Rolf Balgo, Holger Lindemann und Henriette Schildberg (Hrsg.):
"Pädagogik im Zeitalter globaler Konflikte"


Globale Konflikte gibt es schon ziemlich lange und haben darum die Pädagogik indirekt auch eigentlich seit jeher beeinflusst. Die Schaffer von Schulen in Antike und Mittelalter lebten vielfach in Großreichen, und wer lernte, der lernte vor dem Hintergrund des Funktionierens in sehr großen räumlichen Zusammenhängen. Insofern hatte Pädagogik immer schon eine globale Ausrichtung - z.B. im Römischen Reich oder auch in vielen kirchlichen Schulen und Universitäten des Mittelalters. Deswegen ist eine der Grundideen gegenständlich besprochenen Buchs, dass die Pädagogik nun global ausgerichtet werden müsste, ein wenig fragwürdig. Die Qualität der Konflikte und die Kommunikationswege haben sich verändert, aber wer erfolgreich sein wollte, musste zu allen Zeiten weit reichende Konfliktpotenziale erfassen und verwalten. Konstruktionen wie die Hanse oder das Römische Reich wären ohne eine entsprechende Ausbildung ihrer Mitglieder gar nicht möglich gewesen.

Von diesen Überlegungen ausgehend erscheinen schon die grundlegenden ersten zwei Kapitel von "Pädagogik im Zeitalter globaler Konflikte" sehr bemüht und auch nicht gerade sonderlich schlüssig in ihrer Frage, wie Pädagogik in der Zukunft mit Konflikten umgehen sollte. Während auf der einen Seite die unhinterfragte Wirklichkeitskonstruktion der Medienwelt postuliert wird - und das, obwohl diese spätestens seit den 1970er Jahren ständig auch in der Öffentlichkeit in Frage gestellt wird und initial schon durch die Hauptfigur von "1984" genauso postuliert wird - und dies ohne jede Flexibilität erkennen zu lassen, dass Neoliberalismus schlecht ist und - wenn auch eher indirekt - Gewerkschaften und ihre Vertreter immer gut. Dies ist von der Ausrichtung damit weniger wissenschaftlich als viel eher politisch-dogmatisch.

Im Bereich der Früherziehung von Kindern wird ein Weggehen vom dualistischen Denken gefordert, so dass die Kinder lernen sollen, die Welt nicht nur als Gut-Schlecht-Gegensatz zu sehen, sondern größere Komplexität in der Wahrnehmung von Interessen und Ideen Anderer im Konflikt wahrzunehmen. Hierbei fragt man sich allerdings, wie Kinder in diesem Alter dies klar trennen sollen, weil sie sich selbst ihrer eigenen Motive und Ziele gar nicht so genau bewusst sind und Befindlichkeiten Anderer nicht zuverlässig differenziert wahrnehmen können. Dies ist immerhin etwas, das auch Erwachsene in einer therapeutischen Ausbildung durchaus erst noch erlernen müssen - und etwas, das in der Therapie ein häufiger Knackpunkt ist. Wenn man den verbreiteten Modellen zur Entwicklung der kindlichen Intelligenz und Empathie folgt, dann hat die hier vorgestellte Idee zur Frühpädagogik noch deutlichen Erklärungsbedarf. Wer in der pädagogischen Praxis tätig ist, wird in der fünften oder sechsten Klasse erleben können, wie schwierig es für Kinder in diesem Alter ist, mit Klassen- und Gesprächsregeln umzugehen. Weswegen auch die meisten Mediationsausbildungsmodelle erst in der neunten Klasse ansetzen. Wie solche Denk- und Wahrnehmungsweisen bei vorpubertären Kindern implementiert werden könnten, müsste erst einmal umfänglich untersucht werden. Es wäre sicherlich wünschenswert, aber es könnte nur ein Traum sein.

Die Kapitel von Graf und Lindemann zur Arbeit in den weiterführenden Schulen lesen sich gewinnbringend und zeigen eine wesentlich deutlicheren Forschungs- und Praxisbezug, weswegen sich hier sicherlich einiges für den Anwender herausholen lässt. Die Kapitel zur sozialen Arbeit und zur Erwachsenenbildung haben wenig direkten Gehalt und machen die Lektüre einmal mehr zu einer Sysiphus-Arbeit, was ja irgendwie zum Reihennamen ("Sysiphos - Beiträge zur systemischen Pädagogik") passt. Das abschließende Kapitel zur Beratung ist in Bezug auf die Beratungstätigkeit eine nette Zusammenfassung, bietet aber für den ausgebildeten Praktiker auch nichts wirklich Neues.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 04/2007)


Rolf Balgo, Holger Lindemann und Henriette Schildberg (Hrsg.):
"Pädagogik im Zeitalter globaler Konflikte"

Carl-Auer Verlag, 2007. 244 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen