Georg J.E. Mautner Markhof: "Verschwörung der Inquisitoren"
Der Ketzerprozess gegen den häretischen Freigeist
Miguel
Serveto im reformierten Genf des Jahres 1553
Ein atemberaubendes und leider vergriffenes Buch,
das man, einmal angelesen, nicht mehr so schnell aus den Fingern legt. Dabei handelt
es sich bei der "Verschwörung der Inquisitoren" nicht etwa um eine spannungsgeladene
Erzählung, sondern um die Dokumentation von inhumanem Starrsinn und Kriminalität
im Namen Gottes, also der Klassifizierung nach ein Sachbuch, was manche Personen
mit sachlicher Langeweile assoziieren mögen. Der Autor des fesselnden Textes ist
den meisten Lesern aus Österreich sehr wohl bekannt, wenn sie mit seinem Namen
auch keine literarischen Erfahrungen verbinden werden. So wird Dkfm. Georg J.E.
Mautner Markhof politisch interessierten Zeitgenossen noch als einstmalig eloquenter
Mitstreiter des national-liberalen Politikers Jörg Haider in Erinnerung sein,
der ganz allgemein seiner Wirtschaftskompetenz und seines Charismas wegen für
ministrabel befunden wurde. Nach einem Zerwürfnis mit Jörg Haider distanzierte
er sich von dessen Freiheitlicher Partei Österreichs (FPÖ), wandte sich sodann
zeitweilig dem ebenso von der FPÖ abgespaltenen Liberalen Forum (LiF) zu, um schließlich
als gestandener Patriarch - den man ihm nachsagt - an der allzu gesellschaftsliberalen
Politik des LiF Anstoß zu nehmen. Bekannter noch als der Politiker Georg J.E.
Mautner Markhof sind die Produkte (Senf, Fruchtsirup, Essig, Kren) des auf Feinkost
spezialisierten Familienunternehmens Mautner Markhof, dessen Leitung Georg J.E.
Mautner Markhof im Zeitraum 1971 bis 1996 innehatte. Weit weniger bekannt als
die Personalunion von wortgewandtem Politiker mit dem Fabrikanten von Feinkostprodukten
ist der Schriftsteller Georg J.E. Mautner Markhof, welcher übrigens nach wie vor
Bücher veröffentlicht, die - seien sie auch nur halb so gelungen wie die "Verschwörung
der Inquisitoren" - jedermann eine Überlegung wert sein sollten. Sein Status als
relative Randexistenz im Literatenmilieu besteht jedenfalls völlig zu unrecht,
und es wird mir darin einfach nur zustimmen, wer sein Schrifttum einmal kaum flüchtig
gekostet hat. Handelt es sich doch um literarische Feinkost der besten Sorte,
die mit dem ersten Bissen überzeugt, um dies in der Terminologie des Feinkostfabrikanten
auszudrücken.
Im Zentrum der Betrachtung des
gegenständlichen Buches steht die historische Figur des Spaniers Miguel Serveto
(1511-1553), Theologe, Naturphilosoph und Arzt, der am 27.10.1553 in Genf wegen
Häresie den Flammentod erlitt. Der ihm angelastete Frevel bestand in einer von
der herrschenden Orthodoxie abweichenden Auslegung des bis heute geltenden Trinitätsdogmas
der christlichen Kirchen, welches die
Dreifaltigkeit
des einen Gottes im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes als
zentralen Glaubensgrundsatz bestimmt (jedes christliche Gebet endet immer noch
mit einem Bekenntnis zum Trinitätsdogma). Miguel Serveto, der sich der Tarnung
wegen auch Michel de Villeneuve oder Villanovanus nannte, hatte mit der rigorosen
Dogmatisierung des dreifaltigen Gottes offenkundig seine Probleme und scheute
sich auch nicht, in maßloser Selbstüberschätzung und in leichtfertiger Missachtung
drohender strafrechtlicher Konsequenzen, seine Zweifel an der göttlichen Person
Jesu Christi einer breiteren Öffentlichkeit zuzuführen. So erschien 1531 sein
erstes Werk: "De Trinitatis erroribus libri septem", in welchem er die Anschauung
vertrat, dass Christus sowohl als präexistenter Logos wie auch als Mensch mit
Gott eins sei; Christus sei jedoch nicht, wie in der traditionellen Trinitätslehre,
mit Gott wesensgleich. Es braucht nicht weiter erwähnt zu werden, dass dieses
als ketzerisch befundene Buch umgehend verboten wurde und Verfolgungshandlungen
der heiligen Inquisition gegen den aus dem Untergrund agierenden Autor zur Folge
hatte. In späteren Veröffentlichungen - die so wie die erste alle verboten wurden
und als Untergrundliteratur unter das Volk gebracht werden mussten - milderte
Serveto, gereift und nicht mehr so hitzköpfig wie noch im jugendlichen Alter,
seine Auslegungen von 1531 zwar ab, behielt in der Sache jedoch seinen Standpunkt
bei. Immer auf der Flucht und in Deckung vor den Schergen der Inquisition waren
ihm doch ab 1540 zwölf ruhige Jahre als Nobelarzt in Vienne (Frankreich) gegönnt,
wohin ihn ausgerechnet der Erzbischof Palmier berufen hatte, welcher selbstverständlich
nicht um den subversiven Charakter seines Protektionskindes wusste. Unbemerkt
von seiner näheren Bekanntschaft verfasste das honorige Mitglied der Stadtbürgerschaft
in dieser Zeit sein Hauptwerk "Christianismi Restitutio", womit er wiederholt
das Trinitätsdogma, wenn schon nicht widerlegte so doch relativierte, indem er
ausführte, Christus sei nur eine der Formen, in denen das ewige Wort und das Licht
Gottes zum Ausdruck kämen. Zu jener Zeit bemühte sich Serveto
um eine Annäherung an den Reformator
Johannes Calvin (1509-1564), welcher von
Genf aus mit fanatischem Eifer die Reform der Christenheit betrieb und von dem
er sich in Verkennung seines wahren Charakters theologische Unterstützung erhoffte.
Dem vom Papsttum als Ketzer stigmatisierten Calvin waren die Annäherungsversuche
des eifernden Spaniers jedoch mehr peinlich als recht und in einem als sensationell
zu beurteilenden Schulterschluss mit der katholischen Inquisitionsgerichtsbarkeit
(eigentlich sein Erzfeind) betrieb er in verschwörerischer Manier den Untergang
des genialen Kritikers herrschender Christologie, wobei er sich nicht einmal schämte,
der katholischen Inquisition höchstpersönliches Belastungsmaterial (nämlich vertrauliche
Briefe des Serveto) zu überlassen, was im April 1553 in Vienne zur Verhaftung
und zur Verurteilung von Serveto führte. Er sollte als Ketzer den Flammen übergeben
werden, doch ließ man den allseits beliebten Arzt der noblen städtischen Bürgerschaft
nach nur wenigen Hafttagen und zaghaften Verhören in den Morgenstunden des 7.
April aus dem Kerker entflüchten. Sonderbarerweise suchte Serveto ausgerechnet
in der Stadt Genf Schutz vor den Verfolgungen der Inquisition, also in jener Stadt,
von der die Verschwörung gegen seine Person insgeheim ihren Ausgang genommen hatte
und wo sein Todfeind Calvin als geistiger Diktator nicht nur in religiöser Hinsicht
den Tagesablauf der Bürger bestimmte. Calvin, der im einst lasterhaften Genf ein
konfessionelles Terrorregime errichtet hatte, dessen gnadenlose Strenge ihresgleichen
suchte, veranlasste umgehend die Verhaftung und Anklage Servetos wegen Häresie
und Störung der kirchlichen Ordnung. Das ordentliche Gerichtsverfahren (es handelte
sich um weltliche Gerichtsbarkeit) entpuppte sich bald schon als bloße Farce,
die dem Angeklagten keine Chance ließ. Trotz aller ihm im Prozess widerfahrenden
Unfairness, gelang es dem mit fanatischen Sendungsbewusstsein beseelten Serveto,
den niederträchtigen Anfeindungen Calvins die Stirn zu bieten, und hinter den
Kulissen ablaufende Ränkespiele und Intrigen zwischen rivalisierenden Parteien
der Genfer Bürgerschaft, deren eine maßgebliche Fraktion "die Patrioten" den unduldsamen
und fremdländischen Tyrannen Gottes gerne aus der Stadt verabschiedet hätten,
schienen dem Spanier eine Chance des Obsiegens im Prozess zu verheißen. Allein
es wollte nicht sein, das Schicksal war ungnädig und Calvin zu einflussreich,
und so erlitt Serveto letztlich einen Flammentod, der, so wird berichtet, wegen
ungünstiger Witterungsbedingungen am Tag seiner Verbrennung besonders qualvoll
gewesen sein soll. So wollte sich das Feuer einfach nicht richtig anfachen lassen
und die Schmerzensschreie der gepeinigten Kreatur führten zu panischen Mitleidsreaktionen
in der versammelten Meute Schaulustiger. Erst nach einer halben Stunde oder noch
später konnten die Henker den Vollzug der Todesstrafe vermelden.
Mautner-Markhof stellt von Anfang an außer Zweifel, welch grausames Ende Serveto
am Scheiterhaufen auf Champel bei Genf erwarten wird. Der Leser weiß um das
schlimme Ende des Freigeistes von den ersten Seiten an und doch ist der historische
Bericht voller Spannung im Text. Gelehrsam sind die theologischen und kirchengeschichtlichen
Ausführungen, deren das Buch reichhaltig ist. So erzählt
der Autor in einem eigenen zwischengeschobenen Kapitel auf sehr spannende Weise
von dem historisch verbürgten Theologenstreit zwischen Arius und Athanasius
zu Beginn des vierten Jahrhunderts, der mit der Ermordung des Arius und einem
Machtwort des zu jener Zeit noch heidnischen, weil ungetauften römischen Kaisers
Konstantin in Sachen göttlicher Dreifaltigkeit endete (Konzil von Nizäa; 325
n. Chr.). Arius, jener "große Ketzer" des frühen Christentums vertrat nämlich
die Auffassung, dass Jesus als Gezeugter doch einen "Anfang gehabt haben" müsse,
was wiederum den Schluss zuließe, dass es eine Zeit gegeben hätte, da der Sohn
"nicht da" war. Jesus sei zwar göttlich inspiriert gewesen, doch ansonsten wäre
er ganz und gar gezeugter Mensch gewesen. Mehr lasse sich aus den
Niederschriften
der Evangelisten zur Natur Jesu Christi einfach nicht herleiten. Dass
die bloß theologische Idee der göttlichen Dreieinheit unter diesen historischen
Umständen zum christlichen Glaubensdogma überhöht wurde, sei eben Folge von
Machtpolitik und kriminellen Handlungen gewesen, keinesfalls jedoch unumstößliche
Wahrheit göttlicher Wirklichkeit. Im übrigen wurde Arius nach vorübergehender
Verbannung vom Kaiser in allen Ehren rehabilitiert und nicht von kaiserlichen
Häschern, sondern vermutlich von den Anhängern des Athanasius in christlicher
Nächstenliebe gemordet. Jedenfalls verbreitete der heilige Athanasius die unappetitliche
Mär, Arius sei während eines Spaziergangs von Übelkeit befallen worden und deswegen
genötigt gewesen einen öffentlichen Abort aufzusuchen. Er sei dann entzweigebrochen,
der Mastdarm sei ausgetreten, der Leib immer dünner geworden, und schließlich
sei Arius in die Öffnung des Aborts gefallen und für immer verschwunden. Die
Angst einer Renaissance arianischer Christologie saß der Kirchenbürokratie offenbar
auch rund tausend Jahre danach noch immer in den Knochen und Calvin, der es
satt hatte in den Augen der römischen Glaubenswächter als Ketzer zu gelten und
dafür verfolgt zu werden, wollte eine solche Renaissance überwunden geglaubter
Häresie keinesfalls über seine Schiene laufen lassen. Sein charakterloses Verhalten
im Prozess gegen Serveto verwirklicht den Tatbestand des Justizmordes, wie auch
sein klerikales Terrorregime in Genf aus heutiger Sicht einfach nur als kriminell
einzustufen ist, obwohl Calvinisten nach wie vor bemüht sind die eifrige Praxis
grausamer Hinrichtungen und Folterungen angeblicher
Hexen
und Zauberer
mit der hochgradigen Verderbtheit der in Luxus und Üppigkeit schwelgenden Handelsstadt
Genf, wenn schon nicht zu rechtfertigen so doch erklärenderweise zu entschuldigen.
Der auf den Reformator zurückgehende und seinen Namen tragende Calvinismus entwickelte
sich hingegen im Großen und Ganzen zu einer humanistischen Strömung innerhalb
des Christentums weiter, dessen ethische Maximen und besondere Lebensart innerweltlicher
Askese der Soziologe Max Weber zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seinem Aufsatz "Die
protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus"
als grundlegend für die Herausbildung des Kapitalismus interpretierte und solcherart mit geschichtsmächtiger
Bedeutung versah, der wir Gegenwärtigen - je nach Sichtweise - das Glück oder
Elend unserer spätkapitalistischen Lebenswirklichkeit zu verdanken haben.
Es
ist ganz offensichtlich, dass Mautner Markhof mit Serveto sympathisiert, obgleich
er sich über den halsbrecherischen Tollmut des Spaniers wundert und seine Vorstellung
von göttlicher Liebe und Gerechtigkeit als unrealistisch und durch die historische
Entwicklung widerlegt erachtet, da "... der Großteil der Christen (bis heute)
nicht bereit zu sein scheint, ohne Scheiterhaufen und Höllenandrohung ihr Leben
dem Willen Gottes unterzuordnen und gemeinsam mit dem Erzengel Michael den Kampf
gegen alles Böse aufzunehmen. Die Annahme, man könne die Menschheit mit Gewalt
zu Gott führen, erweist sich ebenso als Illusion wie die Hoffnung, die Christenheit
werde sich aus eigenem, ohne Strafandrohung für Leib und Seele (Drohbotschaft),
zu einer göttlichen Welt bekennen." - Spekulieren andere Interpreten des Spaniers
heute noch über dessen weltverbesserischen Irrsinn, so ehrt Mautner Markhof Servetos
Martyrium als selbstlosen Kampf für Menschlichkeit und Toleranz. Ideengeschichtlich
betrachtet setzte Serveto den Grundstein für die Bewegung des Antitrinitarismus,
der es zu danken ist, dass die todeswürdige Häresie des 16. Jahrhunderts vom theologischen
Denken der Gegenwart weitgehend akzeptiert wird, wenn auch das Trinitätsdogma
nach wie vor in Kraft ist und die Christenheit von Juden und Moslems (welche einem
strengen Monotheismus anhängen) trennt. Die pessimistischen Schlussbemerkungen
Mautner-Markhofs über die Entwicklung des christlichen Glaubens kontrastieren
mit seiner anhaltenden Begeisterung für den lodernden Geist des Kämpfers für eine
undogmatische Frohbotschaft im Geiste Christi, welchem zu seinem 350. Todestag,
am 27. Oktober 1903 als Zeichen später Sühne ein Denkmal auf dem Champel bei Genf
errichtet wurde, dessen bedeutendster Finanzier die reformierte Kirche Genfs war.
Abschließend bleibt nur noch zu hoffen übrig, dass dieses packend geschriebene
Buch, welches 1974 bei Kremayr & Scheriau, Wien, erschienen ist, wieder neu
aufgelegt wird. Bücher dieser Art, welche gleichermaßen spannend wie bildend sind
und darüber hinaus das kritische Denken in bester aufklärerischer Manier stärken,
sollten eigentlich nie aus den Regalen des Buchhandels verschwinden.
(Harald S.; 1. Mai 2002)
Von Georg J.E. Mautner
Markhof sind zur Zeit erhältlich:
"Der verspielte Wohlstand"
Leopold
Stocker Verlag, Graz, 2000
Gebundene Ausgabe. 191 Seiten.
ISBN 3-7020-0890-X.
ca.
EUR 21,10.
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"Das St. Louis-Drama"
Leopold Stocker Verlag, Graz, 2001
Gebundene Ausgabe.
200 Seiten.
ISBN 3-7020-0931-0.
ca. EUR 21,10.
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