Amin Maalouf: "Leo Africanus"

Der Sklave des Papstes


Ähnlich wie Amin Maalouf, der im Libanon geboren ist und mittlerweilen in Paris seinen Hauptwohnsitz hat, ist auch der Held dieses seines Romans zunächst Pendler und im Weiteren auch Mittler zwischen den Welten Orient und Okzident.

Geboren wird Leo Africanus in Granada in eine wohlsituierte Maurenfamilie hinein, doch muss er schon drei Jahre später seine Geburtsstadt verlassen, als diese nämlich Ende des Fünfzehnten Jahrhunderts als letzte Maurenfestung in die Hände der Spanier fällt. Der letzte Sultan wird exiliert, nicht ohne dass er vorher noch einmal kräftig geseufzt hätte, die Reconquista ist erfolgreich abgeschlossen, und der kleine Held muss sich mit seiner Familie auf die andere Seite des Meeres flüchten.

Überhaupt ist ständiger Ortswechsel sein Schicksal. Zunächst wartet noch Fes als bunte Kulisse und reicher Nährboden für seine Kindheit. Sowie er aber zum Mann geworden ist, zieht es ihn unwiderstehlich in die Ferne, und dem Leser wird das Vergnügen zuteil, ihn auf zahlreichen Reisen nach Schwarzafrika ebenso wie nach Kairo und Konstantinopel zu begleiten. Zuguterletzt schließt sich ein Kreis - Leo Africanus landet wieder in Europa, als Protegé des Papstes in Rom.

"Viele Männer entdecken die weite Welt, wiewohl sie nur danach streben, reich zu werden. Was dich betrifft, mein Sohn, so wirst du auf einen Schatz stoßen, und das, obwohl du nur danach trachtest, die Welt kennenzulernen," profezeit ihm seine Mutter. Gewiss macht er auch Geschäfte, dies aber gleichsam nebenbei. Hauptsächlich lernt er neue Städte und Menschen kennen (viele historische Personen darunter, die diese Zeit mitgeprägt haben), studiert sie mit einem neugierigen, aufmerksamen Blick, lauscht begierig deren Erzählungen und lässt sich - etwas dick aufgetragen, aber was soll's, wir sind im Orient! - in alle möglichen familiären und politischen Intrigen verwickeln.

So spannend sich das Buch als Abenteuerroman liest, hat es seinen besonderen künstlerischen Wert in seiner Historizität. Ob es nun die großen historischen Zusammenhänge, Schlachten, Verträge, militärische Kräfteverhältnisse, betrifft, oder die Beschreibung der verschiedenen Gesellschaftsschichten Nordafrikas, es sind lauter Fakten, die von dem Autor kunstvoll zusammengefügt, aus der Sicht eines weitgereisten islamischen Menschenkenners dem Leser übermittelt ein sehr lebendiges und ziemlich authentisches Bild der sich entfaltenden Renaissance vermitteln. Dies allein schon macht "Leo Africanus" zu einem bemerkenswerten, für alle Freunde historischer Literatur unumgänglichen Buch.

(fritz; 12/2001)


Amin Maalouf: "Leo Africanus. Der Sklave des Papstes"
Aus dem Französischen von Bettina Klingler und Nicola Volland.
suhrkamp taschenbuch, 2001. 471 Seiten.
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Amin Maalouf wurde 1949 im Libanon geboren und lebt seit 1976 als Journalist und Schriftsteller in Frankreich. Er bereiste mehr als sechzig Länder und gilt als anerkannter Spezialist für Fragen der arabischen Welt und der Beziehungen zwischen Okzident und dem Nahen Osten. Amin Maalouf war Chefredakteur der Wochenzeitschrift "An Nahar International" sowie des Magazins "Jeune Afrique", während des Vietnamkriegs und der Islamischen Revolution arbeitete er als Kriegsberichterstatter.
Seine Werke sind in etwa 25 Sprachen übersetzt worden, und sein erstes Werk "Die Kreuzzüge aus der Sicht der Araber" (1983) ist zu einem Standardwerk geworden.
Im August 2000 wurde bei den Salzburger Festspielen (in Zusammenarbeit mit der finnischen Komponistin Kija Saariaho) die erste Oper nach einem Libretto des Autors uraufgeführt: "L'amour de loin".