Detlev Ganten, Thomas Deichmann, Thilo Spahl: "Menschenleben"
Leben, Natur, Wissenschaft
(Hörbuchrezension)
Was nun die Hörbuchfassung zum
gleichnamigen Buch dem Hörer zu bieten hat, ist rasch erklärt: Bildung; und
zwar Bildung nicht um ihrer selbst, sondern um der Selbsterkenntnis und Aufklärung
über brisante Sachverhalte wegen. Auf letztere wird der Rezensent weiter unten
noch genauer eingehen. Vorerst jedoch: Erkenne dich selbst, könnte dem
gesprochenen Text als Motto vorangestellt werden, und handle danach. Nur der
Wissende wird sich in einer zusehends komplexer werdenden Welt noch halbwegs
souverän zurechtfinden und zur Wahrnehmung seiner demokratischen
Mitbestimmungsrechte imstande sein. Das Rüstzeug hierfür auf unterhaltsame
Weise zu erwerben, ist für das besprochene Hörbuchprojekt Angebot und
Programm. Die Autoren zum Hörbuch bekennen sich ausdrücklich zu ihrer Überzeugung,
dieses möge gleichsam Quelle elementaren Wissens wie auch spannende
Unterhaltung sein. In Zeiten der Spaßkultur will eben selbst noch eine
naturwissenschaftliche Betrachtungsweise der menschlichen Existenz der allemal
gebotenen Forderung nach Kurzweil keine Absage erteilen. Man geht Kompromisse
ein, was nicht verwerflich ist, wenn es - wie gegenständlich der Fall - dem
didaktischen Zweck dienlich ist. Anpassung an den Wunsch nach
Kundenbehaglichkeit ist zudem auch nur der eine Aspekt, denn zugleich soll das Hörbuch
ein Beitrag zur Emanzipierung des Menschen von seiner selbst verschuldeten
Unwissenheit sein, auf dass er vermögendlich werde sich bei der Gestaltung der
Zukunft engagieren zu können. Denn Mündigkeit ist keine bloße von Gott verfügte
Gnade, sondern die Frucht unaufhörlichen Strebens nach Wissen und Verständnis
um die Dinge des Lebens. Also Wissenschaft.
Inwieweit der von Matthias Ponnier mit klarer Sprache dargebrachte Text den gewählten
Ansprüchen in der Tat gerecht wird, mag jeder Hörer für sich beurteilen.
Fraglos ist unser Hörbuch ein gediegenes Hörerlebnis, das mit erstaunlichen
Details keineswegs geizt und seine Thematik zum besseren Verständnis in einem
großen Bogen anlegt. Als überaus erfreulich darf bemerkt sein, dass das
Menschenleben in "Menschenleben" nicht einfach nur unter Aufzählung
von Fakten beschrieben bzw. wissensvermittelt, sondern in seiner Logik und
Naturgeschichtlichkeit begreiflich gemacht wird. Womit sich das Hörbuch
wohltuend von dem abhebt, was der Rezensent zu Schulzeiten noch als
Naturkundeunterricht zu erleiden hatte: Bloße Paukerei von isolierten und
zersplitterten Wissensbrocken, wobei es bei dem tollen Treiben weder um ein
tieferes Verständnis der Ursprünge menschlichen Lebens, noch um ein
interdisziplinäres Begreifen der Wechselwirkung von Natur und Kultur zu tun
war. Es bleibt zu hoffen, diese Erfahrungen eines zurückliegenden Schülerlebens
sind singulärer Natur. Die schlechten PISA-Werte zum naturwissenschaftlichen
Wissensstand österreichischer und deutscher Schüler lässt hierzu jedoch Düsteres
erahnen.
