Hanns-Josef Ortheil: "Das Glück der Musik"
Vom Vergnügen, Mozart zu hören
Vergnügliches,
ganz auf die Musik Mozarts bezogenes Tagebuch
Eine Empfehlung Rossinis, jeden Tag eine oder zwei
Kompositionen Mozarts zu hören, brachte Hanns-Josef Ortheil
auf die Idee, dieses vergnügliche Buch zu schreiben, seine
Eindrücke, seine Gefühle und Gedanken zu Papier zu
bringen, die Mozarts Musik in ihm erwecken, sich dabei nicht in
analytischen Details zu verlieren, sondern sich mehr dem Emotionalen
der Musik hinzugeben. Ein Tagebuch der Höreindrücke
also, vermengt und ergänzt mit biografischen Notizen aus
Mozarts Leben, Auszügen aus seinen Briefen sowie
Erläuterungen zu den einzelnen Werken des Komponisten.
Über den Zeitraum eines Jahres hat der Autor sein
Hörexperiment durchgeführt, sich Tag für Tag
intensiv mit der Musik Mozarts beschäftigt, hat sie auf sich
wirken lassen, um dann anschließend seine dabei gewonnenen
Eindrücke zu notieren. Eine Auswahl aus diesen Notizen hat er
für das vorliegende Buch zusammengestellt.
Ortheil teilt seine Höreindrücke dabei in drei
Kategorien ein. Sie unterscheiden sich für ihn also, je
nachdem, ob er sich ganz den Klängen hingibt, im Musikzimmer
beispielsweise, hinter verschlossenen Türen und mit
geschlossenen Lidern, oder ob er die Klänge auf seine
gegenwärtige Umgebung bezieht als eine Art Hintergrund- oder
Filmmusik, oder ob in der dritten Kategorie die Musik für ihn
einen Erinnerungswert besitzt, sich auf Szenen aus seiner Kindheit, aus
seinem bisherigen Leben bezieht.
Die erste Art des Musikhörens, wo man also ganz in der Musik
aufgeht, sich allen anderen Sinneseindrücken
verschließt, ist sicher die intensivste und fruchtbarste
Auseinandersetzung mit dem Gehörten. Noch eindringlicher kann
man sich mit der Musik beschäftigen, sich in Mozarts Musik
vertiefen und sie verstehen lernen, wenn man sie selbst auf dem Klavier
spielt. Auch hierzu, zur Aufführungspraxis mozartscher
Klavierwerke hat der Autor einige Tipps parat für diejenigen,
die ein Klavier zu Hause haben und es zu spielen wissen.
Einer ganz persönlich gefärbten Beschreibung von
Mozarts Musik begegnen wir bei Ortheil, wenn sie mit biografischen, an
persönlichen Erlebnissen des Autors orientierten Momenten
verknüpft ist.
Oft jedoch hat die Musik in Ortheils Hörexperiment die
Funktion einer Hintergrund-, Begleit- oder Filmmusik. Der Film dazu,
das sind beispielsweise die aus dem fahrenden ICE heraus betrachteten,
vorbeihuschenden Landschaftsbilder. Ob also während einer
Bahnfahrt, ob während einer Fahrt mit der Gondel auf dem Canal
grande in
Venedig, oder ob während einer Fahrt mit der
Wuppertaler Schwebebahn; ob in einem Salzburger Kaffeehaus, im
Englischen Garten in München oder auf der Höhe des
Stuttgarter Birkenkopfs, stets gehen Bilder und Musik eine eigenartige
Symbiose ein, sie treten in Wechselbeziehung zueinander. Und
Hanns-Josef Ortheil fragt sich nicht nur: Wo höre ich die
Musik? Er fragt sich auch: Wie höre ich die Musik? Laut oder
leise? Allein oder in Gesellschaft? Oder: Wann höre ich am
besten diese ganz bestimmte Musik? Morgens, nachmittags oder abends?
Das für seine Leserinnen und Leser besonders Interessante an
Ortheils Experiment ist, dass sie es leicht nachvollziehen
können, ob nun mit Mozarts Musik oder mit der Musik eines
anderen Komponisten. Klaviersonaten Mozarts während einer
langen Autobahnfahrt zu hören, sei jedoch nicht zur Nachahmung
empfohlen. Unser musikbesessener Autor hat es getan und lässt
uns wissen, dass es sich bei diesen Sonaten um Musik handelt, die alles
Andere absorbiert und unbedingte Versenkung fordert. Und dazu soll man
sich dann im Straßenverkehr bewegen?!
Da erhebt sich gleich die grundsätzliche Frage, ob das
Hören über den Walkman Musik und Umgebung
zusammenführt, wie H. J. Ortheil behauptet. Für mich
persönlich muss ich die Frage klar verneinen. Ich werde
diejenigen Menschen nie verstehen, die mit einem Walkman durch die
Natur laufen, die den Gesang der Vögel, das sanfte Rauschen
der Blätter und all die feinen, subtilen Vibrationen, mit
denen die Natur auf uns einwirkt, nicht mehr wahrnehmen
können. Mit der gleichen Ausschließlichkeit und
Intensität möchte ich aber auch die Musik auf mich
einwirken lassen und durch nichts beim Hören abgelenkt werden.
