Monika Fick: "Lessing-Handbuch"
Leben - Werk - Wirkung
Gotthold Ephraim Lessing wurde
am 22. Jänner 1729 in Kamenz/Oberlausitz als Pastorensohn geboren. Nach der
Stadtschule in Kamenz besuchte er die Fürstenschule in Meißen, anschließend studierte
er Medizin und Theologie in Leipzig.
Lessing war oft in Geldnöten; er kämpfte lebenslang ums Überleben. 1767
erhielt er eine Anstellung als Dramaturg und Kritiker am Deutschen
Nationaltheater in Hamburg, 1770 eine Stelle als Bibliothekar in Wolfenbüttel.
Lessing starb am 15. Februar 1781 vereinsamt in Braunschweig.
Er gilt heute als erster moderner Schriftsteller Deutschlands, als
herausragender Vertreter der Ideale und Aktivitäten der Aufklärung sowie als
Wegbereiter der Klassik. Seine berühmten Theaterstücke gehören zum klassischen Repertoire:
"Miß Sara Sampson", "Minna von Barnhelm", "Emilia
Galotti" und "Nathan der Weise".
Monika Fick ist Professorin am Germanistischen Institut der RWTH Aachen und
ausgewiesene Kennerin Lessings und der Geisteswelt der deutschen Aufklärung.
Das Buchkonzept entstammt der bewährten Handbuch-Reihe des Verlagshauses
Metzler. Und so überrascht es eigentlich nicht, dass das vorliegende Werk
wahrlich Maßstäbe setzt. Hieran knüpft sich die Hoffnung, dass der Preis in
dieser Reihe auch Maßstäbe setzen werde.
Die Autorin macht Leserin und Leser im ersten Teil dieses enzyklopädischen
Werkes mit Zeit und Person vertraut. Das beinhaltet eine umfassende politische,
gesellschaftliche und kulturelle Bestandsaufnahme und eine Darstellung der
geistigen Strömungen dieser Zeit. Einzig durch diese Vorbereitung dürfte man
in der Lage sein, hinter die wohlgesetzten Worte seiner Texte zu schauen und den
Lessing dahinter zu schauen.
Der zweite Teil ist mit "Das Werk" betitelt und hält in 26
abgeschlossenen Darstellungen das nahezu vollständige Opus Magnum Lessings.
Diese Darstellungen beinhalten die Themen "Entstehung, Quellen und
Kontext", "Forschung", "Analyse" sowie "Aufnahme
und Wirkung".
Ein umfangreicher Anhang mit Bibliographie und Registern rundet das Buch ab. Natürlich
verfügt jeder zusammenhängende Abschnitt des gesamten Buches über ein
Literaturverzeichnis.
Dem Rezensenten stellte sich so ein akzentuiertes Bild eines Menschen in seiner
Zeit ein, das diesen als einen großen Geist zeichnet, einen der Protagonisten
der deutschen Aufklärung.
Lessing wird häufig paraphrasiert als Geburtshelfer des bürgerlichen Dramas,
als Wegbereiter der literarischen Aufklärung, als Literaturtheoretiker und
Rezensent. Betrachtet man sein Opus allein in literarischem Lichte, so trifft
dieses Bild sicherlich zu. Doch im politischen, gesellschaftlichen und
kulturellen Kontext seiner Zeit zeigt Lessing sich als Intellektueller, der
gegen den Geist der Zeit anschreibt. Andere vor und nach ihm mit einem ähnlichen
Blick für Details und Zusammenhänge griffen zur Waffe, er greift zur Feder,
eine ungleich mächtigere Waffe.
Man konnte Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in Deutschland von Kriegen und
Hungersnöten weitgehend unbehelligt durchs Leben schreiten. Wenn man die Epoche
jedoch geistig mit den Kriterien eines liberalen und rationalen Humanismus maß,
so ergab sich ein recht desolates Bild. Deutschland war ein politisch
heterogenes aber durchgehend klerikales und feudales Land. Klerus und Adel
bedingten und rechtfertigten sich gegenseitig und hatten das Land fest im Griff,
und Opposition ward in diesen Kreisen nicht hoch angesehen und auch nicht ganz
ungefährlich.
In diesem Gegenlicht sind die Ziele Lessings gut auszumachen. Da sind zum einen
die feudalen Strukturen zu nennen, also der Adel selbst. Das Fehlen eines für
alle verbindlichen juristischen Kodex ist Kennzeichen dieses Systems. Nicht
zuletzt waren die Fürsten auch oft die einzigen Arbeitgeber für
Intellektuelle. So verdingte sich Lessing eine Zeitlang unvermeidlicherweise als
Bibliothekar. Das geistliche Klima beherrschten Ausläufer der Gegenreformation
auf katholischer und eine Orthodoxie auf protestantischer Seite. In diesem
Kontext wird ein wacher Geist geradezu zum Schreiben genötigt.
Doch es gab auch neue philosophische Strömungen zur Zeit Lessings, die im
Wesentlichen auf drei Personen zurückgingen. Als Erster ist Christian Wolff zu
nennen. Auf ihn geht ein Wiederentdecken "der Seele als vorstellende
Kraft" zurück, die das Bewusstsein als aktive, die Welt ordnende Instanz
begreifbar macht. Diese strebe nach Veränderung zum Zwecke der eigenen
Vervollkommnung. Die Autorin nennt dies das zentrale Denkbild der Aufklärung.
