Lorenzo de'Medici: "Die Medici"
Die Geschichte meiner Familie
Wir sind die Guten, meistens
jedenfalls
Lorenzo de' Medici, Sohn eines Medici-Prinzen und einer
Prinzessin und vermutlich selbst Träger dieses Titels, wurde in Mailand geboren
und studierte Ökonomie in der Schweiz und Kunstgeschichte in den USA. Er lebt
heute als Schriftsteller in Barcelona.
Die erste Besonderheit stellt
bereits der Name des Autors dar: Lorenzo de' Medici. Es ist ausnahmsweise nicht
il Magnifico damit gemeint, der legendäre humanistische Pfeiler Medici, sondern
ein aktueller Spross gleichen Namens.
Was ist Motivation des Autors, der
Welt ein weiteres Buch über die Medici zu bescheren? Da sind gleich mehrere
Gründe zu nennen. Ein Medici ist ein Spezialist für 800 Jahre Familiengeschichte
und vermag einen familienfokussierten Längsschnitt durch 800 Jahre europäischer
Geschichte zu präsentieren. Ein weiterer Grund liegt darin, dass die
Geschichtsschreibung mit dem Tod der Anna Maria Luisa de' Medici 1743 die
Familie für ausgestorben erklärt, was wohl nicht ganz korrekt ist. Doch es
gesellt sich eine dritte Motivation hinzu, denn der Autor behauptet, dass die
aktuelle Rezeption zumindest der Caterina de' Medici zweifelhaft sei. Drei gute
Gründe, dieses Buch zu schreiben, und auch drei gute Gründe, das Buch zu lesen,
soviel sei vorweg verraten.
Im Vorwort kündigt der Autor an, den Fokus
seines Buches nicht auf die üblichen Verdächtigen zu legen, die ohnehin
Gegenstand vieler Bücher des betreffenden zeitlichen und örtlichen Umfelds sind.
Und so werden Cosimo und vor allem Lorenzo der Prächtige kurz gehalten. Aber
dennoch gelingt es dem Autor, den Geist dieser Großen de' Medici
einzufangen.
Als Händler im 14. Jahrhundert zu Wohlstand gekommen,
finanzierten die Medici als Bankiers Päpste und Könige und erwarben so ein
immenses Vermögen. Geschickt gewannen sie das Vertrauen der Florentiner
Bevölkerung, die 1434 Cosimo als Pater Patriae zum Stadtregenden erhob. Seit
Anfang des 15. Jahrhunderts begründeten die Medici mit gezielter Förderung von
Künstlern und Schriftstellern die Wiedergeburt der Kultur der griechischen und
römischen Klassik, die sprachlich in Lateinisch und Toskanisch einen
zweisprachigen Humanismus ausbildeten. Man kann in T. C. W. Blannings Buch "Das Alte Europa
1660-1789" nachlesen, wie wichtig die Verfügbarkeit landessprachlicher
Literatur für die Emanzipation der bürgerlichen Welt in der Zeit der Aufklärung
wurde. Lorenzo der Prächtige war Motor dieser Entwicklungen, hoch gebildet und
seiner Zeit weit voraus. Doch ganz lupenrein strahlt der Prächtige nun doch
nicht, denn er ließ seinen Sohn Giovanni mit 14 Jahren zum Kardinal ernennen -
wenngleich dies aus dynastischer Sicht völlig geboten schien. Als dieser dann
später Papst geworden war, merkte man, dass er noch nicht einmal seine
Priesterweihen hatte. So erhielt er im Eiltempo seine Priester- und seine
Bischofsweihe, bevor er also Leo X. sein Amt antrat.
