Johannes Willms: "Napoleon"
Eine Biografie
Ein Genie, auf das die Welt
gut und gerne hätte verzichten können
Der Autor, Johannes Willms, ist Historiker und Kulturkorrespondent der "Süddeutschen
Zeitung" in Paris. Er hat vielbeachtete Werke zur deutschen und französischen
Geschichte vorgelegt, darunter "Nationalismus ohne Nation. Deutsche
Geschichte 1789-1914" und "Paris. Hauptstadt Europas 1800-1914".
Der Autor zeichnet auf fast 700 Seiten das Porträt eines Mannes, der im neueren
Westeuropa politische Spuren hinterließ, denen man heute noch begegnen kann.
Auch Rousseau prägte Europa politisch und Kant natürlich, aber diese mit Geist
und Ideen und jener mit Größenwahn und brachialer Gewalt.
1769 feierte Lessing seinen vierzigsten Geburtstag in Hamburg am Deutschen Nationaltheater,
Schubart seinen dreißigsten in
Ludwigsburg, Goethe bandelte eben 20-jährig in Straßburg mit Friederike Brion
an, und Schiller saß im zarten Alter von
zehn Jahren auf den harten Bänken einer Lateinschule, ebenfalls in Ludwigsburg.
Voltaire beging seinen 75. Geburtstag auf seinem Landgut in der Nähe von Genf.
Und auf Korsika wurde Napoléon Bonaparte geboren, als zweiter Sohn einer
kinderreichen Familie. Ein königliches Stipendium brachte ihn auf eine französische
Militärakademie. Hochbegabt und außerordentlich fleißig nutzte er diese Zeit
und verschaffte sich ein vergleichsweise hohes Wissen der Ars Militaria und
ihrer Randthemen. Als 1789 unsere Dichter wieder einen runden Geburtstag zu
feiern hatten, begann die Französische Revolution, auf deren Wellenkämmen sich
Bonaparte in den Generalsrang tragen ließ. Er war ein Meister im Ausnutzen von
persönlichen und militärischen Chancen, mit einer erschreckenden Rücksichtslosigkeit,
doch ohne ein Gespür für politische Gelegenheiten. Er paktierte mit
Robespierre, dem korrupten Direktorium und definierte sich ausschließlich über
seine militärischen Erfolge. Dort, wo ihn das Kriegsglück verließ, setzte
seine Dichtkunst ein und produzierte die Siege. Als Parvenü ohne Herkunft, ohne
Adel, definierte er sich einzig über militärische Siege, zwanghaft überfiel
er Nachbarn und Ägypter. Wo er siegte, plünderte er das Land rücksichtslos
aus und setzte reihenweise Familienmitglieder auf fremde Throne. Er wird erster
Konsul, dann Kaiser der Franzosen, doch er war ständig in den Stiefeln, in der
Tradition Alexanders, der Cäsaren, Friedrichs II. Viele politische Chancen auf
Frieden schlug er aus und setzte einzig auf die Karte Krieg, und so kommt Europa
bis 1815 auch nicht zur Ruhe. Doch
sein Russlandfeldzug wird ihm zum Verhängnis
und er landet 1814 auf Elba. Doch schon im nächsten Jahr taucht er wieder auf
und nähert sich unbelehrt weil unbelehrbar Waterloo, seinem Waterloo. Die Engländer
hatten inzwischen dazu gelernt und verfrachteten ihn final auf die Insel Saint
Helena, wo er bis zu seinem Tode an seiner Legende arbeitet.
Im Todesjahr Bonapartes, 1821, kommen Charles Baudelaire und
Gustave Flaubert zur
Welt, und die Menschheit atmet wieder auf bis - 120 Jahre nach Bonaparte und
100 Jahre nach der Französischen Revolution - in Österreich wieder jemand
die Bühne betritt, auf den die Welt ebenfalls gut hätte verzichten können.
Bonaparte war ein Monstrum. Ein paar Nummern kleiner würde er heute als nicht
therapierbarer Gewalttäter in einer geschlossenen Anstalt weggesperrt. Doch in
seiner Ursprungsgröße wurde er hofiert und später mit einer großzügigen
Rente aufs Altenteil gesetzt, mit etlichen Dienern, einem Koch, einem Arzt und
einigen Privatsekretären. Dem eingangs erwähnten Schubart erging es da unter
Carl Eugen wesentlich schlechter.
Fazit:
Faktenreich, umfassend und eng fokussiert kommt dieses Buch daher, doch
destillieren muss man sich den Napoléon selbst. Wünschte man sich solide
Informationen über den Einfluss Napoléons in Deutschland, etwa in Bayern oder
der Pfalz, so sieht man sich enttäuscht. Das Buch endet auch mit dem Tod Napoléons,
sein Neffe und späterer Nachfolger Napoléon III. ist nur angedeutet.
Sprachlich ist eine gewisse Eitelkeit zu attestieren, die den Leser oft zu einem
guten Fremdwörterbuch treibt.
(Klaus Prinz; 05/2005)
Johannes Willms: "Napoleon"
C.H. Beck, 2005. 840 Seiten.
Mit 21 Karten (26 Teilkarten) und 36 Abbildungen, 109 Seiten Anmerkungen,
Abbildungsverzeichnis und Personenregister, 2 Lesebändchen.
ISBN 3-406-52956-9.
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