Ulrich Peltzer: "Teil der Lösung"
Ratlosigkeit und verschwommene Selbstbildnisse innerhalb einer orientierungslosen Gesellschaft
In Ulrich Peltzers Roman "Teil der Lösung"
geht es um zwei junge Männer Mitte 30. Diese beiden
verkörpern zwei unterschiedliche Typen von Intellektuellen,
wie man sie heute oft vorfindet. Der eine ist arriviert, oder befindet
sich zumindest auf dem Weg dorthin, der andere ist irgendwann an einer
Hürde gescheitert, die er vielleicht in dem Moment gar nicht
als solche erlebt hat, und seitdem befindet er sich auf einem Weg ins
gesellschaftliche Abseits, auch wenn ihm das zu Beginn jedenfalls noch
wie ein unabhängiges Leben außerhalb der
allgegenwärtigen gesellschaftlichen Zwänge erscheint. |
"Sony Center |
Zwischen diese beiden unterschiedlichen Freunde hat Ulrich Peltzer eine
Frau gestellt. Nele Fridrich ist 23 Jahre alt, studiert
in
Berlin und schreibt gerade bei Jakob eine Arbeit
über Jean Paul. Sie hat sich in Christian verliebt und ist in
ihrer Jugendlichkeit vielleicht so, wie die beiden unterschiedlichen
Freunde dereinst einmal waren. Nele ist spontan, politisch aktiv,
extrem wissbegierig und kann sich schnell über
Missstände aufregen. Vor allen Dingen tut sie etwas. Weil es
ihr zuwider ist, ewig nur zu diskutieren und zu reflektieren, hat sie
sich einer im Untergrund operierenden Gruppe angeschlossen, die nach
einigen kleineren Aktionen jetzt "etwas Größeres"
plant.
Schon in "Bryant Park", seinem vorigen Buch, hat sich Ulrich Peltzer
mit dem 11. September 2001
auseinandergesetzt und die Frage der
Rechtmäßigkeit des Widerstandes gegen ein System
diskutiert, das inzwischen alles beobachten kann, was es will.
Auch in "Teil der Lösung" geht es unter Anderem um diese
Frage. Denn nicht nur Nele ist in engem Kontakt mit diesem Problem,
auch Christian arbeitet für einen Feuilletonartikel, mit dem
er endlich aus seinem intellektuellen Schattendasein herauszukommen
hofft, über die Geschichte der Roten Brigaden. Dafür
lässt er sich auf eine Situation ein, die ihm fast den Boden
unter den Füßen wegzieht, indem er seine Liebe zu
Nele zu verlieren droht.
Peltzers Buch ist sowohl ein Liebesroman, der seine Helden in tiefe
Konflikte stürzt und mit großen Gefühlen
nicht spart, als auch ein gelungener Berlin-Roman, der
souverän mit einer Vielzahl von Schauplätzen spielt
und ein hervorragendes Bild von der Metropole eines Landes, das im
Wandel begriffen ist und dessen Zeichen man überall in der
Stadt sehen kann, entwirft. "Teil der Lösung" ist ein
großer Roman unserer Zeit, der genial und sehr tiefgehend
verschiedene Möglichkeiten von aktueller Existenz
durchdekliniert, immer auch verstanden als politische und
intellektuelle Existenz.
Eine außergewöhnliche Erzähltechnik mit
vielen filmartigen Schnitten ermöglicht es Peltzer, diese
Gesamtheit an uferlosen Themen in einem erzählerisch stetigen
Fluss zu halten.
(Winfried Stanzick)
Ulrich Peltzer: "Teil der Lösung"
rororo, 2009.
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Ulrich Peltzer, geboren 1956 in
Krefeld, studierte Philosophie und Psychologie
in Berlin, wo er seit 1975 lebt.
Er veröffentlichte die Romane "Die Sünden der Faulheit" (1987), "Stefan
Martinez" (1995), "Alle oder keiner" (1999), "Bryant Park" (2002), "Teil der
Lösung" (2007) und "Das bessere Leben" (2015). Sein Werk wurde mit zahlreichen
Preisen ausgezeichnet, unter Anderem dem "Preis der SWR-Bestenliste", dem
"Berliner Literaturpreis" und dem "Heinrich-Böll-Preis".
Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Das bessere Leben"
Ulrich Peltzer hat einen großen Zeitroman geschrieben. Was hält unsere
undurchschaubare Welt zusammen: Träume, Geldströme, Gott oder der Teufel?
Im 20. Jahrhundert diskutierten, lebten und kämpften junge Menschen an
us-amerikanischen Universitäten,
in Frankfurt und Moskau für eine gerechte
Ordnung, für eine bessere Zukunft. Doch die Utopien sind in Terror umgeschlagen.
Wir leben in einer radikal kapitalistischen Welt, unsere Gegenwart scheint
undurchschaubar. Was ist aus unseren Utopien, Sehnsüchten und Träumen geworden?
Aus ehemaligen Revolutionären sind Manager geworden, Akteure der
Wirtschaft. Sie sind involviert in globale Geschäfte zwischen Mailand,
Südamerika und China, ihre Geschäfte sind dubios. Haben sie alles verraten? Was
heißt es heute in dieser Welt, gut zu leben? Was wäre das bessere Leben?
Jochen Brockmann ist erfolgreicher Sales Manager, doch er verstrickt sich
in ein abstürzendes System. Die Bank gibt keinen Kredit mehr, Indonesien
investiert nicht, es bieten sich die Chinesen an. Sylvester Lee Fleming ist ein
skrupelloser Geschäftemacher, Finanz-Investor und Risiko-Berater. Er erscheint,
als Retter, Verführer und Versucher. Ist er ein Abgesandter des Teufels oder nur
ein Psycho? Er kreuzt Brockmanns Weg. Ist das Zufall oder Plan?
Ein philosophischer Roman, ein metaphysischer Reißer über das 21. Jahrhundert
und die Gespenster der Vergangenheit. (S. Fischer)
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"Bryant Park"
Erzählung.
Ein Nachmittag in Manhattan. Im Bryant Park laufen die Vorbereitungen
für das
Freiluftkino; ein Mann sitzt in der Bücherei und durchforstet
Namensregister;
seine Gedanken schweifen ab. In der 36. Straße
stürzt ein Gerüst zusammen.
Ausnahmezustand. Katastrophenmeldungen, live und in
Farbe,
stoßen Erinnerungen
an weiter zurückliegende, selbst erlebte Geschichte: ein
gescheiterter Drogenhandel
in
Sizilien, der allmähliche Verfall und Tod des
Vaters. Und sie verweisen darauf, was an Brüchen noch kommen wird. (Fischer)
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"Alle oder keiner"
"Erinnere dich mal, sagte Christine eines
Nachmittags, als wir auf ihrem Bett saßen, und
erzähl' mir, das dürfte doch
nicht so kompliziert sein, wie geht die Geschichte?"
Ein Mann, Diplompsychologe, Ende Dreißig. Er lebt
im Berlin der 1990er
Jahre und schreibt an einem neuen Handbuch der forensischen
Psychologie.
Im Rahmen dieser Arbeit untersucht er auch Tatverdächtige auf
ihre Schuldfähigkeit.
Nicht zuletzt durch die Begegnung mit Christine wird ihm klar, dass
sein Leben die Richtung ändern wird.
Aber wie immer bei Ulrich Peltzer überholt die
Intensität der Beschreibungen
den Handlungsverlauf der Geschichte. Alle oder keiner - mit eben dieser
Ausschließlichkeit und Konsequenz schafft der Autor ein
Mosaik der Wahrnehmung. (Fischer)
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