Rudolph Angermüller: "Mozart muss sterben!"
Ein Prozess
Die erfolglose Suche nach dem
Mörder Mozarts
Prof. Dr. Rudolph Angermüller ist ein ausgewiesener Mozartexperte. Seit 1982
ist er Leiter der Wissenschaftlichen Abteilung der Internationalen Stiftung
Mozarteum und seit 1988 deren Generalsekretär. Neben Mozart bildet Antonio
Salieri einen weiteren Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit.
Das Buch umfasst 253 Seiten, ist gebunden und erscheint in sehr guter
Aufmachung. Der Druck erfolgte vollständig in einem dunklen Braunton, an den
man sich aber recht schnell gewöhnt.
Wolfgang Amadeus Mozart starb am 5. Dezember 1791, knapp sieben Wochen vor
seinem 36. Geburtstag. Was wünschte man ihm nicht alles an Lebenszeit, damit er
sein ohnehin immenses Opus hätte fortführen können. Mozart, der Mensch, der
wohl in Summe die meisten schönen Stunden in der abendländischen Kultur
verursachte, zwar nur ein Tropfen auf den stets heißen Stein der schrecklichen
Stunden unseres abendländischen Kulturkreises, aber ein unverzichtbarer.
Wenn jemand so jung stirbt und dann noch an einem hitzigen Frieselfieber, schießen
die Mutmaßungen natürlich ins Kraut. Mozart soll wenige Wochen vor seinem Tod
seiner Frau gegenüber geäußert haben, vergiftet worden zu sein. Auffallend häufig
kommt Antonio Salieri in den postmortalen Gifttheorien vor. So wäre es auch
insbesondere vor dem Hintergrund der Autorenkompetenz in Sachen Salieri eine
denkbare Konstruktion gewesen, Antonio Salieri in einem buchfüllenden Prozess
anzuklagen und alle anderen Darsteller des vorliegenden Werkes durch die
Verteidigung als ebenfalls an Mozarts Tod interessiert präsentieren zu lassen.
Doch der Autor entschied sich dafür, in Einzelverfahren fünfzehn Verwandte und
Bekannte zu ihrem Verhältnis zu Mozart befragen zu lassen.
Im Rahmen eines doch stereotypen Gerichts erscheinen die Angeklagten und
berichten aus ihrem Leben und ihrem Verhältnis zu Mozart. Im ersten Prozess
geht es um den Franzosen Beaumarchais, dessen Theaterstücks "Hochzeit des
Figaro" sich Mozart und sein Librettist Lorenzo da Ponte einst bedienten.
Es folgt die Anhörung des Salzburger Fürsterzbischofs Hieronymus von Colloredo,
zu dem Mozart ein gespanntes Verhältnis hatte. Der nächste Verdächtige heißt
Lorenzo Da Ponte und verfasste einige Libretti zu Mozart-Opern.
Ein weiterer Kandidat heißt Karl Ludwig Gieseke, der behauptete, Emanuel Schikaneder
habe beim Libretto der "Zauberflöte"
kräftig bei ihm abgeschrieben. Wir lernen weiterhin Franz de Paula Hofer kennen,
Schwager und Zechkumpan Mozarts auf dessen Reisen. Es folgt Mozarts Ehefrau
Constanze nebst all ihren Schwestern inklusive Ehemännern sowie seine weinselige
Schwiegermutter, gefolgt von deren spätem Verhältnis Johann von Thorwart. Selbst
Michael Puchberg wird vor die Schranken des Gerichts zitiert; er, der Mozart
lange Zeit mit beträchtlichen Beträgen aushalf. So erfährt der geneigte Leser,
dass Mozart auf großem Fuße
lebte und dem Glücksspiel nicht abhold war. So kommt zutage, dass Mozart ebenso
viele Bettelbriefe verfasst haben muss wie Sonaten. Sogar Mozarts Konkurrent
jener Tage, Antonio Salieri, halluziniert einen Prozess. Der etwas ältere Salieri
steht rückblickend im Schatten Mozarts, wohl zu unrecht. Einer breiteren Öffentlichkeit
wurde dieser Musiker und Komponist durch Peter Shaffers Bühnenstück "Amadeus"
präsentiert, das auch von Milos Forman verfilmt wurde.
"Die Zeit Mozarts soll in diesem Buch
wieder lebendig werden.", heißt es im Vorwort. Und so: "Die Sprache
wurde bewusst locker gehalten." Dieses Versprechen wurde eingelöst, doch
das geschieht auf Kosten des ersten Versprechens der Lebendigkeit der Zeit
Mozarts, denn die Abgeklagten fabulieren im Duktus der Gegenwart.
An das modernisierte Sprachbild der Angeklagten passen sich die Euro-Beträge
an, die anstelle der österreichischen Gulden im Text erscheinen. Denn es geht
in diesem Buch oft um Geld, und so erhält man einen guten Einblick in Mozarts
Finanzen und die Lebenskosten seiner Zeit. Die in Gulden gehandelten Beträge
sind im Verhältnis 1:30 in Euro umgerechnet worden und nur in dieser Form erwähnt.
Doch vereinzelt ist auch die Rede von Goldfranken (Seite 17) oder französischen
Pfund (Seite 26), ohne dass der Wert dieser Beträge erkennbar wird. Auf den
Seiten 211 und 214 ist auch abermals die Rede von livres, womit wohl wieder
französische Pfund gemeint sind. Auf Seite 213 schließlich kommen Dukaten ins
Spiel. Den selteneren Währungsbeträgen der französischen Pfund und Goldpfund
sowie den Dukaten wiederum hätte ein Euro-Betrag in Klammern gut getan.
