Vera Zingsem: "Lilith"

Adams erste Frau


Der aus Überlieferungen bekannten Figur Lilith widmet die Autorin diese eindrückliche Auseinandersetzung mit der in unserer Kultur entstandenen Gesellschaftsstruktur und Geschlechterbeziehung. Lilith ist Symbol für die andere Frau - unabhängig, eigenständig auf Gleichstellung mit dem Mann pochend. Sie gilt als die Vorgängerin Evas in der Schöpfungsgeschichte, die erste Partnerin Adams, die diesem bei Weitem überlegen war. Lilith verzichtet auf ein Leben mit ihm, das er nicht gewillt ist gleichberechtigt mit ihr zu führen, und verlässt ihn. Zum Trost erhält Adam vom Schöpfer Eva für seinen Gebrauch und seine Zwecke. Alles Weitere kennen wir.

Zingsem erläutert die Bedeutung weiblicher Gottheiten vormonotheistischer Kulturen und weist besonders auf ihre Vielseitigkeit und wichtige Stellung hin. Die Entstehung des patriarchalischen Systems und mit ihm der Glaube an einen (männlichen) Gott setzte der geschätzten Position des Weiblichen ein Ende. Es erfolgten eine Entwertung und Unterjochung der Frau, die sich bis heute fortsetzen, und durch Perpetuierung religiöser Normen der ersten Stunde gerechtfertigt werden. Nach dieser gesellschaftsformenden Glaubensauffassung kann die weibliche Bevölkerung gar nicht als andere "Version" oder gar Gegenpart des Männlichen gelten, weil sie von Anfang an nur Teil des Mannes - der als Mensch gilt - ist.

Was der Frau nun eindeutig in diesem System vorenthalten bleibt, ist ihre eigene Identität. Bis dato ist sie definiert durch den Mann und für ihn da. Der Sinn ihrer Existenz bestehe darin, seine Ergänzung nach seinen Bedürfnissen zu sein, suggeriert eine nach männlichen Normen geordnete Gesellschaftsstruktur. Der Weg aus diesem Käfig für Frauen ist lange und erst seit Kurzem angetreten. Die Wiederentdeckung Liliths soll bei der Identitätsfindung helfen.

(ama)


Vera Zingsem: "Lilith. Adams erste Frau"
Reclam Verlag Leipzig.
Buch bei amazon.de bestellen

Weitere Buchtipps:

Hans-Joachim Maaz: "Der Lilith-Komplex. Die dunklen Seiten der Mütterlichkeit"

Lilith wurde von Adam verstoßen, Eva aus seiner Rippe geschaffen. Die beiden mythischen Frauenfiguren verkörpern Prinzipien des Weiblichen, die bis heute nicht versöhnt sind. Das ist die Ursache für ein verlogenes Bild von Mütterlichkeit mitsamt seinen negativen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft: Lebensgemeinschaften zerbrechen immer häufiger, Frauen erleben sich in ihrer Rolle als Mutter um wesentliche Aspekte ihrer Weiblichkeit betrogen, Eltern stehen den Wünschen und Ansprüchen ihrer Kinder oft hilflos gegenüber.
In vielen Beziehungsstörungen Erwachsener spiegelt sich eine grundsätzliche Störung des Mutter-Kind-Verhältnisses wider, Resultat eines Bildes von Mütterlichkeit, das von der Gestalt der ihre eigenen Bedürfnisse unterordnenden und aufopferungsbereiten Eva geprägt ist und der Realität heute nicht mehr entspricht.
Der Lilith-Komplex, also die Tabuisierung dieses Aspekts und die daraus resultierende Schuld, ist kulturell tief verankert, wird in der frühen Mutter-Kind-Beziehung reaktiviert und damit weiter getragen. (dtv)
Buch bei amazon.de bestellen

Joumana Haddad: "Liliths Wiederkehr"
Lilith, die erste Frau, die Gott erschuf, soll Adam im Paradies dienen, will sich aber dem männlichen Joch nicht beugen und flieht in die Wüste. Joumana Haddad lässt die mythologische Figur der weiblichen Rebellion in Gedicht und szenischer Darstellung aus ihrem Exil wiederkehren. Lilith wird zum Objekt der Begierde aller Männer: Einmal in ihrem Bann, kann man ihr nicht entkommen. (Hans Schiler)
Buch bei amazon.de bestellen