Hans Rauscher (Hrsg.): "Das Buch Österreich"
Texte, die man kennen muss
Wenn sich ein Werk "Das Buch
Österreich" nennt, dann ist das - zumindest hierzulande - ein Titel, der
Großes erwarten lässt.
Kann es einem einzelnen Buch gelingen, einen übersichtlichen und umfassend
wirkenden Abriss der österreichischen Literatur zu geben?! Nun, Herausgeber
Hans Rauscher geht noch weiter. Er spricht von der Suche nach der österreichischen
Identität, die ein gutes Ende genommen habe. Und auf die Frage, was genau die
österreichische Identität sei, versucht er mit dem "Buch Österreich"
eine Antwort zu geben.
Das Buch gliedert sich in 10 Kapitel, angeführt von einem Vorwort des
Herausgebers. Das erste - "Die Ambivalenz als Konstante" - ein schöner
Einstieg, der gleich mit dem "Lob auf Österreich" von Franz
Grillparzer beginnt.
Die Kapitel 2 bis 10 beinhalten verschiedenste Texte und Schriftstücke, die
allesamt einen engen Konnex zu Österreich aufweisen können. Abweichend vom
Einleitungskapitel, sind die Kapitel 2 bis 10 chronologisch aufeinander folgend
aufgebaut. Jedes behandelt eine andere wichtige Epoche aus der österreichischen
Geschichte. Wichtig ist dabei, dass es sich bei dem "Buch Österreich"
um keine Chronik handelt, die einen durchgehenden historischen Querschnitt
bieten soll. Dargereicht wird viel mehr ein erlesenes Potpourri ausgewählter
Texte aus der jeweiligen Zeit.
Eine kurze Inhaltsangabe soll den Leser an dieser Stelle auf das zu erwartende
Lesevergnügen einstellen:
Kapitel 2 befasst sich mit der
Römerzeit,
Grenzmark der Babenberger, Blüte des Minnelieds, Rudolf von Habsburg, A.E.I.O.U..
Das dritte Kapitel setzt fort mit der Gegenreformation, den Bauernaufständen,
Pest, Türkengefahr, Blüte des Barock, Aufklärung. Kapitel 4 enthält Texte vom
Kaisertum Österreich, dem
Wiener Kongress, dem Metternichschen System, Raimund,
Nestroy,
Stifter,
Grillparzer und Revolution 1848. Es folgt Kapitel 5 mit der Restauration, Königgrätz,
Doppelmonarchie,
Kronprinz Rudolf,
Sisi, Donauwalzer, Bündnis mit Deutschland,
den Wienerberger Ziegelarbeitern und dem Waldbauernbub. Von der Spätzeit
Franz
Josephs bis zum Ende des Ersten Weltkriegs erzählt Kapitel 6. Kapitel 7
stammt aus der Zeit der Republiksgründung bis zum Anschluss. Vom Anschluss bis
zum Kriegsende führt uns Kapitel 8. Das vorletzte Kapitel mit der Nummer 9 enthält
die Hungerjahre, den Wiederaufbau, Besatzung und Staatsvertrag. Abschließend
findet sich in Kapitel 10 Prosperität, Restauration und Revolte in der Kultur,
Kreisky, Waldheim, Identitätsdebatte, Fall des Eisernen Vorhangs und EU-Beitritt.
Allein schon diese Überschriften geben eine gute Zusammenschau des Inhalts und
lassen Fragmente der einen oder anderen Geschichtsstunde in der Mittelschule vor
dem geistigen Auge aufblitzen.
Mir persönlich hat besonders gefallen, dass zu jedem enthaltenen Text vorab
eine mehr oder weniger umfangreiche Erläuterung gegeben wird, die oftmals den
historischen Hintergrund oder wissenswerte Angaben zu Autor oder Text in
knapper, aber sehr informativer Form feilbieten. Ganz besonders gut gefielen -
das mag eine eigene Vorliebe sein - die älteren Texte, wie zum Beispiel das
Privilegium minus. An dieser Stelle muss aber gesagt werden, dass in dem Buch
lediglich der Text, nicht aber eine Abbildung der antiken Dokumente enthalten
ist. Wer diesbezüglich interessiert ist, dem bleiben weitere Recherchen nicht
aus.