Papst Leo X., Sohn
Lorenzos, des Prächtigen, war in der Reihe der Päpste vor und nach ihm
eigentlich ein vergleichsweise sympathischer Mensch, der weder die skandalösen
Ausschweifungen des Borgia-Papstes,
seines Vorvorgängers, pflegte, noch eine rücksichtslose Machtpolitik betrieb wie
sein Vorgänger Julius II. Seine Agenten waren in ganz Europa unterwegs und
kauften Kunstwerke und Bücher im großen Stil. Eine Art Gegenfinanzierung mit
langer Tradition bildete hierbei der Ablasshandel, aber just während seines
Pontifikats nahm Martin Luther daran massiven Anstoß und klopfte seine Thesen an
die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Der Medici-Papst schätzte die Situation
falsch ein und wurde somit verantwortlich für die Kirchenspaltung der
Folgejahre. Im Übrigen habe er das Geld dreier Päpste ausgegeben, sagte man: das
seines Vorgängers, das seine sowie das seines Nachfolgers.
Seinem Cousin
kam als Clemens II. die englische Kirche abhanden, weil er sich bekanntlich
weigerte, die Ehe des englischen Henry VIII. für ungültig zu erklären. Ein
Bündnis mit den Franzosen brachte ihm den Zorn Karls V. ein, der
1527 Rom
einnehmen und sehr gründlich ausplündern ließ.
Ein größeres Kapitel ist
Caterina de' Medici gewidmet, die an den französischen Thronfolger und späteren
König Henri II. verheiratet wurde. Nach dessen Tod übernimmt sie kommisarisch
für 30 Jahre die Regentschaft für drei minderjährige und kränkelnde Söhne. Der
Autor beklagt sich über das Renommee der Caterina insbesondere in Frankreich, wo
sie oft noch mit den Hugenottenkriegen in Verbindung gebracht wurde und als
Anstifterin des Fanals der Bartholomäusnacht gilt. Zu Unrecht findet der Autor,
denn sie habe stets nur vermitteln wollen. Doch Fakten, die diese Ansicht
untermauern, bietet er nicht, dennoch neigt der Rezensent dazu, ihm in seiner
Argumentation zu folgen, zumal der Autor in dem Buch als Ganzes nicht den
Eindruck hinterlässt, er betreibe er familiäre Denkmalpflege.
Einen
weiteren Schwerpunkt bildet Maria de' Medici, die mit
Henri IV. die
Bourbonendynastie begründete. Doch diese verfügte bei weitem nicht über Bildung
und Charakter der Caterina.
Nach Ende der mediceischen Großherzöge der
Toskana gleiten die Medici in die Zonen der geschichtlichen Bedeutungslosigkeit
ab. Doch der Autor versorgt den Leser mit weiteren Familienmitgliedern bis hin
zu des Autors Großeltern, Eltern und Bruder.
Kritik
Auf Seite
48 lässt sich der Autor auf eine Aussage zu den drei Medici-Päpsten ein, die
vielleicht als Familienlegende durch die Jahrhunderte geisterte, aber dennoch
falsch zu sein scheint: "Man kann es daher als etwas absolut Außergewöhnliches
und Einmaliges betrachten, dass eine Familie drei Päpste stellte." Aber aus dem
Geschlecht dei conti di Segni entstammen ebenfalls drei Päpste, nämlich Lotàrio
(Innozenz III.), Onkel des Ugolino (Gregor IX.), der wiederum Onkel des Rinaldo
(Alexander IV.) war, die alle im 12. Jahrhundert lebten. Im Übrigen gab es eine
römische Familie, die sich in der Grafschaft Tusculum niederließ und aus der im
10. Jahrhundert ebenfalls drei Päpste hervorgingen: Benedikt VIII., Johannes
XIX. und Benedikt IX. Manchen Quellen zufolge waren es insgesamt sogar neun
Päpste aus der Grafschaft Tusculum, die im 10. und 11. Jahrhundert
wirkten.
Hinsichtlich des Geburtsdatums des späteren Clemens VII.
herrscht Unklarheit. Der Autor erwähnt ein Dokument, das den 6. März 1478 als
Geburtsdatum nennt, entschließt sich jedoch dazu, das Geburtsdatum als zwischen
den letzten Monaten 1477 und den ersten Monaten 1478 anzunehmen. Das
üblicherweise sehr zuverlässige Bautz-Kirchenlexikon nennt jedoch den 26. Mai
1478, was von "Wikipedia" und vielen Anderen weiterverbreitet wird. Hier hätte
es den interessierten Leser gefreut zu erfahren, weshalb der Autor zu der
Überzeugung gelangt ist, eine konkrete Datierung sei nicht möglich oder
sinnvoll.