Er unterstellt der Seele weiter das Lustprinzip.
Aus England war David Hume zu vernehmen. Sein Ansatz: "die Studierstuben zu
verlassen und sich in die Angelegenheiten des Lebens mischen." Doch Hume
lehnte den Primat der nicht auf Wahrnehmung begründeten Vernunft ab und
propagierte statt dessen einen Sensualismus. Wolff interpretiert
und modifiziert die Wahrnehmungen, während Hume diese verabsolutiert und eine
Kausalität als das Ergebnis einer Gewohnheit darstellt.
Alexander Gottlieb Baumgarten begründete die Ästhetik als eigene
wissenschaftliche Disziplin unter dem Dach der Philosophie und definierte sie
als die Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis.
Im Spannungsfeld zwischen Wolff, Hume und Baumgarten bewegen sich Lessings
Figuren. Die nüchternen kausalen verantwortlichen Positionen vor Augen
entscheiden sie sich doch oft für eine Kapitulation vor den Sinnen und Gefühlen.
In seinen philosophischen Diskursen präsentiert sich Lessing als Anhänger
Spinozas und interpretiert sogar Leibniz spinozistisch, also pantheistisch. Für
den amtierenden Klerus ist das pure Gotteslästerei, denn der Einzug der Ratio
in theologischen Angelegenheiten unterspült auf Dauer das Fundament des
routinierten Duos Klerus und Adel. So entstehen in dieser Zeit auch einige
Schriften anonym oder erscheinen posthum.
Wir sitzen heute humanistisch gesehen im Trocknen, mit Persönlichkeitsrechten
ausgestattet, wie sie vor uns keine Zeit zu bieten hatte. Wir schauen gelassen
auf die Epochen großer Literatur, auf mutige schriftstellerische
Auseinandersetzungen mit feudalen und klerikalen Strukturen in Zeiten, die
gewissermaßen nach Aufklärung schrieen. Und so wird Lessing oft nur als
Literat gesehen, doch er war vielmehr ein Philosoph mit einer ungeheueren
literarischen Kraft.
Peter Möller schreibt in seinem Lexikon der Philosophie (https://www.philolex.de/deutaufk.htm):
"Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) war einer der Hauptvertreter der
Deutschen Aufklärung, der heute häufig lediglich als Dichter bekannt ist. Außer
Dichter und Schriftsteller war er auch Philosoph. (Darüber hinaus viele weitere
Berufe, bzw. Tätigkeiten.) Kämpfer gegen Unfreiheit, für Menschlichkeit und
religiöse Toleranz."
(Klaus Prinz; 01/2005)
Monika Fick: "Lessing-Handbuch"
Metzler, 2004. 524 Seiten.
ISBN 3-476-01885-7.
ca. EUR 20,60.
Buch
bei amazon.de bestellen
Ergänzende Buchempfehlungen:
"Gotthold Ephraim Lessing. Werke in drei Bänden"
Aus Anlass seines 275. Geburtstages am 22.1.2004 erschien diese dreibändige
repräsentative Auswahl. Sie lädt ein breites Lesepublikum ein, die Vielfältigkeit
und Sprachvirtuosität, die geistige Brillanz und das große Engagement des
Aufklärers, für den der Kampf mit der spitzen Feder gegen Dogmatismus und
Intoleranz Lebensaufgabe war, wieder zu entdecken.
Jeder Band ist dabei bestimmten Werkgruppen gewidmet, innerhalb derer die
einzelnen Texte chronologisch angeordnet sind. Damit werden das breite Spektrum
und die Entwicklung seiner Schriften gleichermaßen deutlich.
Band 1 enthält die
Fabeln, Gedichte und Dramen, Band 2 die Dramaturgie,
Literaturkritik, Philologie und Allgemeines, Band 3 die Geschichte der Kunst,
Theologie und Philosophie.
Eine Kommentierung, die hilfreich, aber nicht überfrachtet ist, rundet die
Edition ab. (dtv)
Bände
bei amazon.de bestellen
Dieter Hildebrandt: "Lessing"
Lessing, Wegbereiter einer deutschen Nationalliteratur, Hauptvertreter und
zugleich Überwinder der Aufklärung, bahnbrechender Ästhetiker und
Literaturtheoretiker, bedeutender Dramatiker, dessen Stücke nach wie vor zum
Repertoire gehören, war ein Einzelgänger, ein Kämpfer voller Elan und
Risikobereitschaft. "Ein Mann allein. So hatte er es am liebsten."
In dieser lebendigen, fesselnden Biografie zeichnet
Dieter Hildebrandt das Porträt
eines Mannes, der sein Leben immer wieder aufs Spiel gesetzt hat, nicht in
Schlachten, sondern im Kampf gegen die verstaubten Traditionen seiner Zeit,
gegen die Intrigen der Mittelmäßigkeit, gegen Dummheit und Intoleranz. (dtv)
Buch
bei amazon.de bestellen