Edgar Noske: "Der sechste Tag"

Ein Kriminalroman aus dem Mittelalter


Im Jahr 854 ist Kaiser Lothar mit seinem Leben nicht gerade zufrieden. Sein Reich quietscht und wackelt an allen Ecken und Enden, seine Söhne sorgen dafür, dass er sich wie König Lear fühlen darf, im Norden sind die Normannen und im Süden die "Muselmanen", die in Spanien festsitzen und ein begehrliches Auge in Richtung Nordsee werfen. So wendet er seinen Blick hin und her, um die Situation zu verbessern, während er auch in seinen eigenen Reihen immer mehr Gegner heranzüchtet.

Der Emir von Spanien hat allerdings seinen höchstpersönlichen Plan, um die Expansion seiner Einflusssphäre nach Norden voranzutreiben und dabei verlässt er sich nicht - wie in früheren Jahren - auf militärische Stärke und Taktik. Nein, sein Plan ist wesentlich perfider und soll die Welt der Christenheit in ihren Grundfesten erschüttern. So setzt er geheime Mechanismen in Gang, um genau dieses zu betreiben.

Ein verdienter, zudem überaus anständiger Adliger namens Gernot musste fassungslos beobachten, wie in der Vorbereitung einer Schlacht fast alle Kämpfer auf seiner Seite gegen Bestechung zum Feind übergelaufen ist und befindet sich nun auf der Flucht in heimatliche Gefilde, um dort seine schwangere Frau abzuholen, die ihn auf Anraten seines Lehnherren nach Spanien begleiten soll, wo die beiden unter dem Schutz des dortigen Emirs zunächst sicher sein würden. Aber Gernot kommt zu spät und muss - nun verwitwet - die Reise alleine antreten. In Cordoba zieht er eine sehr erfolgreiche Schwertkampfschule auf, bis ihn ebendort Nachrichten über Lothar - den Mörder seiner Familie - erreichen und er seinen Rachdurst nicht mehr zu unterdrücken vermag. Um auf der Seite König Ludwigs gegen dessen Halbbruder zu kämpfen, kehrt er in Begleitung eines maurischen Händlers in die deutschen Länder zurück, wo sich in der Zwischenzeit einiges verändert hat, und er sogar in familiärer Hinsicht einige regelrecht unerwartete Überraschungen erlebt.

Zusammen mit einem alten Lehrer macht er sich zunächst an die militärische Unterstützung Ludwigs, die auch durchaus Früchte trägt. Aber das Ergebnis ist dann nicht unbedingt das, was er sich erhofft hatte und er muss - als aufrechter Mann in einer Welt voller Intrigen - wieder einmal die deutschen Länder Richtung Spanien verlassen. Von dort darf er jedoch nach einer Gnadenfrist wieder zurückkehren, um eine neue Familie zu gründen. Doch es kann ein ehrlicher und aufrechter Mann nicht in Frieden ruhen, wenn um ihn herum alles voller Missgunst ist, und so führt ein sehr verlockendes Angebot für seinen Sohn Gernot nach Rom, wo er wieder in die Intrigen zwischen Lothar und Ludwig - und in eine noch wesentlich weitreichendere Verschwörung - hinein gezogen wird.

Sehr gut recherchiert - wenn auch als Erzählung nicht übermäßig historisch akkurat - ist Edgar Noskes "Der sechste Tag" nichtsdestotrotz eine überzeugende Darstellung der politischen und gesellschaftlichen Zustände im Europa des 9. Jahrhunderts. Nicht unbedingt ein Kriminalroman, wie es der Klappentext andeutet, aber ein guter historischer Roman.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 12/2005)


Edgar Noske: "Der sechste Tag"
Emons Verlag, 2005. 255 Seiten.
ISBN 3-89705-394-2.
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