Ingo Hasselbach, Winfried Bonengel: "Die Abrechnung"

Ein Neonazi steigt aus


Der ehemalige deutsche Neonazi Ingo Hasselbach hat schon anno 1993, unmittelbar nach seinem Ausstieg aus der rechten Szene, seine ganz persönliche Vergangenheitsbewältigung veröffentlicht. Hasselbach ist in der ehemaligen DDR geboren, fühlte sich in seiner Familie ungeborgen und suchte nach Vertrautheit außerhalb des ungeliebten Zuhauses. Zunächst fühlte er sich Hippiegruppierungen nahe, dann der Punkszene, und schließlich fand er zur immer stärker werdenden Neonazibewegung.

In Form eines Briefes an seinen ihm unbekannten Vater zeichnet der Autor seine Lebensgeschichte auf. Hass und Gewalt ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Jahre als rechtsradikaler Jugendlicher. Die zumeist trostlosen Schicksale des Autors und seiner "Kollegen" prädestinieren sie geradezu, ihren traurigen Weg als Mitglieder einer menschenverachtenden Gruppe zu gehen. Innerhalb der Neonaziszene finden sie vermeintliche Anerkennung, Schutz, Freundschaft und Geborgenheit. Und für eine scheinbar funktionierende, tolerante Gesellschaft bietet die Existenz dieser Gruppierungen die Möglichkeit, unterdrückten Hass und Frust bequem auf diese zu projizieren.

Hasselbach betont, dass es ohne Hilfe von außen für potenzielle Aussteiger schwer möglich ist, die Neonazibewegung zu verlassen. Der Autor selbst hatte Glück. Ihm stand der Co-Autor dieses Buches zur Seite. Nach seinem unwiderruflichen Entschluss gestaltete sich sein Weg hindernisreich. Hasselbach wird von den "Verlassenen" bedroht, ihn holte außerdem in Form von Gerichtsverhandlungen seine Vergangenheit ein.
In dieser ergänzten Neuauflage seines Buches schildert er seine Erlebnisse seit dem Jahr 1993 und beschreibt die aktuelle Lage der neonazistischen Parteien in Deutschland.

(ama; 03/2001)


Ingo Hasselbach, Winfried Bonengel: "Die Abrechnung. Ein Neonazi steigt aus"
Aufbau, 2001. 189 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen

Weitere Buchtipps:

Olaf Sundermeyer: "Rechter Terror in Deutschland"

Dieses Buch bietet eine Anatomie des Terrors von rechts seit der Wiedervereinigung. Es seziert rechtsterroristische Anschläge ebenso wie den täglichen Psychoterror gegen Andersdenkende, Angriffe auf Moslems, Roma und Juden. Es kommen Opfer und Täter rechter Gewalt zu Wort. Politiker, Polizisten und Richter tragen zum Erkenntnisgewinn bei in Gesprächen und Fallanalysen, die das Phänomen der rechten Gewalt durchdringen. Von den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda bis zu den Attentaten der Zwickauer Terrorzelle.
Der Journalist und Experte für Rechtsextremismus Olaf Sundermeyer zeigt, dass der rechte Terror seit Wendetagen ein deutsch-deutsches Problem ist und beschreibt, wie hilflos der Staat und die Gesellschaft ihm bisher gegenüberstanden. Gleichzeitig bettet er die deutsche Szene in das europäische Netzwerk brutaler Rassisten ein, die von einer neuen Endlösung für Nicht-Weiße träumen, und in dem sich die deutschen Aktivisten bewegen. (C.H. Beck)
Buch bei amazon.de bestellen

Toralf Staud, Johannes Radke: "Neue Nazis. Jenseits der NPD: Populisten, Autonome Nationalisten und der Terror von rechts"
Trotz des Auffliegens der "NSU"-Terrorzelle wird die Gefahr weiter unterschätzt: Die extreme Rechte in Deutschland hat sich zugleich radikalisiert und verbürgerlicht - und die emsige Verbotsdiskussion um die NPD lenkt die Aufmerksamkeit in die falsche Richtung. Mit den "Autonomen Nationalisten" (AN) ist eine junge und äußerst gewaltbereite Neonazi-Strömung entstanden. Sie kopiert den popkulturellen Stil der Linksautonomen und bietet Aktion, wirkt anziehend auf Jugendliche. Dazu trägt auch die rechte Musikszene bei. Anhänger der AN sind mehrfach mit Vorbereitungen zu Terroranschlägen aufgeflogen. Am gemäßigten Rand der Szene erstarkten die Rechtspopulisten. Gruppen wie "Pro Deutschland" und "Die Freiheit" versuchen mit islamophoben Inhalten an nationalkonservative und bürgerliche Positionen anzuknüpfen. Zwischen diesen Polen wird die früher dominierende NPD womöglich zerrieben. (Kiepenheuer & Witsch)
Buch bei amazon.de bestellen

Christian Fuchs, John Goetz: "Die Zelle. Rechter Terror in Deutschland"
Dieses Buch erzählt die Geschichte der Zwickauer Terrorzelle, die sich "Nationalsozialistischer Untergrund" nannte. Es rückt ganz nah heran an die Biografien von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe.
Die Autoren beschreiben, wie aus drei Mittelschichtskindern rechtsextreme Terroristen werden konnten, die über ein Jahrzehnt lang mordeten und im Untergrund lebten - ohne gefasst zu werden. In einer detailreichen Reportage schildern sie in beklemmenden Nahaufnahmen, wie die drei Extremisten ihre Taten verübten, wer ihnen half und wie sie ihren Alltag organisierten.
Parallel zur Geschichte der Zwickauer Terrorzelle beschreibt das Buch das gesellschaftliche Klima in Deutschland nach der Wende, in dem sich das Trio radikalisierte. Es zeigt auf, welche Umstände dazu führten, dass über ein halbes Jahrhundert nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder solch brutaler Terror von rechts gedeihen konnte. (Rowohlt)
Buch bei amazon.de bestellen