Vor nun erst wenigen Wochen gab es in Österreich eine weit über die Grenzen
der Alpenrepublik hinaus tosend veritable Aufregung über einen Aufsatz des
Kardinals von Wien, Christoph Schönborn. Betitelt als "Finding Design in
Nature" und publiziert in einer angesehenen amerikanischen Zeitung (July 7,
2005, New York Times) stellte der hochwürdige Kirchenfürst in seiner - alles
in allem durchaus maßvollen - Schrift zwar nicht die Evolutionstheorie in
Abrede, gesellte jedoch dieser seine Auffassung von einem Gott als Welt bildendem
Designer hinzu. Letztlich ging es dabei darum, wer in der Naturgeschichte das
Zepter in der Hand hält; wer Souverän über unser aller Dasein ist. Gott, als
Schöpfergott (Designer), oder eine unpersönliche Naturkraft, die sich selbst
hervorbringt? Beziehungsweise worin ist die schöpferische Intelligenz
eingelagert? In die Natur selbst, oder ist sie bei Gott, der in eine geistlose
Welt aus Steinen und Fleisch gestalterisch interveniert? Wir wissen es vorerst
nicht, zumal Gott mangels Falsifizierungsmöglichkeit keinesfalls Gegenstand
einer wissenschaftlichen Betrachtung sein kann. Andererseits, so meint ein oft
vernommener Einwand, bleibt die Evolutionstheorie bei und trotz aller Beteuerung
ihrer Abgesichertheit in letzter Konsequenz ebenso Ideologie. Zu rätselhaft ist
das Leben, um es schlichtweg mit einer "großen Erzählung" aus der
Gelehrtenstube erklären zu können. Auch in diesem Fall scheint postmoderne
Skepsis eine Frage intellektueller Tugendhaftigkeit zu sein.
Detlev Ganten [u.a.] gehen nun von einem biologischen Axiom aus; bzw. lassen an
ihrer strikt naturwissenschaftlichen Ausrichtung keinen Zweifel aufkommen. Das Hörbuch
"Menschenleben" setzt ein mit einer höchst säkularen Erzählung zur
Evolutionsgeschichte, hierin uns der Vorläufer zum Menschen als Affe
entgegentritt, der sich aufrichtete, als die afrikanischen Wälder sich zu
lichten begannen und in dieser Situation das Schreiten auf den Hinterbeinen für
ihn die günstigste Methode der Fortbewegung war. Wie so oft, war es auch
diesmal die bloße Ökonomie des Lebens, die mehr aus der Not des Augenblicks
denn aus einer überlegten Zielgerichtetheit eine innovative Entwicklung
anbahnte. Und zeitgleich, keine Spur von einem intelligiblen Überwesen, das
noch Großes mit diesem Affen vorgehabt hätte. Ein Affe, der nur seines
aufrechten Ganges wegen auf den Menschen verweist, ansonsten aber noch ganz Affe
ist, und den die Paläontologen heute Australopithecus afarensis nennen.
Für den Mythos von Adam und Eva bleibt in diesem Gesamtzusammenhang kein Platz,
obgleich alle modernen Menschen Söhne und Töchter der einen genetischen Eva
(einer dunkelhäutigen Afrikanerin) sind. Bei der Vorstellung einer Urmutter
handelt es sich demnach um eine naturwissenschaftliche Tatsache, denn sämtliche
Menschen sind genetisch betrachtet nicht nur Angehörige einer Art, sondern vielmehr
Angehörige einer großen Familie.
Die Gattung
Mensch ist genetisch betrachtet eine Sippe, deren Mitglieder nur äußerlich
differieren, aber biologisch wie aus einem Ei geschlagen sind. Für Rassismus
gibt es keine Begründung; unterschiedliche sozio-ethnische Verhaltensmuster
sind rein durch kulturelle Normierung zu erklären.
"Menschenleben" erklärt nicht nur die Menschwerdung, sondern ebenso
das Werden menschlicher Kulturen (aus naturwissenschaftlicher Perspektive) und
letztlich den Organismus des Menschen selbst. Eine oft gestellte Frage nach dem
unterschiedlichen Entwicklungstempo menschlicher Kulturen gelangt zur ausführlichen
Abhandlung. Als vor 14000 Jahren die globale Besiedelung der Erde durch den Homo
sapiens abgeschlossen war, lebten die Menschen weltweit in etwa auf dem gleichen
technologischen und kulturellen Niveau. Zwölftausend Jahre später, um die Zeit
von Christi Geburt, waren die Entwicklungsgrade hingegen schon höchst
unterschiedlich ausgebildet, und als die Europäer vor fünfhundert Jahren in
Hochseeschiffen, mit Ross und Mann, bewaffnet mit Musketen und Kanonen,
begleitet von Forschern, Denkern und belesenen Gottesmännern zur Eroberung
ferner Kontinente antraten, trafen sie auf außereuropäische Völker, die sich
(im südlicheren Afrika) im Entwicklungsstadium der Eisenzeit befanden, oder (in
Amerika) - bei aller sonstigen hochkulturellen Blüte - eben erst mit der
Herstellung von Gerätschaften und Waffen aus Bronze experimentierten.