Wegen des umfangreichen Inhaltes ist es natürlich nicht möglich, alle Texte
zu erwähnen. Gesagt muss aber werden, dass das Who is Who der österreichischen
Literatur enthalten ist. Egal ob Canetti,
Stifter, Celan,
Hofmannsthal,
Trakl oder
Jandl.
Diese Namen sind nur stellvertretend und nicht wertend angeführt. Egal wen man
sucht, man wird fast immer fündig. Auch Christine
Nöstlinger steuerte ein Werk bei. Nicht vergessen wurde selbstverständlich
die frischgebackene österreichische Literaturnobelpreisträgerin
Elfriede
Jelinek.
Neben Literaten gibt es natürlich auch Texte von Politikern, etwa Alois Mock,
Rudolf Kirchschläger, Bruno Kreisky, aber auch umstrittenere wie etwa Engelbert
Dollfuß bis hin zu
Adolf Hitler. Finden
kann man auch Texte von anderen Künstlern, Schauspielern, Klerikern und vielen
Anderen.
Nicht unerwähnt bleiben sollte,
dass auch etwas aus der EU-Verfassung enthalten ist. In Anbetracht der jetzigen
Situation in der EU kann man diesen Text als eher überholt betrachten. Dennoch
erscheinen mir die dargestellte Präambel, Werte und Ziele der EU zumindest
lesenswert.
Mit einem würdigen Schlusswort trägt Bundespräsident Heinz Fischer seinen
Teil zum Gelingen des Werkes bei.
Ingesamt kann man gut 600 Seiten geschichtsträchtige Texte konsumieren, bis man
Fischers Zeilen gelesen hat. Sicher keine Zeitverschwendung, sondern Geschichte
und österreichische Identität einmal aus einem etwas anderen Blickwinkel
betrachtet. Ein Buch, das in keinem österreichischen Haushalt fehlen sollte und
immer wieder zum Nachschlagen geeignet ist. Man kann es aber auch in die Hand
nehmen und einfach ein wenig darin blättern und die erfrischende Vielfalt des
Lesestoffs zum Schmökern verwenden. Kann gut sein, dass ein Autor oder Künstler
besonders hervorsticht und man sich eingehender mit seinem Werk beschäftigen möchte.
Mir jedenfalls ging es so.
(MagMaMa; 07/2005)
Hans Rauscher (Hrsg.): "Das Buch
Österreich"
Brandstätter, 2005. 608 Seiten.
ISBN 3-85498-391-3.
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Noch zwei Buchtipps:
"Was für Zeiten. O Jubel, O Freud! - Schatten und Schimären eines Jubeljahres"
2005 - ein Jubeljahr der Zweiten Republik: 60 Jahre Kriegsende und 50 Jahre
Staatsvertrag und Neutralität. Die Regierung scheute weder Mühen noch Mittel,
dieses Jahr zum seriellen Fest zu machen. "Was für Zeiten" möchte auch die Schattenseiten
erhellen und sich von den Sonnseiten nicht blenden lassen. Prominente Autoren
stellen sich ins Rampenlicht, nachdem sie auch einen Blick hinter die Kulissen
geworfen haben.
Mit Beiträgen von Gabriele Anderl über jüdische Rückwanderung aus Shanghai in
den 50er Jahren, Siegfried Beer über den dritten Mann,
James Bond et al. in Österreich,
Thomas
Glavinic über das kulinarische Österreich, Meinrad Handstanger zum Thema
Neutralität, Evelyne Jacquelin über die Sicht Frankreichs auf Österreich, Norbert
Mayer über den geistig-kulturellen Zustand der Signatarmächte in den 50er Jahren,
Daniela Strigl über österreichische Literaten und ihr Land, Maria Woodhams über
tschechisch-österreichische Beziehungen u. a. (Edition Gutenberg)
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Verlagsgemeinschaft Österreich Lexikon, Ernst Bruckmüller (Hrsg.): "Österreich Lexikon" zur Rezension ...