David Lodge: "How far can you go?"
David
Lodge ist den meisten bekannt als der Autor moderner Universitätsromane und als
Vorbild für "Der Campus", der vor einigen Jahren erfolgreich verfilmt wurde. Aber
das Universitätsleben ist nicht der einzige Bereich, mit dem er sich auseinander
gesetzt hat. Neben der Erzählung seiner Erfahrungen im National Service ("Ginger,
you're barmy") hat er auch viele andere Lebensbereiche unter die humoristische
- aber auch teilweise tragikomische - Lupe genommen.
Neben
der Universität ist in Großbritannien auch die katholische Gemeinde eine Gruppe
von Außenseitern, die ihre eigenen Besonderheiten hat. Und wie immer, wenn eine
religiöse Gruppe in einer Außenseiterstellung ist, spielen Fragen des Dogmas und
der religiösen Praxis eine wesentlich größere Rolle im Leben ihrer Angehörigen
als in Ländern, wo diese Religionen verbreiteter und anerkannter sind. Und als
ein Angehöriger dieses auserlesenen Kreises in England hat Lodge seine eigenen
Erfahrungen in diesem Roman über mehrere Handlungsfiguren verteilt den Leserinnen
und Lesern zugänglich gemacht.
Die Handlung
des Romans beginnt im Jahr 1952, bei einem Gottesdienst in London, bei dem noch
Latein gesprochen wird, wenn auch bereits in der Dialogform. Hier treffen wir
neben dem Priester - Austin Brierley - acht weitere Personen, die die folgende
Erzählung mehr oder weniger tragen werden. Da ist Dennis, der die Messe besucht
um mit Angela zusammen zu sein, die selbst aus wirklich erzkatholischer Gesinnung
dort ist. Ein anderer junger Mann, der von Angela in die Messe gezogen wurde,
ist Adrian. Dann ist da noch Michael, der einfach hier ist um junge katholische
Frauen zu treffen, ohne dabei auf eine spezielle Dame festgelegt zu sein. Eine
andere junge Frau ist Polly und Ruth, die später einem Konvent beitreten wird.
Zwei weitere Hauptdarsteller sind Miles und Edward, ein Medizinstudent. Und eine
junge Frau namens Violet. All diese Personen sind noch jungfräulich und nur zwei
von ihnen haben bisher Erfahrungen mit Masturbation gesammelt, was zeigt, wie
stark sie durch ihre katholische Erziehung geprägt wurden, die sie nun bis in
die Universität begleitet hat.
Das Interesse
an der katholischen Religion all dieser Figuren ist mehr oder weniger tief eingeprägt
und macht ihnen im Verlauf dieses Romans schwer zu schaffen. Auf Grund ihrer
Erziehung - im Kontrast zu Erzählungen und Erfahrungen ihrer nichtkatholischen
Zeitgenossen - sind sie sexuell sehr unerfahren, weil sie sich - und andere
- ständig fragen, wie weit sie eigentlich vor der Eheschließung (und eventuell
auch danach) gehen dürfen. Lodge erklärt hierbei den Leserinnen und Lesern sehr
anschaulich die ursprünglichen Auffassungen der katholischen Kirche zu Himmel
und Hölle, Sünde
und Vergebung, die das Leben der Katholiken regierten und teilweise auch heute
noch regieren. Außerdem erklärt er, wie sich mit dem Aufkommen der Pille und
der sexuellen Revolution die Probleme der Anhänger des Katholizismus verstärkten,
speziell weil der Heilige Stuhl sehr lange keine klaren Aussagen zu diesen Themen
machte. Als diese Aussagen dann schließlich kommen, stellen einigen unserer
Figuren fest, dass sie bereits ausgiebig gesündigt hatten und verfallen entweder
in einen gedämpften Hedonismus oder in tiefste Reue, je nach Veranlagung. Überhaupt
zeigen sich hier sehr verschiedene Lebenswege, die von England über Italien
bis in die USA führen und den Protagonisten sehr unterschiedliche Erfahrungen
vermitteln.
Lodge
hat "How far can you go" niemals als Komödie intendiert und war zunächst über
die belustigte Reaktion vieler Leser überrascht. Lediglich im osteuropäischen
Raum, wo die Kirche ja auch lange eine Außenseiterrolle in der Gesellschaft spielte,
wurde dieses Buch so verstanden, wie er es gemeint hatte. Aber das ist nun mal
das Schicksal des Autoren, dass sein Werk von den Lesern so interpretiert wird,
wie sie es verstehen.
Bei "How
far can you go", das bis 1980 nur auf Englisch und Tschechisch erschienen ist,
kommt dieser komische Effekt wohl in erster Linie für den Nichtkatholiken zustande.
Aber auch die teilweise sehr erklärende und belehrende Beschreibung einzelner
Aspekte macht das Lesen stellenweise eher unwitzig, wenn auch in keinster Weise
uninteressant. Der Versuch, katholische Lebenswirklichkeit in England von den
1950er bis in die späten 1960er Jahre darzustellen, ist durchaus als gelungen
zu betrachten und macht dieses Buch zu einem intellektuellen, wenn auch nicht
unbedingt durchgehend literarischen, Vergnügen.
(K. -G. Beck; 08/2002)
David Lodge: "How far can you go?"
Taschenbuch
(in englischer Sprache):
Penguin Books, 1981. 244 Seiten.
ISBN 0-14-005746-3.
ca.
EUR 11,92. Buch
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