Ein wesentlich reizvolles und auch authentischeres Unterfangen wäre es gewesen,
die unterschiedliche Sozialität der Akteure in einer ihrer Zeit gemäßen Sprache
variieren zu lassen, also im Deutsch (oder wie man das nennt) des Wiens um 1800,
und die Geldbeträge in Gulden zu belassen, denn eine Parität von 1: 30 kann
man sich recht gut merken oder wieder nachlesen.
Auf Seite 104 wendet sich der nicht nur fachlich überforderte Ankläger in
seiner Rede an den Herrn Rat und spricht über den Angeklagten: "Herr Rat,
dem Maler und Schauspieler [...] lege ich zur Last, den [...] Mozart vergiftet
zu haben. Er war immer voller Neid gegen seinen Schwager, weil er mehr Erfolg
hatte als Sie." Wenn mit dem Sie nicht der (hoffentlich) unbeteiligte Herr
Rat gemeint sein soll, so wird der Angeklagte in einem Satz zum Subjekt und zum
Objekt. Dieser Schwenk wäre nur dann vertretbar gewesen, wenn dem Objekt ein
Nachsatz gefolgt wäre wie "[...] weil er mehr Erfolg hatte als Sie,
Angeklagter." Ein weiterer kleinerer Schreibfehler (Seite 176) sowie eine
Wortdopplung trüben den sonst so hervorragenden optischen Eindruck des Buches.
Fazit
Man lernt in diesem Buch viel über Mozart und die Seinen. Auch ist der Ansatz
des Verfahrens gegen einen angeblichen Mörder Mozarts originell, aber er wird
bei fünfzehn einzelnen stereotypen Verfahren ein wenig strapaziert, zumal die
jeweiligen Anklagen ohne den Hauch eines Indizes vorgetragen werden. Und so
kommt der Ankläger nach wenigen Seiten stets zu dem quasi-statischen Schluss,
dass seine Anklage ungerechtfertigt war. Gerade die Modernisierung in Duktus und
Währung versperrt dem Werk den Reiz der Authentizität, die doch gerade
aufleben soll.
(Klaus Prinz; 10/2005)
Rudolph Angermüller: "Mozart muss
sterben!"
Ecowin, 2005. 253 Seiten.
ISBN 3-902404-17-5.
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Zwei weitere Werke des Autors:
"Antonio Salieri - Dokumente
seines Lebens"
... unter Berücksichtigung
der Musik, Literatur, Bildender Kunst, Architektur, Religion, Philosophie,
Erziehung, Geschichte, Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und dem täglichem
Leben seiner Zeit; gesammelt und erläutert von Prof. Dr. Rudolph Angermüller.
Der Autor, der sich seit Jahrzehnten mit dem Komponisten und Wiener Hofkapellmeister
beschäftigt, legt eine großangelegte Dokumentation über den Mozart-Rivalen und
angeblichen Mörder vor. Der Zeitraum
umfasst die Jahre 1750 bis 1825, also auch die Epoche
Beethovens
und Schuberts. Die Rezeption der Werke Salieris
bis in unsere Tage wird ebenfalls dokumentiert. Salieris Leben ist im Kontext
seiner Zeit und deren Kultur eingebettet. Viele unbekannte Dokumente und Schriftstücke
werden zum ersten Mal publiziert. Salieris Opernschaffen steht dabei im Vordergrund.
Die Arbeit gibt umfassend über den Italiener Salieri am Wiener Hof und in Paris
Auskunft. (K. H. Bock)
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"Mozarts Reisen in Europa 1762-1791"
Mozarts Erdendasein war auf 13.077 Tage bemessen! Das sind 35 Jahre, zehn Monate
und neun Tage. Davon war er 3.720 Tage, also 10 Jahre, zwei Monate und acht
Tage auf Reisen. Mozart war - rechnet man die früheste Kindheit ab - ein Drittel
seines Lebens auf Achse.
Am 11. September 1778 schrieb Wolfgang seinem Vater aus Paris:
"Ohne reisen /: wenigstens leüte von künsten und wissenschaften /: ist man wohl
ein armseeliges geschöpf!"
Reisen im 18. Jahrhundert war beschwerlich. Die Qualität der Straßen ließ zu
wünschen übrig. Viele Fuhrwerke und Kutschen, auch die Mozarts, blieben im Morast
stecken. Wegelagerer, besonders in Italien, lauerten auf ihre Beute. Beklagt
wurde immer wieder der primitive Straßenbau. Reisen war schmerzhaft und anstrengend.
Für die Distanz Salzburg München brauchte man damals zwei Tage. Heute fährt
der Intercity diese Strecke in 90 Minuten.
Mozart sah in seinem Leben zehn Länder des Europa von Heute: Belgien, Deutschland,
England, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, die Schweiz, die
Slowakei und die Tschechische Republik.
In seinem Leben besuchte der Salzburger Meister mehr als 200 Orte und Städte,
die von ihm oder seinem Vater genannt werden. Sie vermittelten ihm bleibende
Eindrücke, formten ihn. Sein kompositorisches Schicksal wäre sicher anders verlaufen,
wäre er nicht so viel gereist. Das vorliegende Buch gibt Auskunft über die Städte
und Orte in denen Mozart verweilte - länger oder kürzer -, ihren kulturellen
Hintergrund, nennt die Gasthäuser und Wohnungen, in denen er Unterkunft fand,
Leute die ihm begegneten, mit denen er zu tun hatte.
Zu jedem Ort wird eine spezielle Literatur verzeichnet. Durch die Angabe von
Tourismus-Büros und E-Mail-Adressen besteht damit die einzigartige Möglichkeit,
auf den Spuren Mozarts zu reisen. (K. H. Bock)
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