Sergio Olguín: "Die Traummannschaft"


Im Jahr der Fußballweltmeisterschaft wird "Die Traummannschaft" wohl nicht das einzige Buch bleiben, das im weitesten Sinn vom runden Leder handelt. Zu hoffen ist nur, dass die Fußballspiele in Deutschland in einer faireren und friedlicheren Atmosphäre stattfinden werden als die sportlichen Kämpfe der vorliegenden Geschichte.
Im Buch von Sergio Olguín geht außerdem vieles schief, wenn es um Fußball und Fußbälle geht. Vor allem, wenn es sich um Maradonas Ball handelt ...

Der größte Stolz des vierzehnjährigen Ariel sind drei Kilo Orangen. Ein Kilo kann schließlich jeder abwiegen, aber drei Kilo, das ist schon schwieriger ...
Wenn ein Kunde sein Lieblingsangebot haben will, nämlich die drei Kilo Orangen zu einem Peso, nimmt er eine große Plastiktüte, geht zur Kiste, packt die Tüte voll mit blassen Orangen, und trifft auf zehn Gramm genau die richtige Menge.
Ariel wohnt in Argentinien und feiert bei 38 Grad Celsius Weihnachten. Er geht in die neunte Klasse und arbeitet nach der Schule, wie auch in den Ferien, in dem Gemüseladen, der seinem Onkel Roberto gehört.
Als er an einem heißen Sommertag, nach Ladenschluss, Patricia, ein Mädchen gleichen Alters, kennen lernt, ändert sich viel in seinem Leben.
Er trifft sich regelmäßig mit ihr, und dass Patricia ausgerechnet in Villa Fiorito wohnt, stört ihn eigentlich nicht.
Villa Fiorito nennt sich ein armes Viertel, welches niemand betritt, der nicht dort zu Hause ist. Die Angst, feindselig angestarrt zu werden, oder von irgendwelchen kräftigen Typen beklaut oder verprügelt zu werden, weckt kaum Lust, die Grenze dorthin zu überschreiten. Die Bewohner dieses Ortes mögen denn auch keine Besucher aus der Außenwelt.
Ariel hat deshalb bis dahin noch nie einen Fuß in das berüchtigte Quartier gesetzt. Die Lage ändert sich dramatisch, als er von Patricia erfährt, dass ihr Vater einen kleinen Lederfußball besitzt, mit dem der begnadete Diego Maradona als Kind gespielt hat. Dieser Ball könnte der Familie Millionen einbringen, aber es sind zu viele persönliche Erinnerungen mit ihm verknüpft, um ihn zu verkaufen.
Als eben dieser Fußball geklaut wird, und Ariel seiner Freundin verspricht, ihn zurückzuerobern, hat er keine Chance mehr, Villa Fiorito weiterhin zu meiden. Denn ausgerechnet im berüchtigten Viertel befindet sich das gesuchte Objekt, und zwar genau in jenem Teil, in welchem die Gardelitos leben, die gefährlichsten und unerschrockensten Menschen, die Patricia kennt!
Ariel kann zwar auf seine Freunde zählen, trotzdem wartet keine einfache Aufgabe auf ihn, im Gegenteil ...

Der Autor Sergio Olguín wurde 1967 in Buenos Aires geboren, wo er auch heute lebt. Er studierte Literatur und arbeitet neben seiner Schriftstellertätigkeit als Journalist. "Die Traummannschaft" ist sein dritter Roman und wurde bereits in mehrere Sprachen übersetzt.

Der unterhaltsame Schreibstil Sergio Olguíns fesselt den Leser, und man lernt zusammen mit Ariel und seinen Freunden eine wirklich neue Welt kennen, eine voller Überraschungen und Gefahren.
Mehr als die Hälfte der Geschichte spielt in Fiorito, einem höchst faszinierenden und packenden Ort.
Es wirkt befremdend, wenn man erfährt, wie Polizisten drohen, klauen und schlagen. Und wenn man über ein Fußballspiel liest, bei dem der Schiedsrichter parteiisch ist, und sich die Siegermannschaft noch vor dem Abpfiff davon machen muss, vor Angst, von den Fans oder gar den Polizisten verfolgt zu werden, dann wird man als Leser hautnah in eine ganz andere Welt versetzt.
Ab und zu ist es schwierig und spannend zugleich, sich die atemberaubenden Ereignisse vorzustellen. Wer gedanklich nicht gerne ferne Länder bereist und in fremde Kulturen abtaucht, dem sei dieses Buch nicht empfohlen. Wer jedoch erfahren möchte, wie es ist, im Sommer Weihnachten zu feiern, und was geschieht, wenn in einem Fußballspiel Kinder gemischter Altersklassen gegen eine Polizeimannschaft auftreten, wird an der bisweilen witzigen Geschichte großen Spaß haben.

(Sharon Eva Kesper; 02/2006)


Sergio Olguín: "Die Traummannschaft"
Übersetzt von Matthias Strobel.
Suhrkamp, 2006. 182 Seiten.
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Weiterer Buchtipp:

Hernán Rivera Letelier: "Der Traumkicker"
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