Stel Pavlou: "Code Zero"
8. März 2012. In der Antarktis, im Amazonas und unter der Sphinx stößt man auf mysteriöse kristallartige Artefakte mit hieroglyphenartigen Beschriftungen. Zwischen den drei Fundorten zirkuliert ein merkwürdiges Signal, dessen Botschaft ein Team internationaler Wissenschaftler verzweifelt zu entschlüsseln versucht. Doch es könnte bereits zu spät sein: Eine entsetzliche Prophezeiung droht sich zu erfüllen ...
Das Entziffern von Nachrichten
ist immer eine interessante und spannende Aufgabe. Gelegentlich kann sie bei all
der Mathematik, die damit häufig verbunden ist, auch Stoff für einen guten
Roman geben, wie man zum Beispiel an "Enigma" sehen konnte. Dieser
Erstlingsroman treibt die Idee - und auch die Spannung - etliche Stufen weiter.
Bei einer illegalen Probebohrung
in antarktischen Gewässern stößt das Bohrgewinde plötzlich auf eine
Substanz, die härter ist als Diamant, und bei der nachfolgenden
Schiffskatastrophe verlieren etliche Seeleute ihr Leben. Als die Trümmer
sortiert werden, finden sich darunter einige Bruchstücke, in die seltsame
Schriftzeichen eingelassen sind. Eine nähere Untersuchung dieser Bruchstücke
macht deutlich, dass diese aus C60 mit Diamanteinschlüssen bestehen, eine
Substanzverbindung, die in der Natur nur gelegentlich auf Asteroiden vorkommt,
und die in Teilchenbeschleunigern nur mit sehr großem Aufwand hergestellt
werden kann.
Dieser Fund setzt weltweit umfassende Aktivitäten in Gang, für die zum
Beispiel eine Archäologin (Sarah Kelsey) von Sibirien nach Genf gebracht wird,
wo sie auf einen Linguisten (Dr. Richard Scott) und dessen Gehilfin (November
Dryden), einen Anwalt (Houghton), einen
Quantenphysiker
und Komplexitätsforscher (Jon Hackett) und einige Militärs trifft. Bei diesem
Treffen in CERN wird deutlich, dass es neben einigen Verschiebungen im Wetter
auch zu anderen globalen Problemen gekommen ist, und dass die Forschungsfirma,
die in der Antarktis bohrte und in Sibirien Dr. Kelsey auf die Suche schickte,
bereits in China auf C60 gestoßen war und nun über Satellitenfotos unter dem
Eis der Antarktis eine Stadt gefunden hat, die durchaus
das
sagenhafte Atlantis sein könnte, das nun - beim Abschmelzen der Pole -
immer schneller zum Vorschein kommt. Das Abschmelzen der Pole an sich scheint
durch immer stärkere Sonnenfleckenaktivitäten hervorgerufen zu werden, die
anscheinend zyklisch in der Geschichte des Sonnensystems aufgetreten sind, und
auch für die letzte Sintflut verantwortlich gewesen sein könnten. Tatsächlich
sind
Mythen
und Geschichten über die Sintflut das Spezialgebiet von Dr. Scott, der
diese ausgiebig untersucht und verglichen hat.
Anscheinend bewirken diese
Sonnenfleckenaktivitäten durch Folgeerscheinungen wie Erdbeben, Verschiebung
der tektonischen Platten etc. immer wieder große globale Veränderungen, die
die Menschen vor etwa 12.000 Jahren nur durch die Genialität der Bewohner von
Atlantis mehr oder weniger heil überstanden haben. Um ihre Nachfahren ebenfalls
zu schützen haben sie eine Botschaft niedergelegt, in der erklärt wird, wie
das gleiche Wunder sogar noch besser wiederholt werden könne. Doch diese
Botschaft hat nun lange auf Eis gelegen, nun wird die Zeit knapp und die Helden
dieses Romans müssen nach
Ägypten,
in
den südamerikanischen Regenwald und schließlich wieder
in
die Antarktis reisen, um die große Weltrettungsmaschinerie, die uns unsere
Vorfahren hinterlassen haben, in Gang zu setzen.
Spannend bis zuletzt. Außerdem
unglaublich komplex in der Erzähl- und Handlungsstruktur. Beim Lesen dieses
Romans bekommt man auch noch einen Einblick in die Sprachgeschichte und
Sprachevolution, in moderne Physik, Quantenmechanik, Ingenieurwissenschaften,
Geografie, Kosmologie, Archäologie, Kryptografie, Computerforschung, Medizin,
Magie, Mythologie und Frühgeschichte etc.
Den einzelnen Abschnitten des
Buchs sind verschiedene Fassungen der Sintflutlegende vorangestellt, was für
sich genommen schon fast den halben Kaufpreis rechtfertigt, wenn man sich für
komparative Mythologie interessiert. Daneben sind die Figuren interessant, somit
der Geschichte angemessen dargestellt, und "Code Zero" ist sehr
integriert geschrieben, was bei seiner Länge und den vielen wissenschaftlichen
Exkursen eine geradezu herkulische Leistung von Mr. Pavlou ist. Ich bin sehr
begeistert.
(K.-G. Beck; 08/2002)
Stel Pavlou: "Code Zero"
(Originaltitel "Decipher")
Ullstein, 2006. 608 Seiten.
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Stel Pavlou ist der Drehbuchautor von "The 51st State" (verfilmt mit Samuel L. Jackson). Er lebt in England.