Eine formale Kuriosität kann man in dem Buch beobachten, denn
die Mitglieder der Familie de' Medici werden mit ihrem italienischen Vornamen
bezeichnet, alle anderen bedeutenden Gestalten hingegen werden eingedeutscht. So
heiratete also die Caterina den Heinrich. Immerhin wird den Lesern eine
"Katharina von Medici" erspart. Man möge in den Lektoraten die Praxis des
Eindeutschens der Namen historischer Persönlichkeiten überdenken, wünscht sich
der Rezensent.
Das Literaturverzeichnis hat einen leicht kuriosen
Anstrich, denn es enthält 23 Büchlein in vier Sprachen, darunter die beiden
Bände des dtv-Atlas zur Weltgeschichte, einzeln aufgeführt, und Rankes
Geschichte der Päpste in einer französischen Ausgabe von 1848. Hier könnte man
fast behaupten, die Bibliothek des Rezensenten sei besser sortiert, denn dieser
besitzt immerhin die Medici-Biografie von Marcel Brion, die der Autor nicht zu
kennen scheint. Unter den französischen Werken sucht man die des Philippe
Erlanger beispielsweise auch vergeblich.
Fazit
Der Autor
schreibt im Vorwort, dass er seinem Namensgeber Lorenzo de' Medici, über den
"zahlreiche Bücher in vielen Sprachen geschrieben wurden", nur wenige Zeilen
gewidmet habe und sich eher denen zuwendet, die weniger bekannt oder sogar
praktisch unbekannt sind. Damit klassifiziert er das vorliegende Buch zu einem
potenziellen Zweitbuch zu den Medici, denn Lorenzo der Prächtige steht
für einen wesentlichen Teil mediceischer Bedeutung. Allerdings geht aus den
wenigen Zeilen zu Lorenzo doch die Essenz dieses Ausnahmemenschen hervor, sodass
das vorliegende Buch durchaus auch geeignet ist, als alleiniges Medici-Buch ein
Regal in Grundausstattung zu bestücken, zumal das Angebot zu den Medici ohnehin
nicht berauschend ist.
Sprachlich ist das Buch nicht immer in Höchstform,
denn es werden "Schenkungen getätigt" (S. 14).
Es ist sehr oft vom Blut der
Medici die Rede. Meistens kann man es als eine Metapher auffassen, gegen Ende
des Buches wird man dann doch damit konfrontiert, dass im englischen Königshaus
kein Blut der Medici mehr fließe, da keine verwandtschaftliche Beziehung
herzustellen sei. Es folgen Bemerkungen, die darauf schließen lassen, dass das
Blut der Medici für einen Medici tatsächlich von Bedeutung ist. Der bürgerliche
Rezensent wünscht sich indes, dass nicht das Blut der Medici die Venen der
zeitgeschichtlichen Akteure durchfließe, sondern Teile des mediceischen Geistes
des 15. Jahrhunderts vielmehr deren Gedanken beflügele ...
Das Buch ist
319 Seiten stark, gebunden und enthält eine Reihe mehrheitlich farbiger
Abbildungen, Anmerkungen, eine kurze Bibliografie und ein
Personenregister.
(Klaus Prinz; 03/2006)
Lorenzo de' Medici: "Die Medici"
Übersetzt
von Silvana Albinoni.
Gustav Lübbe Verlag, 2006. 319 Seiten.
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Weitere Buchtipps:
Lauro
Martines: "Die Verschwörung. Aufstieg und Fall der Medici im Florenz der
Renaissance"
Eine Geschichte so spannend wie ein Krimi: Das Attentat auf
Lorenzo de Medici und seinen Bruder Giuliano, seine Vorgeschichte und die
Folgen. Martines zeichnet ein spannendes Porträt von Italien und Florenz zur
Zeit der Renaissance. Im Mittelpunkt steht Lorenzo il Magnifico, der "Prächtige"
- Dichter, Staatsmann, Kenner und Förderer der Schönen Künste, aber auch
skrupelloser Machtpolitiker. (Primus Verlag)
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Ingeborg Walter: "Der Prächtige.
