Marina Lewycka: "Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch"
Als Nadias Mutter bereits seit zwei Jahren tot ist und sie immer noch im Kalten Krieg mit ihrer Schwester Vera um das finanzielle Erbe liegt, teilt ihr auf einmal ihr 84 Jahre alter Vater Nikolai mit, dass er sich in eine 36 Jahre alte Frau namens Valentina verliebt hat. Diese ist wunderschön, wunderbar blond und stammt aus der Ukraine. Sie bringt einen Sohn mit in die Beziehung und allerlei Chaos. Denn nicht nur ist sie wesentlich jünger als ihr Verehrer - und als dessen Töchter - sondern auch von einem überaus herrischen und chaotischen Wesen. Zudem scheint sie sich zum Teil im Rotlichtmilieu bewegt zu haben, bereitet vorwiegend Fertiggerichte zu und zieht Nikolai für allerlei Absurditäten das Geld aus der Tasche. Auch wünscht sie sich die britische Staatsbürgerschaft und ist dafür bereit Nikolai zu ehelichen, was bei seinen Töchtern überaus großes Entsetzen und bei der ukrainischen Gemeinde der Stadt einige Belustigung hervorruft.
Im Kampf gegen die "unmögliche" Frau finden die beiden zerstrittenen Schwestern wieder zusammen und treten in einen ständigen telefonischen Dialog um Strategien und Taktiken zum Umgang mit der Situation zu entwickeln. Gleichzeitig liest Nikolai seinen Lieben immer wieder aus seinem Manuskript "Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch" vor, in dem er die Auswirkung der Entwicklung des Traktors auf die politische Welt nachweisen möchte - eine Geschichte, die dem ehemaligen Ingenieur aus verschiedenen Gründen sehr am Herzen liegt. |
Er ist ihre letzte Hoffnung, erklärt er
mir, ihre einzige Chance, um der Verfolgung, dem Mangel und der
Prostitution zu entkommen. Das Leben in der Ukraine ist zu hart
für ein so zartes Wesen. Er liest doch die Zeitungen, und was
da berichtet wird, ist schrecklich. Es gibt kein Brot, kein
Toilettenpapier, keinen Zucker, keine Kanalisation, das ganze
Staatswesen ist korrupt, und Strom gibt es auch nur ab und zu. Er kann
doch nicht eine wunderbare Frau wie sie zu so einem Leben verdammen? Er
kann doch nicht einfach auf der Sonnenseite an ihr vorbeigehen?
"Versteh doch, Nadeshda, ich bin der Einzige, der sie retten kann." |
Diese
Geschichte und die Gespräche Nadias mit ihrem Vater und ihrer
Schwester zeigen der jüngeren Schwester auch die
Hintergründe ihrer eigenen Familiengeschichte und
führen zu einer Erklärung, warum die Familie nun in
England lebt und weswegen die Ehe der Eltern in jener Form verlaufen
ist, in der sie sich nun im Rückblick darstellt.
Außerdem könnte sie einen Ansatz einer
Erklärung zur Anwesenheit Valentinas in ihrem Leben bieten.
Letzteres gelingt nicht überzeugend, und die Verbindung des
Manuskripts zu den anderen genannten Bereichen bleibt ebenfalls
auffällig konstruiert und unglaubwürdig. Die
eigentliche Handlung erinnert stark an Bücher wie "Ein Mann
für jede Tonart" und "Beim nächsten Mann wird alles
anders". Die Kritiken für diesen Roman waren in England und
auch in Deutschland außerordentlich positiv, aber zumindest
dieser Rezensent kann die Lobhudeleien nicht nachvollziehen. Es ist ein
ganz unterhaltsames, aber auf keinen Fall ein überragendes
Buch.
(K.-G. Beck-Ewerhardy)
Marina Lewycka: "Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch"
(Originaltitel "A Short History of Tractors in Ukrainian")
Übersetzt von Elfie Hartenstein.
dtv. 356 Seiten.
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Marina
Lewycka wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Kind ukrainischer Eltern
in einem Flüchtlingslager in Kiel geboren und wuchs in England
auf. Sie lebt in Sheffield und unterrichtet an der Sheffield
Hallam University.
