Nagib Machfus: "Cheops"
In diesem historischen Roman von Nagib Machfus, dessen Handlung auf einer der ältesten ägyptischen Geschichten, überliefert im sogenannten "Papyrus Westcar", beruht, bestimmen drei Akteure den Lauf der Dinge: der Pharao Cheops, der Priestersohn Dadaf und das Schicksal (im Sinne von einer übernatürlichen Macht).
Ganz
zu Anfang der Geschichte steht der gewaltige Bau der Großen
Pyramide nahe der Stadt Memphis unter dem Herrscher "Beider
Länder" (Ober- und Unterägypten) Cheops -
während des Alten Reichs. Zu jenem Zeitpunkt im entfernteren
Un (Heliopolis) erblickt ein Neugeborenes das Licht der Welt, ein
kleiner Junge namens Dadaf. Als ein Werkzeug Gottes soll jenes Kind von
da an im Lande der Pharaonen fungieren.
Hätte sich Cheops auf dem Höhepunkt seiner
glorreichen Amtszeit nicht
gelangweilt, so hätte er womöglich nicht von dieser
Neugeburt erfahren. Doch
ein Zauberer verkündet ihm die Botschaft, dass dies
Neugeborene, ein Kind des
Hohen Priesters im Tempel des Ra, einst Pharao von Ägypten
sein wird. Im Glaube
daran, dass das Kind von den Vertrauten des Pharaos kurz darauf
getötet wurde,
regiert der Pharao sein Land unbeirrt weiter.
Das Kind aber überlebt, durch den beherzten Mut der Dienerin
Zaja. Mit ihr
findet Dadaf nach einer atemberaubenden Flucht durch die Wüste
in Bälde ein
neues Zuhause. Dort wächst Dadaf zu einem talentierten und
tüchtigen jungen
Mann heran; und er erlebt wahrlich eine glückliche Zeit. Alles
scheint ihm zu
gelingen; nur die Liebe zu seiner Angebeteten, Miri-Si-Anch, kann er
noch nicht
für sich erlangen. Dadaf macht Karriere in der
Militärakademie und es dauert
nicht lange, bis er zum obersten Heerführer in der Garde des
Kronprinzen
berufen wird. Es folgt der Krieg im Sinai gegen die
Beduinenstämme, die er
erfolgreich schlägt.
Und so läuft alles zu seinen Gunsten, bis hin zu jenem Tage,
als sich seine
Ziehmutter und leibliche Mutter Auge in Auge gegenüberstehen.
Dadaf erfährt
von seiner wahren Herkunft und seiner Bestimmung, die das Schicksal ihm
auferlegt hat. Wissentlich darüber entgeht Dadaf auch in
seiner nächsten Tat
dieser Vorhersagung nicht. Und so kommt es zu einem
mörderischen Kampf bei den
Pyramiden, welchen Dadaf für sich entscheidet. Er rettet das
Leben des Pharaos.
Inzwischen alt und weise geworden, bestimmt Pharao Cheops nun seinen
neuen
Nachfolger, Dadaf, zum künftigen König über
Ägypten, legitimiert durch die
Heirat mit seiner Tochter Miri-Si-Anch.
Auch wenn der Autor, Nagib Machfus, die historische Genauigkeit
teilweise übergeht,
so benutzten die Ägypter nämlich im Alten Reich noch
keine Pferde und Wagen
(diese kamen erst rund tausend Jahre später auf), so zeichnet
sich für den
Leser allemal ein detailreiches und durchaus authentisches Bild
über das Alte
Ägypten ab. Mit einem gewissen geschichtlichen
Hintergrundwissen betreffend
Altes Ägypten liest sich der Roman womöglich noch
verständnisreicher. Doch da
in dem Roman ein präziser Schriftstil und eine klare
Ausdrucksweise
vorherrschen sowie sich der Autor keineswegs in vermeintlich
geschichtlich
komplizierten Zusammenhängen verliert, ist die Geschichte
eigentlich für jeden
flüssig zu lesen und zu verstehen.
Sehr schön dargestellt in ihrer jeweiligen zugedachten Rolle
sind die einzelnen
Charaktere, insbesondere der Pharao Cheops und der junge Dadaf, der
Thronfolger.
Am Leben Dadafs nimmt der Leser teil, von Anfang bis zum Ende der
Geschichte;
man fühlt, hofft und leidet mit dieser zentralen Figur mit.
Alle wesentlichen
Lebensbereiche werden angesprochen: die Kindheit und Jugendzeit, das
Erwachsensein, der Beruf und die Karriere, die Liebe, die Familie sowie
der Tod.
Alles Bereiche, die sich ja mühelos auf unser eigenes Leben
übertragen lassen;
aber in dieser Geschichte zeitversetzt einige tausend Jahre
zurück spielen. Natürlich
ist das faszinierende Umfeld Altes Ägypten eine wahrhaft
fantastische Kulisse,
und der Leser taucht somit ab in eine längst vergangene Zeit,
geprägt vom
tiefen Glauben der Ägypter am Nil.
Festzuhalten bleibt auch, dass in der Geschichte eine Steigerung der
Spannung zu
spüren ist. Zu Anfang dreht sich alles um die Geburt und
Flucht des Kindes vor
seinen Mördern sowie das erste Auftreten des Pharaos und den
Bau seiner Großen
Pyramide. Eine Neugierde wird geweckt, die einen mühelos
weiterlesen lässt.