"Was ich in Mozarts Musik wie in keiner anderen finde, ist schlicht
gesagt, das Glück der Musik, Mozarts Musik macht auf
befreiende Weise glücklich, mit keiner anderen ist so sehr
eine Vorstellung von allen nur denkbaren Facetten von Glück
und innerer Freiheit verbunden." Dieses Bekenntnis liefert uns H. J.
Ortheil in seinem neuen Buch. Und uns, den Lesern, dieses
Glück der Musik nahe zu bringen, das versteht der Autor
meisterhaft und dies zudem in einer blumigen, funkelnden, Mozarts Musik
in jeder Hinsicht angemessenen Sprache. Ein Lesevergnügen, das
auf ein Hörvergnügen vorbereiten und einstimmen will,
nicht nur für Mozart-Liebhaber.
(Werner Fletcher; 07/2006)
Hanns-Josef
Ortheil: "Das Glück der Musik"
Sammlung Luchterhand, 2006. 224 Seiten.
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Hanns-Josef
Ortheil wurde 1951 in Köln geboren. Er gehört zu den
bedeutenden deutschen Autoren der Gegenwart, sein Werk wurde mit vielen
Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem "Brandenburger Literaturpreis"
und dem "Thomas-Mann-Preis" der Hansestadt Lübeck. Er lehrt
als Professor für "Kreatives Schreiben" und Kulturjournalismus
an der Universität Hildesheim.
Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Mozart im Innern seiner Sprachen"
Hanns-Josef Ortheil hat
Mozarts
Briefe neu gelesen, und sein Essay ist
nicht nur eine Studie über Mozarts Sprachkunst, sondern auch
eine kunstvolle Erzählung, wie sich ein unvergleichbarer
Charakter durchzusetzen lernte.
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"Die geheimen Stunden
der Nacht"
Georg von Heuken ist schon fünfzig, als er endlich, nachdem er
seit Jahren von diesem Wechsel geträumt hat, die Verlage
seines Vaters übernehmen kann. Die nach dem Krieg
unbekümmert ihren Erfolg suchende Generation tritt ab und
macht widerstrebend Platz. In bewundernswert genauen und ironisch
geschliffenen Bildern hat Ortheil diesen Gesellschaftsroman von enormer
Dichte geschrieben, hinter dessen Kulissen sich auch eine
Liebesgeschichte ereignet.
An einem Montagmorgen erhält Georg von Heuken die Nachricht
vom zweiten Herzinfarkt seines Vaters, des Großverlegers
Reinhard von Heuken. Damit beginnt für ihn, den
ältesten Sohn einer alten rheinischen Unternehmer-Dynastie,
der Kampf um die Nachfolge und das Erbe des Vaters, der im Krankenhaus
liegt und sich an den laufenden Geschäften nicht mehr
beteiligen kann.
Zum einen hat er es dabei mit seiner Schwester und einem
jüngeren Bruder zu tun, die ebenfalls als Verleger im
Familienunternehmen tätig sind, zum anderen mit einem
gefeierten Autor, einer Agentin, einem Lektor und einem Biografen des
Vaters, die den Kampf um die Nachfolge allesamt argwöhnisch
verfolgen und mit ihren jeweils eigenen Mitteln versuchen, auf sein
Ergebnis Einfluss zu nehmen. Schritt für Schritt arbeitet von
Heuken daran, Terrain zu gewinnen, während er unmerklich immer
mehr den Wegen und dem Zauber seines übermächtigen
Vaters folgt, der in den letzten Jahren vor dem Infarkt ein verborgen
gehaltenes nächtliches Zweitleben in einer Suite des
Kölner Dom-Hotels führte. Um die Rätsel
dieser geheimen Stunden zu erkunden, quartiert sich von Heuken in der
Suite ein und entdeckt in sich allmählich Fertigkeiten und
Leidenschaften, von denen er sich zuvor nicht einmal hätte
träumen lassen, dass sie in ihm schlummern könnten.
