Charlotte Link: "Das Haus der Schwestern"

Westhill House, ein einsames Farmhaus im Hochmoor Yorkshires. Ehemals Schauplatz einer wechselvollen Familiengeschichte - und Jahrzehnte lang Hüter eines bedrohlichen Geheimnisses. Bis eine Fremde kommt und wie zufällig die Mauern des Schweigens zum Einsturz bringt ...


Barbara und Ralph Amberg entschließen sich zu einem Urlaub im Hochmoor von Yorkshire, um über die Weihnachtstage ihre gemeinsame Zukunft weiter zu planen, sofern es eine weitere gemeinsame Zukunft noch geben sollte. Denn dies ist auf Grund der Karriereinteressen Barbaras und Ralphs Wunsches nach Nachkommen nicht unbedingt gesichert. Sie haben Westhill House gemietet, einen etwas abgelegenen Herrensitz, den ihnen die Besitzerin Linda nur sehr widerwillig überlassen hat, weil sie auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen mit Deutschen im Zweiten Weltkrieg diesen gegenüber eher negativ eingestellt ist. Aber Linda braucht das Geld.

Am Tag der Ankunft kaufen die beiden Urlauber nur Kleinigkeiten ein, bevor sie sich zu ihrer Unterkunft begeben, was sich sehr schnell als Fehler herausstellen soll, da sie sich am nächsten Tag eingeschneit finden. Dazu ist auch noch die Heizung ausgefallen, weswegen Ralph die Freuden des Holz Hackens für sich entdeckt. Auch das Telefon ist ausgefallen, so dass Barbara und Ralph noch nicht einmal Hilfe herbei rufen können. Während Ralph nun meistens mit Holz Hacken beschäftigt ist, findet Barbara ein Manuskript mit der Lebensgeschichte der ehemaligen Besitzerin von Westhill House und beginnt, gegen die Bedenken ihres Mannes, dieses zu lesen. Sehr schnell wird sie in die Geschichte hinein gezogen, in der ein zunächst sehr junges Mädchen beschreibt, wie sie das Aufwachsen in einer guten Familie im frühen 20. Jahrhundert erlebt und durchlitten hat, bevor sie sich schließlich während eines Aufenthalts in London der Suffragettenbewegung anschloss, was schließlich zur Verhaftung und Zwangsfütterung während eines Hungerstreiks führen soll. Dann kommt sie nach Westhill zurück, um zu sehen, dass der Mann, den sie liebt, ihre jüngere Schwester heiratet. Dies ist ein Thema, das sich noch einmal wiederholen soll, denn ihre Rückkehr Westhill nach längerem Fernsein ist häufig mit unglücklichen Ehen verbunden. Daneben sehen wir auch noch, wie die Dame den Ersten Weltkrieg erlebt, und zwar zunächst an der Heimatfront und dann später in Frankreich, als sie auf der Suche nach ihrem verschollenen Bruder und ihrem ebenso verschollenen Schwager ist. Aber auch das  Wiederfinden der beiden wichtigsten Männer in ihrem Leben wird schließlich zu Katastrophen führen, wovon eine die Notwendigkeit der Ermordung ihrer eigenen jüngeren Schwester sein soll. Und gerade dieses lange zurückliegende Verbrechen einer Frau, die zu dem Zeitpunkt, als Barbara davon liest bereits lange tot ist, soll schließlich wieder in Westhill House zuschlagen, als Ralph das Anwesen auf der Suche nach dringend benötigter Nahrung verlassen hat.

Die Idee vom schöneren Landleben und dem sowieso besseren Leben in vergangenen Zeiten, wie man sie sonst aus den verbreiteten Rosamunde Pilcher-Romanen und -Verfilmungen gewohnt ist, wird hier konsequent in Frage gestellt, und am Ende ist hier die Rückkehr in die Stadt das Beste, was einem passieren kann.

Charlotte Link, Jahrgang 1963, gehört zu den erfolgreichsten deutschen Autorinnen der Gegenwart. Sie machte sich mit großen Gesellschaftsromanen (darunter die Bestseller-Trilogie "Sturmzeit", die für das Fernsehen verfilmt wurde) ebenso einen Namen wie mit psychologischen Spannungsromanen in bester englischer Erzähltradition. Charlotte Link lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Wiesbaden.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 09/2003)


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