Dieser Ereignisse wissentlich (für den Leser), spielt sich
alles Weitere im
persönlichen und familiären Bereich der Person Dadaf
ab, was allerdings
mitunter sehr kleinschrittig erzählt wird. Im letzten und
somit eigentlich
spannendsten Teil folgt sozusagen eine schicksalhafte Fügung
auf die andere.
Und obwohl der Leser von Anfang an weiß, wie die Situation
für die zentrale
Figur, nämlich Dadaf, in der Geschichte endet, ist
Unerwartetes und Spannendes
bis zu Letzt gesichert.
Bleibt allerdings noch zu fragen, wie denn das Leben Dadafs weiterging
(nach
seiner Thronbesteigung)? Doch dies ist nicht relevant in der
Geschichte, denn
alleine der märchen- und kometenhafte Aufstieg eines einfachen
Bürgers an die
Spitze der Macht zählt offensichtlich hierbei.
In klarer und facettenreicher Sprache, und nie kitschig oder blumig
erzählt,
lebt dieser Roman von den klassischen Aspekten wie Glück und
Unglück, Gut und
Böse, Sieg und Niederlage, Liebe und Enttäuschung
sowie Fügung und
Widerstand. Sowohl für Altägypten-Kenner als auch
für weniger Kundige in
Sachen Altes Ägypten absolut empfehlenswert. Dem Autor gelingt
es den Leser
mitzunehmen auf eine Zeitreise in die Vergangenheit, wo noch andere
Gesetze und
eine andere Weltordnung herrschten als heutzutage. Eine runde
Geschichte, die
das Gute über das Böse siegen lässt und auch
dem Schicksal seinen festen
Platz im irdischen Dasein gibt.
Mit einem Nachwort von R. Stock und einen kurzen Abriss über
Leben und Werke Machfus'.
Außerdem ein überaus lesefreundliches Buchformat in
gebundener Ausgabe sowie
stabiler Heftbindung. Das Buch sieht, nachdem man es (erst) einmal
gelesen hat,
quasi noch genauso gut aus wie zu Beginn.
(Anja Semling; 10/2005)
Nagib Machfus: "Cheops"
(Originaltitel "Abath al-Aqdar")
Aus dem Arabischen von Doris Kilias.
Unionsverlag, 2005. 272 Seiten.
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Weitere Buchtipps:
Nagib Machfus: "Radubis"
Die goldene Sandale, die ein
Adler
vor dem Pharao zu Boden fallen lässt,
verwirrt ihn. Ob die Besitzerin so schön und elegant ist wie
ihr Schuh? Die
Sandale gehört keiner geringeren als der Kurtisane Radubis,
deren weißer
Palast auf einer Insel im Nil den Mittelpunkt des gesellschaftlichen
Lebens
bildet.
Der Pharao beschließt, die Sandale
höchstpersönlich zurückzubringen, und
ahnt nicht, dass er damit sein eigenes Schicksal besiegelt. Denn
während er und
Radubis sich rücksichtslos ihren Leidenschaften hingeben,
brodelt es im Volk,
die Höflinge planen Intrigen, und die Priester wollen den
Machthunger des Pharao
nicht länger hinnehmen. (Unionsverlag)
zur Rezension ...
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"Pharao Cheops und der Magier. Altägyptische Märchen
und Erzählungen"
Das alte Ägypten - faszinierende Hochkultur und erste
große Blütezeit der
Wissenschaft, Religion und Kunst. Doch nicht nur in der Mathematik,
Astronomie
und Architektur leisteten die Ägypter Erstaunliches, auch auf
dem Gebiet der
Literatur sind zeitüberdauernde Schöpfungen
entstanden.
Während
Pyramiden und Tempel weltberühmt sind, blieb die
altägyptische
Erzählkunst weitgehend unbekannt. Dabei erweist sich die
literarische
Ausgrabungsarbeit als ebenso fruchtbar wie die archäologische.
Da die ersten
Geschichtenerzähler am Nil auf keinerlei Vorbilder
zurückgreifen konnten,
wurde die Pharaonenkultur quasi voraussetzungslos zur Wiege
literarischer
Gattungen und Stilmittel. Die vorliegende Auswahl zeigt, wie
meisterhaft,
kunstsinnig und lebensnah die Ägypter Geschichten,
Märchen und Berichte aus
dem Pharaonenland komponierten.
Zwischen 2000 v.Chr. und 800 n.Chr. niedergeschrieben - wobei der
mündliche
Ursprung mancher Fabeln ungleich weiter zurückreicht -,
gestalten die
Erzählungen schlichte volkstümliche Stoffe ebenso wie
hochpoetische Motive und
Themen, etwa im "Sonnengesang
des Pharao Echnaton". Wir begegnen
Stammesfürsten und Königinnen, Sphingen und Magiern,
Schiffbrüchigen und
Beduinen, Oberpriestern und Meisterdieben, verzauberten Krokodilen,
Geistern und
Mumien.
Karlheinz Schüssler, Professor für Koptologie, hat
für seine Sammlung die
Originaltexte so wortgetreu wie möglich übersetzt und
zugleich auf Lesbarkeit
und Verständlichkeit geachtet. In einem kundigen Nachwort
erläutert er
kulturelle und historische Zusammenhänge und eröffnet
ungeahnte Einblicke in
das erzählerische Schaffen der Ägypter - ein
Schaffen, das das alte
Pharaonenreich in bezaubernder Buntheit zu neuem Leben erweckt. (DVA)
Buch
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