Hanns-Josef Ortheils Roman ist nicht nur ein weit ausholender, virtuos
in die Vergangenheit zurückblendender Familienroman, sondern
auch das faszinierend aktuelle Panorama unserer Gesellschaft zu Beginn
des 21. Jahrhunderts, vor dessen Hintergrund und im Verborgenen der
neue Verleger auch in eine
Liebesgeschichte hineingezogen wird - zu
seinem großen Glück. (Luchterhand)
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"Abschied
von den Kriegsteilnehmern"
Mit Elementen seiner eigenen Biografie schreibt Hanns-Josef Ortheil
Anfang der 1990er Jahre einen Roman, der das Ende eines
Generationenkampfes markiert: nach dem Tod seines Vaters will sich der
Sohn von der Generation der Kriegsteilnehmer lösen. Er beginnt
zu reisen, möglichst weit weg vom Osten, von den Erinnerungen
an Krieg und Schuld, er reist nach St. Louis, nach New Orleans, in die
Karibik. Aber je weiter er sich entfernt, umso mehr denkt er an seinen
Vater, und allmählich wird aus den Vorwürfen an den
Teilnehmer an einen schrecklichen Krieg ein versöhnlicher
Abschied. (btb)
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"Die große Liebe"
Hanns-Josef Ortheil erzählt von der leidenschaftlichen Liebe
eines Paares, das sich an der italienischen Adria-Küste kennen
lernt. Er, ein deutscher Fernsehredakteur, recherchiert dort
für einen Film über das Meer, sie ist Meeresbiologin
und leitet ein Forschungsinstitut. Er hat sich gerade aus einer
längeren Beziehung gelöst, sie ist mit einem
Institutskollegen verlobt. Beide sind fasziniert vom Wasser, seinen
Farben, Gerüchen, und bereits über ihrer ersten
Begegnung liegt eine eigentümliche Magie. Sie können
den anderen nicht mehr aus den Augen lassen und erkennen, dass sie
füreinander geschaffen sind - eine Erfahrung, die keiner von
beiden vorher gemacht hat. Zuerst langsam, dann mit rapide wachsender
Intensität gehen sie ihren Wünschen nach und
versuchen ihre Liebe gegen alle inneren und äußeren
Widerstände zu behaupten.
Hanns-Josef Ortheil erzählt die Geschichte einer
großen, romantischen Liebe als eine Geschichte der Sinne und
ihrer Inszenierungen. Blicke, Berührungen und Stimmen
verdichtet Ortheil in seinem Roman zur Ästhetik einer
einzigartigen Annäherung, der sich dieses Paar mit allen
seinen Gefühlen hingibt. (Luchterhand)
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"Die weißen Inseln der Zeit.
Lektüren, Orte, Bilder"
Mit acht Jahren wurde die erste Geschichte von Hanns-Josef Ortheil
veröffentlicht, und seither ist er zum Schreiben auf die
denkbar lustvollste Weise verurteilt. In "Die weißen Inseln
der Zeit" entwirft Hanns-Josef Ortheil ein Panorama seiner Passionen
und Vorlieben. Wir durchstreifen mit ihm, dem fünften Kind
eines Elternpaars, das vor seiner Geburt vier Söhne verloren
hatte, das Kindheits-Köln der 1950er Jahre, begleiten ihn bei
den ersten Schritten einer später abgebrochenen
Pianistenkarriere und erfahren von den Anfängen seines
Schriftstellerdaseins. In seinem unverwechselbar melodiösen
und persönlichen Ton erzählt Ortheil von seinen
Jahren in Rom, seinen ersten Konzerten, seinen Streifzügen
durch europäische Städte und Landschaften und zeigt
uns, wie er zu einem der bedeutendsten Romanciers und Essayisten seiner
Generation wurde. (Luchterhand)
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"Das Kind, das nicht fragte"
An einem Frühlingstag im April landet Benjamin Merz mit dem Flugzeug in Catania. Merz ist Ethnologe, und er möchte die Lebensgewohnheiten der Menschen in Mandlica, einer kleinen Stadt an der Südküste
Siziliens, erkunden.
Er freut sich auf das Frage- und Antwortspiel, auf das er sich gründlich vorbereitet, damit er mit den Einheimischen ins Gespräch kommt. Allerdings muss er große Hemmungen überwinden, um diese Gespräche auch tatsächlich zu führen. Denn Benjamin Merz ist zwar ein kluger Ethnologe, aber ihm fällt es ungeheuer schwer, das zu tun, worauf seine ganze Arbeit aufbaut: Fragen zu stellen. Und das hat seinen Grund.
Aufgewachsen ist Benjamin Merz mit vier weitaus älteren Brüdern. Seine Kinderjahre verbrachte er in einer aufgezwungenen Spracharmut. Seine älteren Brüder gaben in der Familie den Ton an, und er als Nachkömmling war schon häufig alleine damit überfordert, zu verstehen, worüber gesprochen wurde. Selbst einfachste Verständnisfragen traute er sich dann nicht zu stellen, und später musste er sich
das Fragen mühsam antrainieren.
Dafür kann er aber ausgezeichnet zuhören. Und diese Fähigkeit macht ihn in Mandlica, der Stadt der Dolci, zu einem begehrten Gesprächspartner - insbesondere bei den Frauen. Sie beginnen ihm
Familiengeheimnisse und verborgenste Liebeswünsche anzuvertrauen ...
Mit dem Roman "Das Kind, das nicht fragte" schreibt Hanns-Josef Ortheil an dem großen autobiografischen Selbsterforschungsprojekt seiner Kinder- und Jugendjahre weiter. Nach "Die Erfindung des Lebens" und "Die Moselreise" setzt sich der Autor auch in diesem Roman mit dem großen Themenkomplex des Zusammenhangs von Verstummen und Sprechen, Fragen und Selbstfindung auseinander. (Luchterhand)
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"Das Verlangen nach Liebe" zur Rezension ...
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