Christian
Fuhrmeister, Stephan Klingen, Iris Lauterbach, Ralf Peters (Hrsg.):
"Führerauftrag Monumentalmalerei"
Eine Fotokampagne 1943-1945
Geschichte,
praktische und technische Umsetzung sowie Aufarbeitung eines gewaltigen
Projekts
Im Jahr 1943 hatte
der Bombenkrieg bereits viele deutsche
Altstädte mit ihren einzigartigen Monumenten
zerstört, und auch den endsieggläubigsten
Spitzenpolitikern des Reichs war bewusst, dass weitere folgen
würden. Daher beauftragte
Hitler das Reichsministerium
für Volksaufklärung und Propaganda, die Decken- und
Wandmalereien möglichst vieler "großdeutscher"
Baudenkmäler zu fotografieren und eine Sammlung der erhaltenen
Dias anzulegen.
In den Dreißigern hatten die Firmen Kodak (USA) und Agfa
(Deutschland) die Farbfotografie entwickelt; als nun der
"Führerauftrag Monumentalmalerei" erfolgte, befand sie sich
noch in den Kinderschuhen. Agfa konnte weder gleich bleibende noch,
gemessen an heutigen Maßstäben, hohe
Qualität liefern. Auch mit der Quantität haperte es,
schon allein aufgrund der zahlreichen Probleme, die der Krieg
für die Industrie mit sich brachte. Dennoch wurden etwa 40.000
Farbdiapositive angefertigt und katalogisiert.
Mit den Jahren und Jahrzehnten verblassten die Dias jedoch, und sie
verfärbten sich. So wurde Ende der 90er Jahre mit der
Digitalisierung der Sammlung begonnen, die selbstverständlich
noch längst nicht abgeschlossen ist.
Dieses Buch enthält zahlreiche Beiträge rund um den
"Führerauftrag Monumentalmalerei". Mehrere schildern aus
unterschiedlichen Blickwinkeln die Geschichte dieses Auftrags und
seiner Durchführung und Finanzierung, wobei auch die
dafür bedeutsamsten Persönlichkeiten im Ministerium
und die wichtigsten Fotografen porträtiert werden, vor allem
Rolf Hetsch und Walter Hege. Aber auch die Geschichte der Erfindung,
Weiterentwicklung und industrielle Produktion des Farbfilms
für die Fotografie wird interessant und detailreich
dargestellt, denn sie ist eng mit der Ausführung des
Führerauftrags verbunden.
Nach dem Krieg galt es, die aus Sicherheitsgründen an
verschiedenen Orten untergebrachten Sammlungen zu inventarisieren und
gegebenenfalls zusammenzuführen. Auch diese Aufgaben sind
Thema eines Beitrags. Weitere Kapitel geben einen Überblick
über einzelne Archive, zum Beispiel das Marburger
Luftbildarchiv deutscher Innenstädte. Andere Autoren widmen
sich den technischen Grundlagen der
Digitalisierung,
das
heißt, der Schwierigkeit, durch Computerbearbeitung die
ursprüngliche Farbmischung und -intensität
wiederherzustellen. Drei Beiträge befassen sich mit Beispielen
von Rekonstruktionen zerstörter Fresken: jenen von St. Peter
in Mainz, den Fresken der Würzburger Residenz und den
umstrittenen Kuppelmalereien in der Dresdner Frauenkirche, bei deren
Rekonstruktion sich der Künstler nicht an den vorhandenen Dias
orientierte. Zudem findet sich am Ende des Buchs eine interessante
Dokumentensammlung mit Bezug auf den "Führerauftrag
Monumentalmalerei".
Das Buch gibt dem Leser somit die Möglichkeit, das Thema
umfassend kennen zu lernen: vom Standpunkt des Historikers aus genau so
wie aus der Sicht des Kunsthistorikers, des Fotografen, des Ingenieurs
und Naturwissenschaftlers, des Bildbearbeitungsfachmanns und so fort.
Zwar wendet es sich vor allem an ein Fachpublikum und soll zur
Fortführung der Auswertung und Digitalisierung der vielen
tausend Aufnahmen anregen, wozu der fortschreitende Verfall der
empfindlichen Originale zunehmend drängt, doch es ist auch
für an Kunst, Fotografie und Geschichte interessierte Laien
gut verständlich und sehr interessant zu lesen.
Der Band ist reich bebildert, und die Abbildungen weisen - freilich
abhängig vom Zustand der Originale - eine hohe
Qualität auf. Gegenüberstellungen von Original-Dia
und digitaler Bearbeitung zeigen, welch verblüffende
Möglichkeiten der Computer eröffnet. Aber auch
Vergleiche zwischen Foto und rekonstruiertem Fresko regen zur
Auseinandersetzung mit den Chancen dieser gewaltigen Hinterlassenschaft
des Dritten Reichs an.
Hiermit lernen Sie also eine recht ungewöhnliche Facette des
Umgangs der Nationalsozialisten mit der Kunst im Reich kennen - und
zugleich ein hoffnungsvolles Beispiel dafür, wie Kunst und
Technik überaus fruchtbar "zusammenarbeiten" können.
(Regina Károlyi; 11/2006)
Christian
Fuhrmeister, Stephan Klingen, Iris Lauterbach, Ralf Peters (Hrsg.):
"Führerauftrag Monumentalmalerei"
Böhlau Verlag Köln, 2006. 285 Seiten.
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