Friederike Mayröcker: "Und ich schüttelte einen Liebling"
Poetischer
Waldspaziergang
Zu einem wahrhaft poetischen Spaziergang lädt
Friederike Mayröcker die Lesenden ein.
Sie erzählt von ihrem Leben mit ihrem Gefährten Ernst
Jandl mitsamt den
vielen Begegnungen, Erinnerungen und Gedanken.
Friederike Mayröcker nutzt hierbei ihr gesamtes poetisches
Potenzial und
springt nahezu gleitend von einem Gedankengang zum nächsten.
Als ob sie selbst mit
dem Leser durch den Wald der Erinnerungen ginge, pointiert sie
unterschiedliche Eindrücke und wechselt fließend die
Schilderungen ihrer
Erfahrungen. Es mischen sich in die Ausführungen diverse
Gefühlslagen bezüglich
der vergangenen Zeit.
Der Waldspaziergang irritiert an vielen Stellen. Als ob man sich an
verschiedenen Bäumen
am Wege stoßen könnte, die sich nachher in Luft
auflösen, schreitet man voran durch das Dickicht der
Sätze. Diese lassen Kommazeichen aus, das "ß" wird
zu "sz", was die Lesbarkeit sehr eigenwillig werden lässt. Man
ist schon beim nächsten Gedankengang, ehe der vorherige
beendet ist. Schließlich ist man verirrt im Wald, ohne aber
die Orientierung zu verlieren.
In dieser Doppeldeutigkeit hangelt man sich im positiven Sinne weiter:
Wort für
Wort, Satz für Satz, Erlebnis für Erlebnis und
schweift von Nebensächlichkeiten
zu Kernpunkten.
Ernst Jandl wird im Hintergrund erfahrbar als Lebens- und
Schreibgefährte Mayröckers
und schwebt behutsam zwischen den Zeilen.
Friedericke Mayröcker ist es gelungen, einen durch und durch
vielseitigen Wald
darzustellen, der neben gefestigten, geschichtsträchtigen
Bäumen und modrigem
Kleinholz auch junge, hoffnungsvolle Triebe in den Blick rückt.
"Und ich schüttelte einen Liebling" ist ein behutsames,
liebevolles
und respektreiches Erinnern an eine einzigartige Partnerschaft.
Mayröcker
sammelte ihre vielen Aufzeichnungen in diesem schönen Band;
dass diese Sammlung
zum Teil sehr durchgeschüttelt wirkt, macht sie sehr
eigenwillig und fordert
die Lesenden stark heraus. So wird das Erinnern zu einer guten Kraft,
sich auf
einen fabelhaften Weg voller Lyrik und Prosa zu machen.
(Detlef Rüsch; 09/2005)
Friederike
Mayröcker: "Und ich schüttelte einen
Liebling"
Gebundene Ausgabe:
Suhrkamp, 2005. 238 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
Suhrkamp, 2007.
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Weitere
Bücher der Autorin
(Auswahl):
"dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif - Gedichte
2004-2009"
Auf der Tastatur ihrer Schreibmaschine treibt Friederike
Mayröcker Wort- und
Satzmagie. Sie setzt die Dimensionen von Zeit und Raum außer
Kraft, verwandelt
die Sinne, lässt Wunder geschehen: Ihre Verse machen uns
sehen, was sich
unserer Anschauungskraft entzieht, heben ins Schwerelose, was
außerhalb der
Poesie der Vergänglichkeit alles Profanen unterliegt.
Friederike Mayröcker
schreibt nicht auf, wie die Wirklichkeit ist - das Schreiben selbst
erzeugt die
Wirklichkeit: unmittelbar und intensiv.
Zum 85. Geburtstag der Autorin versammelt dieses Buch
sämtliche zwischen
Jahresbeginn 2004 und März 2009 entstandenen
Gedichte. Zusammen mit dem
Band "Gesammelte Gedichte" (2004) liegen damit alle lyrischen Texte
vor, die Friederike Mayröcker jemals zur Publikation bestimmt
hat. (Suhrkamp)
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"Paloma"
Das Buch trägt den Namen der Tauben im Flieder, der
geflügelten Boten im Azur. 99 Briefe auf der Kreisbahn eines
Jahres, von Mai 2006 bis April 2007: "lieber Freund, die
weiszen Lilien,
die du mir zur Tür gelegt hast, sind eine grosze Lust mein
Schreibzimmer voll Glanz und Duft : das wird mich anfeuern zu schreiben",
hebt der erste von ihnen an, in den Frühling geschrieben, den
dichtenden Vögeln nach. "Fern Schreiben"
sind es, an den Freund, den Leser und an ihn, den abwesenden
Verbündeten, der dahin ist und doch nie gegangen.