Wie konnte es also soweit kommen, dass die einen (eurasischen) Völker
technologisch fortschrittliche Zivilisationen herausbildeten, während anderen
kaum der Schritt von der Steinzeit in die Bronzezeit gelingen wollte, fragen die
Autoren, und verweisen zur Erklärung auf verschiedentlich geartete
Umweltfaktoren, welche die Eurasier in ihrer Entwicklung erheblich begünstigten.
Dies beginnend bei der Ost-West-Erstrecktheit ihres Lebensraumes, welcher, wegen
ähnlicher klimatischer Verhältnisse in den Breitengraden, die (sozusagen
horizontal erfolgende) Weitergabe von Technologien, insbesondere das
Anwenderwissen um die Kultivierung von Nutzpflanzen und Nutztieren, in aller
Regel zu einer einfachen Angelegenheit machte, hingegen bei Nord-Süd-Erstreckung
die Gedeihlichkeit von Tier und Pflanze von Nord nach Süd und umgekehrt allemal
fraglich ist (es ist zu heiß oder zu kalt, zu rau oder zu mild), Kulturtransfer
also sehr erschwert ist, bis zum glücklichen Zufall einer eurasischen Tierwelt,
die sich - anders als jene Afrikas - verhaustieren ließ. Letztlich entscheidend
sei nämlich insbesondere diese den Eurasiern hervorragend gelungene
Domestizierung von Wildtieren zu Haus- und Nutztieren gewesen, welche eine
enorme Effizienzsteigerung in faktisch allen gesellschaftlichen Produktions- und
Lebensbereichen zur Folge hatte. Und eben dieser Prozess der Nutzbarmachung von
Tieren fehle bei den Kulturen südlich der Sahara weitestgehend und in Amerika
fast gänzlich, weshalb sie im Vergleich mit Europa technologisch und schließlich
auch kulturell (bspw. in Hinblick auf Schrift- und Rechtskultur) rückständig
blieben. Warum aber die Tierwelt Afrikas sich jeder Domestizierung verweigerte
und warum diese in Amerika faktisch unterblieb, außerdem, warum die Menschen
Australiens über vierzehn Jahrtausende auf dem Entwicklungsstand von prähistorischen
Jägern und Sammlern verharrten, also eine Zivilisation absoluter Stagnation
kultivierten, davon erzählt Matthias Ponnier in ungemein spannender Manier,
weshalb es sich verbietet, davon zuviel vorweg zu verraten.
Vom biologischen und kulturellen Werdegang des Menschen kommend gelangt der
Sprecher schlussendlich zur Beschaffenheit des
menschlichen Körpers selbst:
Sinnesorgane, Blutkreislauf, Knochen, Muskeln, Atmung, das naturgeschichtlich jüngere
Nervensystem und das uralte System der Hormonausschüttungen (es findet sich in
höheren wie in primitiven Lebensformen ebenso wie in Pflanzen), das
(menschliche) Erbgut und dessen Stellung in der Logik des Lebens
(Genomforschung; Molekularmedizin), Krebs (erbliche Vorbelastung) und
Erbkrankheiten (Konfliktpotential Eugenik und freie Partnerwahl; Familienplanung
bei bekannten Erbgutschäden), kritisch bejahende Anmerkungen zur heiß
umfehdeten Genforschung (die Autoren vertreten an dieser Stelle einmal mehr eine
optimistische, forschungsfreundliche Sichtweise), Körperzellen und Keimzellen,
Chance und ethische Brisanz der Stammzellforschung u. der sog.
Stammzellentherapie (Heileingriffe mit Stammzellen aus embryonalem Gewebe oder
aus überzähligen Zygoten - für die Autoren ist das Spenden von Eizellen
(Zygoten) zum Zweck des Heilens ähnlich dem Spenden von Blut ein Akt der Nächstenliebe
und keineswegs verwerflich, weil mit der Tötung eines potenziellen Menschen
gleichzusetzen), weiters das ständige Ringen des Organismus mit
Krankheitskeimen (die Herkunft von Epidemien aus der unhygienischen
Zusammenballung von Menschenmassen mit massenhaft und quälerisch gehaltenem und
maßlos verzehrtem Nutzvieh [Stichwort: Vogelgrippe bzw. Geflügelpest]), sowie
die ewig drängende Frage nach (Sinn und Zweck) der Sterblichkeit des Menschen,
nach der Möglichkeit eines weiteren Hinausschiebens von Lebensgrenzen (über
die biologische Grenze von 120 Jahren hinaus) und dem Altern unter widernatürlichen
Lebensumständen an und für sich, all das kommt nun des Weiteren zur Sprache -
oder viel mehr zur Erklärung. Denn wie immer geht es den Autoren hochlöblicher
Weise mehr um ein Begreifen denn um ein Beschreiben von Welt, was sich eben
nicht in Form einer bloßen Wissensvermittlung erschöpfen kann, sondern ein
Verständlichmachen von Wirkzusammenhängen voraussetzt.
