mit der üblichen Allgemeinbildung ausgerüsteten Leser zunächst unbekannt sein: Persien tritt im schulischen Geschichtsunterricht als gelegentlicher Gegner Griechenlands und Roms in Erscheinung und hört danach gewissermaßen auf zu existieren. Wer sich für Wissenschaftsgeschichte interessiert, hat natürlich bereits Kenntnisse vom Wirken großer persischer Gelehrter wie Avicenna und al-Biruni, Literaten kennen den Dichter Hafiz, der Goethe zum "West-östlichen Diwan" inspirierte. Welch intensive politische Umwälzungen, die manchmal tatsächlich, manchmal nur scheinbar auf religiösen Differenzen mit den Nachbarn beruhten, Persien von der Islamisierung an bis in die Neuzeit erschütterten, ist indes wenig bekannt und doch für das Verständnis des heutigen Irans und seiner Beziehungen zur arabischen Welt von immenser Bedeutung. Deshalb legt der Autor sehr viel Wert auf die Vermittlung der vielen religiösen Strömungen, die Persien beziehungsweise den Iran im Verlauf der Geschichte prägten, darunter auch der Zoroastrismus, der Manichäismus und später die Bahá'i-Religion. Besonders aber geht der Autor natürlich auf die Geschichte des Islams im Land ein.

Zahlreiche Fotos von bedeutenden persischen und iranischen Bauten aus Vergangenheit und Gegenwart, von Landschaften und Menschen, Abbildungen von Kunstwerken und Kartenmaterial bereichern und ergänzen die Texte. Sozusagen in einer Nussschale wird die persisch-iranische Geschichte am Ende des Buchs tabellarisch angeboten, der europäischen Geschichte gegenübergestellt.

Dieses Buch, das nicht nur durch seinen enormen Informationsgehalt besticht, sondern auch durch eine ansprechende Aufmachung, bietet deutschsprachigen Lesern den Zugang zur Entwicklung einer fremden und doch immer mit dem Westen eng verbundenen dynamischen Kultur durch die Jahrtausende. Die Lektüre erschließt neben den Errungenschaften viele Schattenseiten des Landes, dennoch sieht man im Anschluss den Iran mit relativ objektiven Augen - und vermutlich auch mit einem guten Schuss Sympathie.

(Regina Károlyi; 11/2007)


Hakan Baykal: "Vom Perserreich zum Iran. 3000 Jahre Kultur und Geschichte"
Theiss-Verlag, 2007. 176 Seiten mit rund 130 farbigen Abbildungen und Karten.
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Hakan Baykal ist Wissenschaftsjournalist im Bereich der Archäologie und Geschichte. Er schreibt u. a. für "Die ZEIT" und "PROFIL" sowie als Redakteur bei "Abenteuer Archäologie" und "Spektrum der Wissenschaft".