Lars Mytting: "Fyksens Tankstelle"
Erik
Fyksen ist ein junger Mann von vierunddreißig Jahren und lebt
in einem kleinen Dorf im Norden Norwegens, in einem rauen,
dünn besiedelten Landstrich. Die Uhren gehen dort noch nach
einem anderen Takt. Doch die moderne Welt, ihre Effizienzideologie,
ihre angebliche Kundenorientierung, ihr Marktdenken und
Gewinnstreben
macht vor diesen letzten Enklaven einer in vielen Dingen noch intakten
Ökologie nicht halt und ruht nicht eher, bis sie sich die
letzten "unökonomischen" Stücke der Welt auch noch
einverleibt hat.
"Fyksens Tankstelle" erzählt von einem solchen Prozess in
einer nachdenklichen, dennoch humorvollen und unterhaltsamen Weise,
ohne nostalgisch zu sein.
Seit seinem 17. Lebensjahr führt Erik Fyksen nun diese
Tankstelle,
und er macht es gerne. Sein Hobby sind die alten amerikanischen Autos,
für die er alle möglichen Ersatzteile auf Lager
hält. Er ist ein Autogenie, der ganze Nächte unter
den Autos verbringt, die ihm zur Reparatur gebracht werden. Erst recht
seit Tora, seine erste große Liebe, Tochter seines Freundes,
des Schrottplatzbesitzers, ihn anscheinend zugunsten seines
Intimfeindes und alten Rivalen Harald verschmäht hat. Er kann
sie nicht vergessen und stürzt sich in seine Arbeit. Tor-Arne,
ein guter Freund, hilft ihm dabei und spielt selbst immer waghalsiger
mit verschiedenen Autozubehörteilen, die ihn später
das Leben kosten.
Wohl bemerkt: Erik ist zufrieden damit, es bereitet ihm große
Befriedigung, anderen dabei zu helfen, ihre Fahrzeuge wieder in Gang zu
setzen und sie in Schuss zu halten. Reich wird er dabei nicht, aber das
stört ihn nicht. Seine Bücherregale sind vollbepackt
mit Handbüchern von Hunderten alter und neuerer Fahrzeuge.
Seine Freundin Elise bleibt so lange bei ihm, bis sie, als Designerin
hochbegabt, die Tankstelle so auf den Stil der 50er-Jahre getrimmt hat,
wie sie es sich vorgestellt hat. Aber dort leben will sie nicht und
verlässt Erik. Der zieht sich fortan nur noch mehr in seine
Tankstelle und unter seine Autos zurück.
Als eines Tages Pläne bekannt werden, dass eine
Umgehungsstraße gebaut werden soll, die Fyksens Tankstelle
ins Abseits stellen würde, fängt Erik an zu
verhandeln.
So, wie Lars Mytting diese Verhandlungen schildert, schreibt er eine
Parabel, wie die Modernisierung alte Lebenswelten platt walzt. Er tut
es nicht ohne Humor, und am Ende des Buches ist auch nicht alles
zerstört, sondern zerbrochen Geglaubtes findet wieder zusammen.
Leser, die wie der Rezensent keine Ahnung von Autos und ihren Teilen
haben, sollten sich nicht abhalten lassen von der Lektüre
dieses schönen, witzigen und auch etwas sentimentalen Buches.
Es ist nicht nur ein Buch für Männer, wie es in
Norwegen gehandelt und besprochen wurde. Es ist ein Buch
darüber, wie sich Menschen gegen eine Modernisierung zur Wehr
setzen, die ihnen den Lebenssinn raubt.
Als ich letzte Woche bei unserem Elektroladen im Ort eine
große Taschenlampe von der Reparatur abholte, und der
Eigentümer sagte: "Ich habe lange gesucht, es war nur ein
lockerer Kontakt, die Birne ist in Ordnung, lassen Sie es mal gut
sein", da wusste ich: Erik Fyksen lebt auch in meinem Ort. Gut zu
wissen, finde ich.
(Winfried Stanzick; 05/2007)
Lars
Mytting: "Fyksens Tankstelle"
(Originaltitel "Hestekrefter")
Aus dem Norwegischen von Günther Frauenlob.
Piper Nordiska, 2007. 280 Seiten.
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Lars
Mytting, geboren 1968, war jahrelang als Journalist tätig,
arbeitet heute als Verlagslektor und ist autodidaktischer
Jaguar-Mechaniker. Sein Debütroman "Fyksens Tankstelle" wurde
in allen großen Zeitungen und Zeitschriften
in Norwegen
hymnisch gelobt.
Lien zur Netzseite des Autors:
https://www.larsmytting.net/.