"Menschenleben" ist das erste Hörbuch zu einer vom Verlag Eichborn/LIDO
geplanten Serie von Hörbüchern zum Wissenskanon der Naturwissenschaften. Womit
ein längst erkanntes Defizit zur Wissenslandkarte Deutschlands und Österreichs
in Angriff genommen ist. Führte doch erst kürzlich Max A. Höfer in seinem
Buch "Meinungsführer,
Denker, Visionäre" die gleichermaßen berechtigte wie bittere Klage,
dass Naturwissenschafter und ihre Thematiken in der öffentlichen Diskussion der
Bundesrepublik faktisch nicht präsent sind. Was ein bemerkenswerter Befund sei,
für manche ein alarmierender. Gentechnik, Stammzellenforschung, wie überhaupt
der technologische Fortschritt sind zu wichtig, um sie einfach nur zu ignorieren
oder rechthaberischen Bioethikern zu überlassen, denen - polemisch gezürnt -
jede Forschungsmisere lieber ist, als die absehbare Chance zur Heilung von heute
noch unheilbaren Krankheiten oder des Obsiegens über den Hunger in klimatisch
diskriminierten Regionen dieser Erde. Dies in Diskussion zu bringen, inmitten
eines moralindurchsäuerlichten gesellschaftlichen Klimas, wo moralische
Bedenken und Sorge über nicht beherrschbare Risiken generell ganz oben
rangieren, die Forderung für Forschungsfreiheit in der Gentechnik (wie es der
einsame Kämpfer Prof. Hubert Markl wünscht) hingegen des Teufels ist, muss
wohl als ein erstes Verdienst von "Menschenleben" genannt sein,
weshalb nicht nur aber sehr wohl auch aus Gründen der dringend nötigen
Volksaufklärung über Nutzen und Gefahren naturwissenschaftlicher Betrachtungs-
und Handlungsweisen diesem und den nachfolgenden Hörbüchern der beabsichtigten
Reihe eine weite Verbreitung und Erfolg bei der überfälligen
Bewusstseinsbildung in Sachen naturwissenschaftlicher Weltsicht zu wünschen
ist.
(Harald Schulz; 08/2005)
Thomas Deichmann, Thilo Spahl, Detlev Ganten:
"Menschenleben"
LIDO/Eichborn, 2005. 2 CDs, Laufzeit etwa 148 Minuten.
Sprecher: Matthias Ponnier.
ISBN 3-8218-5401-4.
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Weitere Buchtipps:
Detlev Ganten, Thomas Deichmann, Thilo Spahl: "Leben, Natur, Wissenschaft.
Alles, was man wissen muss"
Die Naturwissenschaften sind so vielfältig wie das Leben selbst. Spektakuläre
Theorien, schillernde Persönlichkeiten und praktische, teilweise ganz zufällige
Entdeckungen im Forschungsalltag haben sie im Laufe der Jahrhunderte zu immer
neuen Ufern getrieben.
Detlev Ganten, der Deutschlands bedeutendstes Zentrum für medizinische Genforschung
leitet, präsentiert den Wissensstand zu Beginn des dritten Jahrtausends und
führt dem Leser auf verblüffend verständliche Weise vor Augen, was das Leben
in all seinen Facetten ausmacht. Wie entwickelte sich das Leben auf der Erde?
Gibt es Leben im Universum? Lassen sich
Meteoriteneinschläge,
Vulkanausbrüche und Erdbeben vorhersagen? Wie funktioniert das Klima? Was sind
Risiken und Vorteile von Klonen und Stammzelltherapie? Was ist
Bewusstsein?
Ganten zeigt, dass viele Fragen, die die Menschheit seit den alten Griechen
bewegten, heute beantwortet sind, und wie uns andererseits die Wissenschaft in
rasantem Tempo vor immer neue gesellschaftliche Herausforderungen stellt. Er
begibt sich zum Ursprung von Raum und Zeit, verfolgt den Fluss des Lebens, nimmt
Stellung zu den Kontroversen unserer Tage und wagt einen Blick in die Zukunft
der Menschheit. (Eichborn)
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Thilo
Spahl, Thomas Deichmann: "Das populäre Lexikon der Gentechnik. Überraschende
Fakten von Allergie über Killerkartoffel bis Zelltherapie"
Angst vor der Gentechnik-Revolution?