Während draußen die Gegenstände wie
Bühnenkulissen wechseln und das Leben sich im Fenster
vis-à-vis spiegelt, hält Friederike
Mayröcker Zwiesprache mit sich selbst: "bin den
ganzen Tag am Lauschen : Worte, Wortbilder, Sätze, (...)
fliege immer wieder auf und nieder, hierhin und dahin."
"Paloma" ist ein kühnes, poetisches, wildes Buch über
den Umgang mit sich und die "Menschen Verhältnisse",
die Generalinventur einer großen Dichterin. Über das
Schreckgespenst des Alters, die Geisteszerrüttung, den
Schwindel siegt eine tiefe Lebenslust, die Glut des Schreibenwollens
und die rücksichtslose Hingabe an die alles verwandelnde,
tragende, die zum Himmel auffahrende Sprache: "Möchte
saphirene Texte schreiben tatsächliches
Blau." (Suhrkamp)
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"Scardanelli" Gedichte
Die Spur führt nach Tübingen, in eine Turmstube
oberhalb des Neckars. Dort
sitzt einer und schreibt.
Hölderlin nennt er sich indes nicht mehr. Seine
Gedichte unterzeichnet er "Mit Unterthänigkeit /
Scardanelli".
Seine Stube verlässt er nur selten, und doch begegnet ihm
Friederike Mayröcker
auf ihren Streifzügen durch magische Kopf- und
Sprachlandschaften auf Schritt
und Tritt: Einmal stößt sie auf ihn, "wo
junge Blättchen wo
verborgene Veilchen schwärmten", dann wieder zeigt
er sich als "1
schöner / Wanderer mit Alpenhut und einer Blume in seiner /
Hand".
Zwischen Januar und September 2008 entstanden 40 Gedichte, in denen
Friederike
Mayröcker dem
hymnischen Ton und den freien Rhythmen Friedrich
Hölderlins
folgt. Meist reicht ein einzelnes Wort, manchmal ein Teil einer
Verszeile, um
die Sehnsucht zu beflügeln: "ich möchte /
leben Hand in Hand mit
Scardanelli". (Suhrkamp)
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"ich
bin in der Anstalt - Fusznoten zu einem
nichtgeschriebenen Werk"
Eine Prosaschrift der Betrachtungen von Körperlichkeit und
Körperempfinden, ein Tasten nach den ständig sich
verschiebenden Grenzen von Innen und Außen, ein Versuch ihrer
Auflösung im Moment des
Schreibens, radikal und schonungslos:
"ich habe die Staubkrankheit, in Eschen laufend, ich wache auf
mit dem Wort ZWISCHENGEBIRGE, wir fahren im Lift abwärts und
ich ziehe 1 grünes Haar aus dem Ärmel seines
schwarzen Mantels, Nixe mit grünen Haaren, der alte
grüne Steingutteller mit den grünen
Seerosenblättern, vor Wochen auseinandergebrochen, wieder
geklebt, aus groszelterlichen Beständen oder weiter
zurück, etwas wie Wollust über die
Seerosenblätter zu streichen, imaginiere, wie sie, die
längst Hingegangenen, ihre Speisen darauf verzehrt hatten,
vermutlich Kuchenstücke, Bäckereien, denn es gab kein
Leid in der Tiefe ihrer Schritte, ich heize, neige (dazu),
überstürzt zu handeln, zu antworten, in Eschen
laufend, und trug grünes Reisig unter den Augen,
nämlich Rousseau, 'ich liebe es, mich mit Nichtigkeiten zu
befassen, 100 Sachen anzufangen und keine zu Ende zu bringen, oder den
ganzen Tag wirr und planlos zu vertändeln', mit
grünen Ziegenblättern, etc." (Suhrkamp)
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