Franz Herre: "Napoleon Bonaparte"

Wegbereiter des Jahrhunderts

"Die großen Menschen gleichen Meteoren, dazu bestimmt, sich selbst verzehrend zu verbrennen, um ihr Jahrhundert zu erleuchten."

(Napoleon Bonaparte)


"Napoleon Bonaparte. Wegbereiter des Jahrhunderts" ist eine ebenso kritische wie lebhafte Biografie jenes korsischen Militärs, der in Zeiten revolutionärer Wirren (nach 1789) den Aufstieg in hohe militärische und politische Ämter schafft, Frankreich vor seinen äußeren wie inneren Feinden bewahrt, der Anarchie im Lande ein Ende setzt, zum Kaiser der Franzosen gekürt wird, das Licht der Aufklärung und die Idee der bürgerlichen Emanzipation in Europa verbreitet und als selbstherrlicher Despot zusehends Verrat an seinen eigenen Idealen begeht.

Mit gewohnter Raffinesse zeichnet Franz Herre das Bild eines genialen Menschen, der, ohne adeliger Herkunft zu sein, die Kaiserwürde usurpiert, um schlussendlich am selbstgesetzten Anspruch fantastischer Übermenschlichkeit zu scheitern. Es wäre verfehlt diesen Machtmenschen ob seiner fortschrittlichen Ideen und seines ausnehmenden Naturells wegen zu verherrlichen, und Franz Herre meidet auch jede verklärende Attitüde, erzählt und beschreibt aus der Distanz, widersteht der ebenso bequemen wie populären Versuchung, huldigende Mythen des Bonapartismus mit dem mühseligen Handwerk historischer Betrachtung zu vermengen.

Gewiss, Napoleon war ein großer Mann, der erste Bürger, welcher kraft seines Leistungsvermögens eine Herrscherwürde erlangte, die zuvorderst noch allein Angehörigen des hochwohlgeborenen Standes vorbehalten war, doch genauso gärte in ihm der kleine Mann, welcher, obgleich mit der revolutionären Parole von Gleichheit und Brüderlichkeit aufgewachsen, zwanghaft danach trachtete, eine Herrscherdynastie zu begründen, der es gestattet sei, mit Habsburgern und Romanows an einem Tisch zu dinieren. Was ihn letztlich also wieder niedrig machte, war seine sklavische Ausrichtung am Weltbild der Aristokratie, die er in Frankreich und in Teilen Europas entmachtete um einen neuadeligen Stand von minderer Noblesse an ihre Stelle zu setzen, der in hilfloser Gebärde den Stil der Abgesetzten nachäffte, ohne doch deren Glorie zu erreichen. Nach seinem Sturz (1815) verblieb es dem nach Sankt Helena verbannten Franzosenkaiser gerade noch an seinem Nachruhm zu arbeiten, zu dem Zweck längst verschüttete Ideale aus der Versenkung gezerrt wurden.

Napoleon mutierte im selbst verfassten Rückblick sowie in der Darstellung seiner Gefolgsleute vom Empereur zum gütigen Landesvater der Franzosen und zum Lichtbringer europäischer Völkerschaften, eine Zurechtfälschung von Geschichte, der Herre zwar nicht aufsitzt, doch welcher er, als legitimem Versuch den tiefen Fall in eine Auferstehung zu wenden, seine Referenz erweist.

(Tasso; 07/2003)


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