Leonardo Padura: "Adiós Hemingway"
Vierzig Jahre nach Hemingways Tod wird auf seiner Finca bei Havanna eine Leiche gefunden, getötet mit zwei Kugeln aus einer Maschinenpistole seiner legendären Waffensammlung ...
Nach
Abschluss von Paduras
vielbeachtetem "Havanna-Quartett"
um Teniente Mario Conde hatte diese Romanfigur ihr Amt als Polizist
niedergelegt,
um sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. So zumindest der Plan der
Figur und
ihres Schöpfers. Genauso, wie Leonardo Padura vor etlichen
Jahren seine persönliche
Verehrung des Autors Ernest Hemingway abgelegt hat, nachdem er einiges
nur allzu
Menschliches über diesen Heroen der us-amerikanischen
Literatur erfahren hatte.
Doch dann bat Paduras brasilianischer Verleger ihn, eine
Erzählung für die
Reihe "Literatur oder Tod" zu schreiben, in der jeweils ein
Schriftsteller im Mittelpunkt stehen sollte. Und so tritt El Conde in
diesem
Roman nochmals auf, um die Obsessionen und die Hassliebe seines
Schöpfers auf
Hemingway zu reflektieren.
Auf dem Grundstück der Finca Vigía, Hemingways
kubanischer Heimat, findet sich
unter dem ehemaligen
Hahnenkampfplatz die Leiche eines Unbekannten, die
dort
schon seit etwa 40 Jahren zu liegen scheint. Der Leichnam weist zwei
Einschusswunden auf. Da die Polizei sich Sorgen macht, wie sich dieser
Fund auf
den Tourismus Kubas in Verbindung mit Hemingway auswirken
könnte - und auf das
Ansehen der Inselrepublik allgemein - bittet ein ehemaliger Kollege El
Conde,
der nun sein Leben als angehender Autor und amtierender Antiquar
fristet, sich
der Sache anzunehmen. Diskret natürlich.
Und so beginnt El Condes Wiedereinstieg in das Leben eines Mannes, den
er als
kleiner Junge einmal am Hafen gesehen hatte und den er seitdem lange
bewunderte,
bis er so viel über ihn erfahren hatte, dass er ihn eher zu
verachten begann.
Nun, mit dem inoffiziellen Auftrag der Polizei, beginnt er ernsthaft in
Hemingways Leben einzutauchen und trifft die wenigen
Überlebenden, die es auf
Kuba noch gibt, die mit dem "Alten Mann" direkt zu tun gehabt hatten,
und erfährt so vieles, das ihm neu ist. Auch nähert
er sich der Person
Hemingways immer mehr an.
Diese Annäherung wird auch durch die Zeitstruktur des Romans
stark unterstützt,
durch die Reminiszenzen aus Hemingways Leben und die Ermittlungen El
Condes
immer wieder miteinander verschmelzen und auch die beiden Figuren
einander immer
ähnlicher werden. Was die beiden Autoren - den aufstrebenden
und den einst
nachlassenden - immer näher zueinander bringt und gerade den
Jüngeren seine
Auffassungen immer wieder hinterfragen lässt. Antworten gibt
dieses Buch dabei
nicht, stellt wohl aber Fragen, die sich jeder, der sich mit Hemingway
beschäftigt,
einmal stellen muss.
Seine eigenen Antworten gibt Padura zum Teil im Nachwort sowie in der
Vorbemerkung dieses Romans, und diese sind interessant, um davon
ausgehend
selbst weiter zu denken. Denn Hemingway war immer umstritten, doch man
sollte
schon selbst etwas finden, das einen an ihm stört - oder auch
nicht.
Wie immer ist Paduras Sprache sehr
maskulin-lyrisch, was gelegentlich ins Machistische abdriftet, aber die
Bildhaftigkeit der Sprache ist ebenso kraftvoll wie originell, so dass
man ihr
ihren Sexismus gerne verzeiht. Sicherlich ein erfreulicher Roman als
Reihenabschluss oder Reihenauftakt.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 07/2007)
Leonardo
Padura: "Adiós Hemingway"
(Originaltitel "Adiós Hemingway")
Aus dem kubanischen Spanisch von Hans-Joachim Hartstein.
Unionsverlag, 2006. 190 Seiten.
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