Deng Ming-Dao: "Zen"
Geheimnisse der asiatischen Küche
Mit Milchreis zur Erleuchtung:
Asiatische Küchenphilosophien
"... Schließlich verließ Siddhartha den Palast und wurde Asket.
Anfangs versuchte er spirituelle Befreiung zu erlangen, indem er die
Bedürfnisse seines Körpers verleugnete. Im Laufe von sechs Jahren verlor er
die Hälfte seines Gewichts und begriff endlich, dass er die innere Ruhe, nach
der er suchte, nur erreichen konnte, wenn er seinem Körper immer wieder
Stärkung zuführte. ... An diesem Punkt schickten die Götter dem entkräfteten
und am Boden kriechenden Siddhartha die Tochter eines Kuhhirten über den Weg.
Sie half ihm zum Fluss und bot ihm einen nahrhaften Milchreis an. Das gab ihm
die Kraft, die er brauchte, um endgültig seine Erleuchtung zu erlangen."
Auch wenn der Genuss von Nahrungsmitteln meist nicht so tiefgreifende Folgen wie
für Prinz Siddhartha, den man allgemein als Buddha kennt, haben wird, so kann
die asiatische Küche und die mit ihr verbundenen philosophischen Richtungen des
Zen und des
Taoismus
wertvolle Anstöße bieten, die spirituelle Komponente des Kochens und Essens
(wieder) zu entdecken. Zen bedeutet, die alltäglichen Dinge des Lebens bewusst,
hingebungsvoll und mit Freude zu erleben. Respekt, Reinheit, Harmonie und
Stille, die vier auch auf die Ernährung anwendbaren Säulen dieser Lehre,
bilden zusammen mit der dem Taoismus entlehnten Praxis der ausgewogenen Kost die
Grundlage für eine jahrhundertealte Küche, die modernen wissenschaftlichen
Erkenntnissen perfekt entspricht: Zutaten müssen frisch und der Jahreszeit
entsprechend sein, Gemüse und Getreide sind wichtige Bestandteile des
Speiseplans, Alkohol soll nur mäßig genossen werden, Hygiene ist oberstes
Gebot, Abfälle werden dem Kreislauf der Natur wieder zugeführt und mehrere,
aber nicht zu große Mahlzeiten sollen ein Ruhepol inmitten des manchmal
hektischen Tages sein.
Dass diese weltanschaulichen Prinzipien nicht Verzicht oder Genussfeindlichkeit
bedeuten, beweist auch das Kochbuch des auf die ernährungsphysiologischen
Aspekte der zen-buddhistischen und taoistischen Küche spezialisierten Autors
Deng Ming-Dao. Nach einer von Anekdoten und Einsichten großer Lehrmeister
illustrierten Einführung in den "Geschmack
des Zen" werden sowohl klassische Grundrezepte für meist einfach
herzustellende Suppen, Reiscongees sowie Gemüse-, Fleisch- und Fischgerichte
als auch kreative, östliche und westliche Einflüsse verschmelzende Zen-Rezepte
ausführlich vorgestellt. Ein Kapitel über Tee mit vier jahreszeitlichen, eine
Teezeremonie begleitenden Kaiseki-Menüs, die vom US-amerikanischen Starkoch Arnold
Wong stammen, runden das ungewöhnliche Buch ab.
Obwohl viele der notwendigen Zutaten sicher nicht überall leicht erhältlich
sind und Spezialitäten wie Felsengarnelenplätzchen, gegrillte Wachteln mit
Klebreisfüllung oder in belgischem Bier mariniertes Kaldaunen-Steak wohl oft
nicht Teil der Alltagsküche sein werden, so machen die
faszinierend-inspirierenden "Geheimnisse der asiatischen Küche" doch
große Lust aufs Ausprobieren und rufen vor allem Aspekte des Kochens und Essens
in Erinnerung, die selbstverständlich sein sollten, im täglichen Leben aber
allzuoft zum Schaden von Mensch und Umwelt vernachlässigt werden.
(S.B.)
Deng Ming-Dao: "Zen. Geheimnisse der
asiatischen Küche"
Heyne, 2000. 160 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen