Sabina Riedl, Barbara Schweder: "Mimosen in Hosen"

Eine Naturgeschichte des Mannes


"Dieses Buch ist eine einzige Provokation." Allerdings eine köstliche. - Mit dieser Feststellung beendete der renommierte Biologe Bernd Lötsch sein Einleitungsreferat zum Anlass der Präsentation von "Mimosen in Hosen" am 13. September 2004 im Kinosaal des Naturhistorischen Museums, dessen Direktor Lötsch ist. Und ihm widerfuhr für seine pointierte Charakterisierung seitens des Autorenduos Riedl und Schweder keine Widerrede, was wohl nicht nur an dem Gewicht seiner Person gelegen sein dürfte. Denn fürwahr, dieses Buch ist wahrlich überschäumend der aufreizenden Thesen zur Naturgeschichte des Mannes.

In der Tat ist die gegenständliche Literatur in mehrerlei Hinsicht bestimmt keine leichte Kost für den Leser. Vorweg ist jedoch zu sagen: Gut leserlich ist sie sehr wohl, denn an streitbarer Eloquenz mangelt es den Verfasserinnen keineswegs. Ganz im Gegenteil, der Text liest sich wie ein beschwingter Galopp, ist rhythmisch und zuweilen auch ironisch, wie ja der Titel schon anklingen lässt, der laut Auskunft des Damenduetts zwar zufällig entstand, sodann jedoch eine Absicht überschreibt, die alles andere als zufällig ist: nämlich Schluss machen will mit dem Mythos vom starken Geschlecht. Verständnisprobleme tun sich beim Lesen kaum auf. Sabina Riedl ist Wissenschaftspublizistin im ORF und versteht ihr journalistisches Handwerk in tadelloser Manier zu verrichten. Komplizierte Sachverhalte mundgerecht zu verfüttern ist ihr täglich Brot. Das Geschwisterpaar Riedl und Schweder, Töchter des weltberühmten Biologen Rupert Riedl, hat also ein Buch geschrieben, das sich beschwingt und aufreizend liest. Aufreizend? Jawohl aufreizend, denn kritisch wird es in jenem Moment, wenn der Leser die gelieferten Inhalte und die Sprachform, in die sie verpackt sind, zu hinterfragen beginnt. Diese Inhalte sind nämlich im Stil eines kämpferischen Emanzenjargons vorgetragen und im Trend von einer biologistischen Sicht auf das Leben geprägt, was bestimmt nicht jedermanns Sache ist. Ersteres, der Emanzenjargon, provoziert im männlichen Leser ganz automatisch spontanen Widerspruch. Fällt ihm nichts Gegensätzliches zu den dargelegten Thesen ein, hält er sich zumindest reserviert, geht es ihm doch gerade ans Eingemachte. Letztlich wird er dieses gelehrte und faktenreiche Buch trotzdem begierig verschlingen. Allein schon deswegen, weil es bravourös geschrieben ist. Ebenso souverän wie duldend wird er der Damen "intellektuelles Gezänk" gegen seine männliche Identität ertragen und nur dort entgegnen, wo er es für angemessen hält. So ist es heutzutage der Brauch und so schickt es sich, wenn Damen das Wort führen. Und wie schon eingangs gesagt, ist das Buch als köstliche Provokation männlicher Empfindlichkeiten zu verstehen. Beleidigte Reaktionen dürften einkalkuliert sein.

Haarig wird es, kommt man auf den "Biologismus" der Autorinnen zu sprechen, der im konkreten Fall zwar nicht als rigoroser "-ismus" auftritt, jedoch als biologische Erklärungsmethode die präsentierten Thesen dominiert. Von Säugetieren, aber auch von Insekten und Fischen werden analoge Schlussfolgerungen für das Verhalten der Gattung Mensch gezogen. Die Gattung Mensch ist im Grunde genommen dem Reich der Tiere zugehörig und ergo tierisch zu deuten. Das mag nun so manchen Lesern sauer aufstoßen, die von einer einzigartigen Stellung des Menschen in der Welt ausgehen, womit der Mensch gegenüber der Welt des Tieres wesentlich abgegrenzt wäre. Aber auch zu diesem Punkt warten Riedl und Schweder mit einem nicht alltäglichen Denkansatz auf: Ihr Biologismus ist feministisch und dient diesmal nicht der rechtfertigenden Erklärung männlicher Herrschaftsansprüche. Diese immer noch eher ungewöhnliche Perspektive sollte dann doch den Kritiker einer biologischen Wissenschaft menschlichen Sozialverhaltens ein wenig versöhnlich stimmen helfen.

Dieses eine Mal ist der Mann beziehungsweise das männliche Vieh also nicht Sinn und Ziel des Schöpfungsplans, gleichsam der sexualisierte Ausdruck einer göttlichen Idee, sondern vielmehr ist er ausnahmsweise das "behelfsmäßige" Geschlecht, eine von der Natur schlampig konstruierte Randexistenz, die zu wenig taugt und vergleichsweise hinfällig ist, weil an deren individuellem Überleben kein gattungserhaltendes Interesse besteht.

Genetisch ist der Mann eine halbe Portion, deswegen auch ungleich instabiler und für alle möglichen schädlichen Einwirkungen anfälliger. Dass sich seine Lebensspanne so erheblich kürzer bemisst als jene der Frau, das ist kein Zufall, sondern Absicht und Programm. Instabilität ist seine Bestimmung und so gerät zum Beispiel die männliche Sexualität, durch ihre Prägbarkeit auf die unmöglichsten Fetische, leicht auf absurdeste Abwege. Die Hierarchie ist dem Mann eine heilige Ordnung, wie sich nicht zuletzt am Beispiel männerdominierter religiöser Bürokratien einfach nachweisen lässt. Männchen dezimieren sich sodann im Tierreich gegenseitig in oft tödlichen Rangkämpfen um die Position des Platzhirsches. Und sie frönen fast regelmäßig einem lächerlichen Imponiergehaben, wie es überall unter Halbstarken zu beobachten ist. Selbstmörderische Balzrituale widersprechen schlussendlich einem jeden Überlebensinstinkt, etwa wenn liebestolle Glühwürmchen zu ihrem eigenen Verderbnis in tiefer Nacht um die Wette glühen, womit sie sich nicht nur die Aufmerksamkeit paarungswilliger Weibchen einhandeln, sondern zugleich Fressfeinde an ihren Standort heranführen. Analog zum Glühwürmchen verhält sich beim Menschen der vertrottelte Kult rund um das Auto, wie ihn junge Männer inszenieren, deren viele dabei sinnlos verunglücken. In aller Regel goutieren Frauen diesen Unsinn nicht wirklich, was dem Halbstarkenritual im Unterschied zum Glühwürmchenritual einen jeden Sinnbezug nimmt.

Und warum nun all diese Mängel und Dummheiten? Wozu verschwendet sich das Leben dermaßen großzügig über das Mängelwesen Mann? Die Natur ist ein hochrationales System von ökonomischer Vernünftigkeit. Nichts in ihr ist umsonst. Riedl und Schweder wissen die Antwort auf die zuerst gestellte Frage: Männer sind Konstruktionen im Dienste der Frau. Frauen sind die Bank, Männer der gewagte Einsatz des Lebens. So lautet die Kernthese dieses Buches. Am Überleben des Mannes liegt der Natur nur wenig. Die Frau ist der Grundbauplan des Lebens. Sie soll leben, da ihr Leben für die Aufzucht des Nachwuchses bedeutsam ist. Das Männchen jedoch wird dieser überragenden Bestimmung allen Lebens geopfert, etwa in dem es wie bei einigen Insekten- und Spinnentierarten ("Schwarze Witwe") bereits während des Zeugungsaktes vom Weibchen verspeist wird. Und falls dem Männchen in seltenen Fällen eine Funktion bei der Brutpflege zukommt, wird es im ehelichen Beziehungsmodell der Paarbindung entmannt. Die Natur dreht dann dem verehelichten Mann einfach seinen Testosteronhahn ab, was ihn für Dienstbarkeiten am Weib und ihrem Brutinteresse nützlich werden lässt, aber ebenso für das Erschlaffen männlicher Leidenschaft nach Konstituierung der Paarbindung verantwortlich zeichnet. Für viele Ehemänner wird dies wohl nun eine erniedrigende Erkenntnis sein, denn wer erkennt sich schon gerne als "entmannt". Und vor allem für feministische Damen wird der Gedanke einer biologischen Bestimmung zur Mutterschaft auch dann nicht erträglicher sein, wenn erklärte Feministinnen dies aussprechen. Für Konfliktstoff ist gesorgt.

Die - freilich umstrittene - Feministin Camille Paglia hat sich eine beliebte These zur gering geschätzten technischen Intelligenz der Frau zu eigen gemacht, als sie meinte: "Wäre der Zivilisationsprozess in weiblichen Händen geblieben, dann lebten wir immer noch in Grashütten." Riedl und Schweder kehren diese These in ihr Gegenteil, indem sie einen Schritt hinter den Zivilisationsprozess zurückgehen und den Prozess der Menschwerdung untersuchen. Dabei stellt sich heraus, dass der Beitrag des Mannes zur Menschwerdung gering bis nichtig war. Was den Menschen nämlich vor allen anderen Tierarten auszeichnet und erfolgreich macht, ist der besondere Entwicklungsgrad seiner sozialen Intelligenz, welche, da einfühlsam und mitfühlend, solidarische Handlungsmuster humanistischer Art erst möglich macht. Es handelt sich bei dieser spezifisch menschlichen Intelligenz konkret um eine Vertiefung und Erweiterung des Mutterinstinkts, ausgedehnt auf das Projekt Mensch. Ein Projekt, das überdies an den Gattungsgrenzen nicht Halt macht, wie die von Frauen vollzogene Domestizierung des Wolfes zum Hund anschaulich beweist. Wäre es also nur an den Männern gelegen gewesen, das Projekt Mensch hätte sich niemals zur Entfaltung gebracht. Der Mensch als männlich vorgestellt, marschiert schnurstracks in eine Sackgasse der Evolution und verschwindet vom Antlitz dieser Erde, noch bevor er überhaupt gewesen ist.

Die Methode biologischer Weltbetrachtung ist als unterschwelliger Biologismus in unseren Tagen für viele ein aufreizendes Thema, und das selbst dann noch, wenn er wie im konkreten Fall mit überzeugenden Begründungen aufwarten kann und an seinen lauteren Absichten kein Zweifel besteht. Er ist und bleibt eine anrüchige Denkart, zumal historisch vorbelastet, denn der Nationalsozialismus und die Fundamente seiner Ideologie waren einfach unzweifelhaft biologistisch geprägt. Und gedenkt man beispielsweise nur einmal der Biografie von Konrad Lorenz, so stößt man wiederholt auf eine mangelhaft ausgeprägte Berührungsscheue des prominenten Biologen gegenüber rechtsextremistischen Strömungen, deren Menschenbild per se biologistisch ist. Und Konrad Lorenz sei nicht nur ein Musterfall für die Ausnahme von der Regel, wie Kritiker des Biologismus meinen. Es liegt also ein dunkler Schatten auf allem biologischen Denken, sobald es sich über Analogieschlüsse aus der Tierwelt auf die Soziologie vom Menschen bezieht. Negative Reaktionen wird es zu diesem Buch also gerade deswegen noch zur Genüge hageln, zumal ihm ein biologistischer Beigeschmack kaum abzusprechen ist. Zudem verschließen sich Riedl und Schweder der feministischen These einer Geschlechtergleichheit. Männer und Frauen mögen zwar vor dem Gesetz und vor der Moral gleichwertig sein, auch wird nicht in Abrede gestellt, dass kulturelle Sozialisierungsprozesse zum Nachteil der Frau wirken und sie nachhaltig als das schwache Geschlecht stigmatisieren, doch biologisch betrachtet ist die Frau dem Mann ungleich, da nach dem Dafürhalten der Autorinnen dem Mann deutlich überlegen, sieht man von der größeren Muskelmasse des Mannes einmal ab, die unter gegenwärtigen Lebensverhältnissen überdies eine vernachlässigbare Qualität darstellt.

Dass trotz der biologischen Überlegenheit der Frau über den Mann das Patriarchat fast überall auf dieser Welt die Sexualordnung bestimmt, führen Riedl und Schweder auf einen kongenialen Kunstgriff des Mannes zurück: Es gelang ihm nämlich eine Monopolisierung von Lebensressourcen, womit er die Frau letztlich seiner Herrschaft unterwarf. Dieser so gedachte listige Kunstgriff des Menschenmannes zur Unterwerfung der Frau unter seinen Willen bringt die These von der überlegenen Frau ein wenig ins Wanken, zumal sich dazu die simple Frage anschließt, was die Frau denn anhielt, die männliche Anmaßung einer maskulin bestimmten Sexualordnung so einfach zuzulassen. Wie konnte es zur Dominanz männlicher Kultur über weibliche Biologie kommen? Warum marginalisierte der Mann die Lebensart der Frau, wo doch der Mann - das männliche Vieh - in der Natur nur eine Randexistenz sein soll, welche - die kompromisslos kriegerische Ameise führt den Beweis dazu - nicht einmal für das vorgeblich prototypisch männliche Geschäft des Kriegsführens notwendig ist. Die Naturgeschichte des Mannes, beziehungsweise des Geschlechterverhältnisses scheint noch nicht restlos ausdiskutiert zu sein. Es verbleibt somit genügend Stoff für eine Fortführung dieses brisanten Themas, welches, in Gestalt köstlicher Provokationen, Mann und Frau über ihre gemeinsame Stellung in der Ordnung des Lebens zum Denken anregen möge.

(Harald Schulz; 09/2004)


Sabina Riedl, Barbara Schweder: "Mimosen in Hosen"
Ueberreuter, 2004. 240 Seiten.
ISBN 3-8000-7026-X.
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Sabina Riedl wurde 1965 in Wien geboren. Sie ist seit 1987 Journalistin im ORF (TV-Dokumentationen unter anderem über Gentechnik, menschliche Evolution, den Ursprung von Gewalt und Aggression, die Macht der Gerüche, Geschlechtsunterschiede zwischen Frau und Mann, Kinderschicksale im Dritten Reich). 1998 erhielt sie den Staatspreis für Wissenschaftspublizistik für die TV-Dokumentation "Der kleine Unterschied".

Barbara Schweder, 1963 in Wien geboren, studierte ebendort und in den USA Anthropologie und Zoologie, war Forschungsassistentin und Lektorin an der Universität Wien. Seit 1993 ist sie freiberuflich tätig, Forschungsschwerpunkte sind Partnerwahl, Geschlechtsunterschiede beim Menschen und Osteologie.

Ein weiteres Buch vom Autorinnenduo:

"Wie Frauen Männer gegen ihren Willen glücklich machen"
"Frauen sind des Glückes Schmied. Sie haben eine genaue Vorstellung von dem, was sie in einer Beziehung glücklich macht, und wissen, wie sie dieses Ziel erreichen. Mit Spürsinn und dem Blick fürs Wesentliche wählen sie ihren Mann fürs Leben nach genau jenen, oft verborgenen Kriterien aus, die für das Funktionieren einer dauerhaften Partnerschaft entscheidend sind. Und je mehr Lebensbereiche SIE dominiert - von den gemeinsamen Kindern über die Finanzen bis zu den Lebenszielen - desto glücklicher ist auch ER. Zwar hat er vielleicht ganz andere Vorstellungen von seinem Leben gehabt, aber anscheinend ist der Mann am zufriedensten, wenn SIE den Ton angibt.
Das ist die Kernaussage der Anthropologin Barbara Schweder und der Wissenschaftsjournalistin Sabina Riedl. Gemeinsam führen sie sogar den Nachweis, dass der weibliche Einfluss weit über die Grenzen der individuellen Zweierbeziehung hinausreicht. Männer, die längere Zeit in einer Beziehung zubringen, werden sozialer, verträglicher, ausgeglichener - kurz sie werden zu besseren Menschen. Nicht nur zu ihrem eigenen Besten sondern zum Wohle aller.
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