Ob Gentech-Käse, Krebsimpfung oder geklonte Tiere: Produkte und Entwicklungen
aus der Bio- und Gentechnologie sind längst Bestandteil des Alltags - auch wenn
wir kaum etwas darüber wissen.
Thilo Spahl und Thomas Deichmann zeigen in "Das populäre Lexikon der Gentechnik",
wie sich unser Leben durch den Einsatz von Gentechnik verändert. Sie liefern
Fakten und Argumente für die gesellschaftliche und ethische Auseinandersetzung
und belegen, dass sich gentechnikferne Alternativen im Hinblick auf
Ökologie,
Gesundheit und Ressourcenschonung als unterlegen erweisen.
Um die Möglichkeiten und Risiken der modernen Biotechnologie einschätzen zu
können, muss man sich über ihre Grundlagen informieren. Die Autoren erläutern
in einem einführenden Kapitel, wie Gene Körperfunktionen von Mensch und Tier
beziehungsweise Vorgänge in Pflanzen steuern und welche Ziele die Genomforschung
verfolgt. Ein Überblick über die wichtigsten Methoden der Biotechnologie erklärt
die Schlagworte und Begrifflichkeiten der gegenwärtigen Debatte: Gentherapie,
Reprogenetik, Tissue Engineering (Gewebezüchtung), Genetischer Fingerabdruck,
Stammzelltherapie und die weiteren Anwendungen dieser neuen Wissenschaft.
Den konkreten Einsatzmöglichkeiten widmen sich Spahl und Deichmann in Kapiteln
zur Grünen und Roten Gentechnik. Die Grüne Gentechnik, die sich mit der Herstellung
neuer Nahrungsmittel und mit der Verbesserung landwirtschaftlicher Nutzpflanzen
befasst, steht - zumindest in Europa - auf verlorenem Posten. Obwohl wir schon
seit Tausenden von Jahren durch gezielte Zucht, Aussaat und Kreuzung Pflanzen
und Tiere widerstandsfähiger und ertragreicher machen, lässt sich der Anbau
genetisch veränderter Organismen hier in größerem Stil noch nicht durchsetzen.
In den Ländern, die große Probleme mit ihrer Ernährungslage haben, sind die
Bedenken gegenüber diesen Pflanzen geringer. Hier liegen die Hoffnungen auf
der Entwicklung von nährstoffangereicherten oder virenresistenten Nutzpflanzen
wie dem Goldenen Reis, Süßkartoffeln oder Sojabohnen. Gleichzeitig lässt sich
der Pestizideinsatz durch die Verwendung von gentechnisch verbesserten Arten
vermindern.
Ein weiteres Einsatzgebiet Grüner Gentechnik ist die Herstellung von Lebensmitteln.
Experten schätzen, dass in Deutschland zwischen 50 und 70 Prozent der Nahrungsmittel
mit Gentechnik in Berührung gekommen sind. Von den Enzymen und Aromastoffen
für unser Brot über Anti-Matsch-Tomaten, pilzresistenten Rotwein bis zur leistungsgesteigerten
Milchkuh reicht die Palette der genveränderten Produkte.
Die Rote Gentechnik wiederum dient der Therapie von Krankheiten - seltene Erbkrankheiten
ebenso wie große Volkskrankheiten oder Infektionskrankheiten wie
Aids.
Je präziser hier die Erkenntnisse über die Vorgänge im Körper sind, desto genauer
können auch passende Medikamente und Wirkstoffe entwickelt werden. Spahl und
Deichmann zeigen, dass sich durch
Genforschung eine wirkungsvolle Therapie und
Heilung von Diabetes, Alzheimer, Krebs
und Karies, aber auch Mittel gegen Glatzenbildung finden lassen wird.
Das umfangreiche Kapitel über Risiken und Missbrauch diskutiert die Schattenseiten
der Gentechnik, die - das betonen die Autoren - ebenso wie andere technologische
Durchbrüche durchaus Gefahren mit sich bringt. Diese muss man beurteilen und
gegen die Risiken abwägen, die mit dem Nichteinsatz von Gentechnik verbunden
sind. Wichtig dabei ist die öffentliche Diskussion von Themen wie genetische
Daten(-banken), Designerbabys, Biowaffen, Patente auf Leben, Eugenik oder das
Klonen. (Eichborn)
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