Zakes Mda: "Die Madonna von Excelsior"


Ein farben- und facettenreicher Roman über den steinigen Weg Südafrikas von der Apartheid zur Demokratiey

"Alles entspringt nur den Verfehlungen unserer Mütter."

Mit dieser ironischen Feststellung beginnt und endet Zakes Mdas zum Teil auf Tatsachen beruhender Roman, der das letzte Drittel der südafrikanischen Geschichte in bezaubernd schlichter und dennoch eindringlicher, erschütternder Weise aufarbeitet.

Niki, ein armes, attraktives und zunächst naives schwarzes Mädchen aus dem Burenstädtchen Excelsior in der Provinz Free State, wird von gewieften Freundinnen dazu gebracht, sich gegen Geld mit einem weißen Farmer einzulassen, der schwarzen Frauen nachstellt - eine zutiefst erniedrigende Erfahrung. Zudem werden sexuelle Handlungen zwischen Angehörigen verschiedener Rassen aufgrund der Rassentrennungsgesetze mit hohen Strafen geahndet.

Niki heiratet schließlich einen schwarzen Minenarbeiter und schenkt ihm einen Sohn. Ihr Mann beginnt zu trinken und wird zunehmend gewalttätig; schließlich verlässt er seine kleine Familie. Niki arbeitet in der Metzgerei von Excelsior, unter anderem auch als Kindermädchen des Sohnes der Besitzer, Tjaart, den sie wie ein eigenes Kind liebt. Als die Metzgersfrau Niki eines Tages vor allen Angestellten und ihrer Familie zu Unrecht und zutiefst gedemütigt hat, rächt diese sich, indem sie sich den Metzger sexuell hörig macht. Die beiden vergnügen sich in der Folgezeit häufig in einer Scheune, die zu einer Art "Swinger-Club" für andere gemischtrassige Paare geworden ist. Unter den Männern sind Excelsiors Bürgermeister, der Pfarrer und ein Polizist.

Dann bringen die schwarzen Frauen hellhäutige Babys zur Welt, so auch Niki ihre Tochter Popi. Es kommt zu einem gerichtlichen Prozess gegen die an den Aktivitäten in der Scheune Beteiligten, der internationale Aufmerksamkeit erregt und - nachdem die schwarzen Frauen sich viele Demütigungen gefallen lassen mussten - mit Freisprüchen endet.

Über Jahre hinweg ernährt Niki ihre Kinder mit Geld, das sie als Nacktmodell und Madonna mit Kind für "Trinity", einen Maler und Priester, erhält. Niki und Popi führen aufgrund der Ächtung durch ihre schwarzen und weißen Mitbürger ein zurückgezogenes Leben. Popi kann sich selbst in ihrer Andersartigkeit nicht annehmen, obwohl die Anzahl der "farbigen" (gemischtrassigen) Kinder auch nach dem Prozess ständig zunimmt.

Nikis mittlerweile erwachsener Sohn Viliki schließt sich der schwarzen Untergrundbewegung an, während Tjaart Cronje, Nikis ehemaliger weißer Schützling, in der Armee gegen die Bewegung ankämpft.

Während des letzten Aufbäumens der Apartheid wird die unbeteiligte Popi schwer verletzt, als weiße Polizei eine friedliche, von Viliki geführte Demonstration gewaltsam zerschlägt. Von nun an zieht es auch Popi in die "Bewegung". Als die Schwarzen alle Bürgerrechte erhalten, wird Viliki Bürgermeister von Excelsior; auch Popi gehört dem Gemeinderat an, ebenso wie Tjaart Cronje - als Vertreter einer ultrarechten Partei -, mit dem sie sich künftig hasserfüllte Kämpfe liefert.

Die Schwarzen zerstören ihre eigenen großen Hoffnungen durch Vetternwirtschaft und interne Machtkämpfe. In den Townships greift AIDS vehement um sich. Popi und Viliki, von den anderen schwarzen Gemeinderäten isoliert, votieren schließlich sogar für eine weiße Bürgermeisteramtskandidatin. Das führt zu ihrem Ausschluss aus der "Bewegung".