Weitere Bücher der Autorin:
"Caravan"
Die Abenteuer einer Truppe ausländischer Erdbeerpflücker in England. Sie
kommen aus Polen, der Ukraine, Afrika und China, haben alle gänzlich
verschiedene Lebenswege und sehr bestimmte Ansichten darüber, was im Leben
wichtig ist. Irina ist eine Tochter aus gutem ukrainischem Hause, will ihr
(hervorragendes) Englisch verbessern und die große Liebe mit einem romantischen
Engländer finden. Andrij kommt aus einer ganz anderen Ukraine: Er ist der Sohn
eines Bergarbeiters und will keinesfalls so enden wie sein Vater. Dann sind da
die Polen: der Bob-Dylan-Fan Tomasz, dessen Turnschuhe bald zu einer Geißel
für seine männlichen Kollegen und Mitbewohner werden, Jola, die erfahrene
Pflückerin mit der üppigen Figur, und ihre religiöse Nichte Marta, die so
erstaunlich gut kochen kann. Dazu zwei Chinesinnen und Emanuel, ein Junge aus
Malawi, der in England seine Schwester suchen will und mit großen Augen diese
merkwürdige Welt bestaunt. Doch die ist voller Gefahren, in Gestalt von
erpresserischen Arbeitgebern, regelwütigen Behörden und bewaffneten
Gangstern. Als dann der ausbeuterische Erdbeerfarmer überfahren wird,
ergreift die ganze Mannschaft in einem klapprigen Wohnwagen die Flucht. Was sie
bei ihrer Fahrt durch England erleben, kann sich so nur Marina Lewycka (oder
vielleicht das Leben) ausdenken ... (dtv)
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"Die Werte der modernen Welt unter Berücksichtigung
diverser Kleintiere"
Niemand würde Serge und Clara ohne Weiteres für Geschwister halten. Sie haben
kaum Gemeinsamkeiten, doch die zusammen durchlittene
Kindheit in einer
Hippiekommune im Norden Englands - Batiktücher, Gemüseanbau, freie Liebe - hat
sie für immer zusammengeschweißt. Jetzt kommen ihre Eltern, Marcus und Doro, auf
den glorreichen Gedanken, nach Jahrzehnten des unehelichen Zusammenlebens nun
doch noch zu heiraten. Nicht zuletzt wegen Oolie-Anna, der jüngsten Tochter mit
Down-Syndrom. Ein Wirbel skurriler Ereignisse ist die Folge. Und Serge hat ein
Geheimnis, das die weltverbessernde Familie nie erfahren darf: Er hat seine
Promotion in Cambridge geschmissen und will
in London als Investmentbanker
das ganz große Geld machen. Doch die Welt der Banken gerät ins Wanken ... (dtv)
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"Das Leben kleben"
Die wunderbare und berührende Geschichte einer unwahrscheinlichen
Freundschaft.
Georgie Sinclair hat gerade ihren Mann vor die Tür gesetzt, ihr Sohn entwickelt
eine beunruhigende Vorliebe für Weltuntergangsnetzseiten, und ihren Arbeitsplatz
bei einem
Klebstoff-Fachmagazin findet sie auch nur bedingt faszinierend. Da trifft sie
eines Tages Mrs Shapiro, die allein in einem halb verfallenen alten Haus lebt.
Die verschrobene Dame ist Jüdin und im Zweiten Weltkrieg nach London geflohen.
Als Mrs Shapiro ins Krankenhaus muss, bittet sie Georgie, sich um das baufällige
Haus zu kümmern. Gleich mit ihrer ersten Tat setzt sich Georgie gehörig in die
Nesseln: Der Handwerker, den sie mit Reparaturen beauftragt, ist keineswegs
Pakistani, wie sie dachte, sondern Palästinenser. Eine potenziell heikle
Konstellation. Zusätzliche Komplikationen ergeben sich durch zwei geldgierige
Immobilienmakler, eine arglistige Sozialarbeiterin und Georgies Ehemann ... (dtv)
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