Diane Ackerman: "Der letzte Albatros. Vom Verschwinden der Arten"

Wie funktioniert die Evolution, diese Bildhauerin der Natur, die Formen und Arten neu erschafft oder verändert? Unzählige Tier- und Pflanzenarten haben schon auf dieser Welt gelebt, lange bevor der erste Mensch geboren wurde. Nichts von ihnen ist übrig geblieben, außer einige einzementierte Skelette, fossile Spuren ihrer Existenz.


Gehört das Aussterben der Rassen zum Bauplan der Evolution? Wird auch der Mensch eines Tages oder vielleicht sogar in absehbarer Zeit wieder verschwinden, um einer neuen Schöpfung Platz zu machen?

Tatsache ist, dass 99 Prozent aller Gattungen auf diesem Planeten inzwischen ausgestorben sind und das Artensterben ungebremst weitergeht.
Während die einen Forscher ob der Zahlen und Fakten mahnend und warnend den Zeigefinger erheben und die anderen beschwichtigend abwinken, geht Diane Ackerman einen völlig anderen Weg: Sie macht sich auf die Suche nach Arten, die vom Aussterben bedroht sind, und setzt ihnen ein poetisches Denkmal.

Ohne Kosten und Mühen zu scheuen bereist die Autorin entlegene Gebiete dieser Erde, um die verbleibenden Geschöpfe einer aussterbende Rasse mit eigenen Augen zu sehen.
Da sind zum einen die Mönchsrobben, die auf der kleinen Insel French Frigate Shoal im Pazifik mühsam um ihr Überleben kämpfen. Die Zahl der Weibchen ist dermaßen reduziert, dass bis zu zwanzig Männchen auf einmal versuchen, ein Weibchen zu begatten, und es dabei so schwer verletzen, dass es daran stirbt oder dem Angriff von Haien erliegt.

Auf einer anderen Insel des Ozeans findet man die Kurzschwanz-Albatrosse, die einst so zahlreich waren, dass sie den Himmel von Japan bis Kalifornien verdunkelten. "Der Flug, zu dem ein Albatros ansetzt, kann so vollkommen ausgewogen sein und mit den Wundern von Wind und Wasser derart harmonisieren, dass er über Stunden, Wochen, sogar Monate nicht zu landen, ja noch nicht einmal mit den Flügeln zu schlagen braucht", schwärmt die Autorin. Jahrelang fielen diese mystischen und sanftmütigen Vögel einer Unzahl von Jägern, die ihre Schwanzfedern begehrten, zum Opfer, solange bis nur mehr eine kleine Population übrig blieb. Diese Restpopulation nistet auf der japanischen Insel Torishima, die von der Regierung zur verbotenen Zone erklärt wurde.

Eine weitere Reise führt in den Regenwald des Amazonas zu den Goldgelben Löwenäffchen, die zu den am meisten gefährdeten Geschöpfen dieser Welt zählen und wie kleine Löwen aussehen. Nicht nur diese Äffchen sind, sondern ihr gesamtes Ökosystem ist vom Aussterben bedroht, denn die einst üppige Vegetation ist Bulldozern und Bauern zum Opfer gefallen.

Diane Ackerman betrachtet diese verschiedenen Geschöpfe mit dem liebevollen Blick einer Dichterin und würzt ihren Reisebericht mit humorvollen Anekdoten. Sie beschreibt diese fernen Welten in ihrer vollen Schönheit und entdeckt einzigartige Aspekte, die sie in ausdrucksstarke und lebendige Worte kleidet. Vor dem geistigen Auge entsteht eine bunte, schillernde und faszinierende Welt; man glaubt die fremdartigen Tiere förmlich vor sich zu sehen. Es ist ein Vergnügen, Diane Ackerman bei ihrem Streifzug quer über den Erdball zu folgen, und die Autorin vermag es, im Leser eine Sympathie für diese unbekannten Tierarten zu wecken. Die Schilderungen sind nie moralisierend oder resignierend, sondern geprägt von einer überschäumenden Freude am Lebendigen und an der Vielfalt der Natur und durchzogen von einer tiefen Liebe zu allen Kreaturen dieser Welt.

Diane Ackerman wurde 1948 in Illinois geboren, sie unterrichtet Geisteswissenschaften an den Universitäten von Cornell und Richmond und veröffentlicht Lyrik, Essays und Kinderbücher. Ihr Welterfolg "A Natural History of the Senses" ("Die schöne Welt der Sinne") begeisterte gerade mit dieser Mischung aus Biologie, Psychologie, Geschichte, Anthropologie und Poesie.

 (wm; 04/2003)


Diane Ackerman: "Der letzte Albatros. Vom Verschwinden der Arten"
Aus dem amerikanischen Englisch von Harald Höfner und Brigitte Post.
Europa Verlag
, 2003. 28
8 Seiten.
ISBN 3-203-75002-3.
ca. EUR 22,90. Buch bestellen

Ergänzende Buchtipps:

"Die schöne Welt der Sinne"

Physiologie und Philosophie vermischen sich in den Essays dieser poetischen Erforschung der fünf Sinne, die sich der Synästhesie, Tabus ums Essen, dem Küssen und der Kraft der Vielfalt von Musik widmen.

Europa Verlag
, 2002. 340 Seiten.
ISBN 3-203-75001-5.
ca. EUR 22,90. Buch bestellen

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