Popi und Viliki erfahren nun, dass manche Weiße sich gewandelt haben und ihnen mit Achtung und Aufgeschlossenheit begegnen. Und als Popi eines Tages, sechzehn Jahre nach der letzten Sitzung mit Niki als Modell, "Trinity" besucht und seine Bilder betrachtet, machen ihr Hass und ihre Wut einer inneren Leere Platz, die sie durch eine mit Niki betriebene Bienenzucht füllen kann.

Inzwischen ist Tjaart Cronje, der - vom alten Regime zum fanatischen Kämpfer für die Apartheid und die Buren erzogen - seinen Platz im neuen Südafrika nicht finden kann, schwer erkrankt. Er macht seinen Frieden mit Popi, erkennt sie von sich aus als seine Halbschwester an und lässt sie wiederum Frieden mit ihrer Andersartigkeit schließen, als er sie "wunderschön" nennt.

Das Buch endet mit einem ruhigen, ein wenig mystischen Bild, das zwar viele Fragen offen lässt, aber eine zuversichtliche Grundstimmung vermittelt.

Jedem der kurzen Kapitel geht die eindringliche Beschreibung eines Bildes voran. Die Bilder stammen von Pater Frans Claerhout ("Trinity"), der in der Tradition der flämischen Expressionisten mit üppigen Pinselstrichen, ausdrucksstarken Farben und verfremdeten Formen sein Südafrika malt. Wie die Bilder sind Zakes Mdas Charaktere kraftvoll und farbintensiv, kontrastreich und mit ausgeprägten Konturen versehen. Manches Kapitel wird selbst zu einem Bild, statisch, Reflexion einer eingefangenen Bewegung. Immer wieder begegnen sich der weiße Maler und der schwarze Schriftsteller, ihre Ausdrucksformen vermischen sich, befruchten einander und erzeugen ein ungemein lebendiges Abbild von Südafrika.

Als Popi vierzehn Jahre alt ist, entsteht das letzte Bild mit Madonna und Kind, für das sie und Niki Modell sitzen. Sowohl die Madonna als auch das Kind zeigen Popis Züge, und tatsächlich ist Popi beides - ihr Leben lang ein naives Kind voller Träume und als erwachsene Frau in der Tat jungfräulich, unschuldig in vielfältiger Hinsicht: idealistisch, unbestechlich, voll von unverfälschten Gefühlen und Verantwortungsbewusstsein für ihr Umfeld. Sie als Mischling steht für die Chance des neuen Südafrika, aus dem Erfahrungsschatz beider Rassen das Beste zu machen.

Eine eindrucksvolle Geschichte von Höhepunkt, Ende und Ablösung des Apartheid-Regimes, ohne Hass und Revanchegelüste erzählt. Mda trifft alle Facetten, lässt alle Opfer, schwarz und weiß, zu Wort kommen, schildert ihre Hilflosigkeit während der Apartheid und besonders danach. Die Betonung liegt aber auf den Gemeinsamkeiten und der Annäherung, die ja schon eingangs durch die Leidenschaft der weißen Männer für die schwarzen Frauen (die auch symbolisch für das Ursprüngliche des Landes und seine Ausbeutung stehen) versinnbildlicht wurden. Ob das gemeinsam geschaffene neue Südafrika so wunderschön wie Popi sein wird, muss die Zukunft zeigen.

Ein Lob für den Übersetzer darf an dieser Stelle nicht fehlen, denn die intensive, an alle Sinne appellierende Sprache trägt ganz wesentlich zur Faszination dieses Romans bei und macht ihn zu einem außergewöhnlichen Leseerlebnis.

(Regina Károlyi)


Zakes Mda: "Die Madonna von Excelsior"
(Originaltitel "The Madonna of Excelsior")
Übersetzt von Peter Torberg.
Unionsverlag, 2007. 320 Seiten.
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Zakes Mda (eigentlich Zanemvula Kizito Gatyeni Mda), geboren 1948, gehört zu Südafrikas bekanntesten Romanciers und Theaterautoren. Aufgewachsen in Soweto und in Lesotho, emigrierte er 1963 in die USA und studierte in Ohio. 1995 kehrte er nach Südafrika zurück. Neben dem Schreiben ist er auch als Dramaturg am Johannesburg Market Theatre und als Maler, Komponist und Filmemacher tätig, züchtet Bienen und leitet den "Southern African Multimedia AIDS Trust" in Sophiatown, Johannesburg. Sein Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.