Lorenzo de' Medici und seine Zeit"
Lorenzo de’ Medici (1449-1492) ist
wohl das berühmteste Familienmitglied der Medici in Florenz - als "der
Prächtige" ist er in die Geschichte eingegangen. In enger Anlehnung an die
historischen Quellen und auf der Basis der neuesten Forschungen entwirft
Ingeborg Walter ein Bild jener Zeit, in dem über die Person Lorenzo de’ Medicis
hinaus die Lebensformen und die Mentalität der Renaissance wiederaufleben. Als
Enkel von Cosimo de’ Medici (1395-1464) war Lorenzo dazu bestimmt, die
Machtstellung der Bankiersfamilie in der Stadtrepublik zu bewahren und zu
stärken. Glänzende Begabung, grenzenloser Ehrgeiz und zupackendes Wesen schienen
ihm diese Aufgabe leicht zu machen. Aber die nie gänzlich erstickte Opposition
gegen den Vorrang der Medici mündete in eine blutige Verschwörung, die ihn fast
das Leben gekostet hätte und Florenz in einen langen Krieg stürzte. Trotz aller
Versuche, seine Stellung auch konstitutionell abzusichern, blieb diese bis
zuletzt gefährdet und bestritten. Zwei Jahre nach seinem Tod wurden die Medici
aus Florenz vertrieben.
Ingeborg Walters Buch beschäftigt sich jedoch nicht nur mit dem politischen
Drama und den erfolglosen Versuchen, den Niedergang der Medici-Bank abzuwenden.
Es zeigt den "Prächtigen" auch bei seinen poetischen Liebesspielen, als glänzenden
Gastgeber, als den Dichter und Intellektuellen, der als Mittelpunkt eines Kreises
von Humanisten, Poeten und Philosophen den Ruf seiner Heimatstadt als der kulturellen
Hauptstadt Italiens förderte und das geistige Klima bestimmte, in dem Künstler
wie Leonardo da
Vinci und
Michelangelo ihre Lehrjahre
verbrachten. Wir lernen ihn auch als Ehemann und liebevollen Vater kennen, der
mit seiner weitsichtigen Familienpolitik den Medici die politische Zukunft sicherte.
(C.H. Beck)
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Tobias Leuker: "Bausteine eines
Mythos. Die Medici in Dichtung und Kunst des 15. Jahrhunderts"
Im Florenz
des 15. Jahrhunderts gelang es der Familie Medici, die politischen Strukturen
der Republik aufzuweichen und sich selbst an der Spitze des Staates zu
installieren. Kaum je wurde ein solches Streben so konsequent durch die
zeitgenössische Kunstproduktion flankiert. Auf welche Weise Werke der Dichtung
und der bildenden Künste dazu beitrugen, den Weg der Medici zu ihrer
hegemonialen Stellung zu ebnen, zeigt anhand ausgewählter Zeugnisse aus Poesie,
Malerei, Skulptur und Numismatik erstmals die vorliegende Studie. Für
wechselseitige Erhellung der betrachteten Werke sorgt der interdisziplinäre
Blick auf zum Teil bisher unedierte lateinische und volkssprachliche Texte sowie
bildliche Darstellungen profaner und religiöser Themen, so dass auch
vermeintlich ergründete Sujets wie die Venusallegorien Botticellis in neuem
Licht erscheinen. Auch die Frage, wie Poesie und Kunst im politischen
Tagesgeschäft der Medici zum Einsatz kamen, findet hinreichend Beachtung.
Inwiefern sich dabei bereits von einer mediceischen Kulturpolitik, insbesondere
unter Lorenzo dem Prächtigen, sprechen lässt, vermag der Autor fundiert zu
beantworten. (Böhlau Verlag)
zur Rezension ....
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