Leseprobe aus "Mitteleuropa - Handbuch zur Geschichte" von Günter Lehmann


1815

Napoleon kehrte aus seiner Verbannung (auf die Insel Elba) zurück und begann seine Herrschaft der 100 Tage. Der Wiener Kongress machte kurzen Prozess und ächtete Napoleon.

 

 

1815

HOLLAND und BELGIEN

Wilhelm I. von Oranien wurde König von Holland und Belgien bis 1840.

 

 

1815

Republik KRAKOW (Österreich-Polen)

Die freie und unabhängige Republik Krakow entstand nach dem Wiener Kongress 1815, war etwa 6.000 km² groß und hatte 300.000 Einwohner.

 

            Von Anbeginn (1795) unterstand die Polnische Republik Krakow Österreich. 1846 wurde sie von Österreich einverleibt.

 

 

1815

ÖSTERREICHISCH-POLEN (Galizien)

Auf dem Wiener Kongress 1815 wurde beschlossen, dass Österreich von den 125.000 km², die es durch die erste und dritte polnische Teilung erworben hatte, 40.000 km² an Russland abtreten musste, unter dessen Oberhoheit das Königreich Polen (Kongresspolen) gebildet wurde. (Zar Alexander I. hatte das durchgesetzt.)

 

            Von den verbleibenden 85.000 km² entstand mit 6.000 km² die Republik Krakow und mit rund 80.000 km² Österreichisch-Polen (Galizien) mit etwa 3,0 Millionen Einwohnern. Die Polen bildeten neben Ukrainern und Juden die Mehrheit.

 

            Der Adel und das Bürgertum der Polen verhielten sich unter dem österreichischen Diktat Metternichs zunächst zurückhaltend gegenüber ihrem Volk und dem Vielvölkerstaat Österreich.

 

 

1815

Österreichs und Preußens polnische Gebietsabgaben (Deutschland)

-    Österreich hatte von Polen 125.000 km²,

-    Preußen hatte von Polen 150.000 km² nach den drei Teilungen erworben.

 

Nach der Bildung des Königreiches Polen (Kongresspolen) betrugen die

einverleibten Gebiete für

-    Österreich noch 85.000 km²,

 

-    Preußen noch 75.000 km².

 

Russland, dem das Königreich Polen gehörte, hatte sich bis 1795 von Polen 460.000 km² einverleibt. Durch die Abtretungen Preußens (75.000 km²) und Österreich (40.000 km²) hatte sich Russland nun 575.000 km² einverleibt.

 

 

1815

Königreich POLEN (Kongresspolen, Russisch-Polen)

Die Schlussakte des Wiener Kongresses sah vor, zuzüglich zu Russisch-Polen sei das Herzogtum Warschau zuzuschlagen, und daraus sei ein Staat mit einer besonderen Verwaltung zu gründen, der für immer im Besitz des jeweiligen russischen Zaren verbleiben solle.

 

            Aus den Russland zugefallenen Gebieten von 575.000 km² löste Russland (Zar Alexander I.) 129.000 km² mit 3,3 Millionen Einwohnern heraus und proklamierte am 20. Juni 1815 das Königreich Polen.

 

            Das Königreich erhielt eine sehr liberale Verfassung und eine Armee mit 30.000 Soldaten. Alle öffentlichen Ämter blieben Polen vorbehalten.

 

            Vizekönig (nach dem Zaren) und Oberbefehlshaber der Armee wurde Großfürst Konstantin, der Bruder des Zaren Alexander I.

 

            Der König hatte den Polen Selbstverwaltung zugesichert.

 

 

1815

PREUSSISCH-POLEN (Großherzogtum Posen)

Am 15. Mai wandte sich in einer Proklamation Friedrich Wilhelm III. an seine überwiegend polnischen Bewohner des Großherzogtums Posen:

 

Er forderte sie auf, an den Grundrechten der preußischen Verfassung teilzuhaben, und versprach eine Provinzialverfassung für Posen, die 1824 erschien. Weiterhin versprach er den Polen Teilnahme an öffentlichen Ämtern und, sich als Polen bekennen zu dürfen. Allen Polen stünden Ehren und Würden des Rechts offen.

 

            Das Amt des Statthalters erhielt Fürst Antoni Henry Radziwill (litauisch-polnisches Adelsgeschlecht), dessen Sohn 1860 preußischer General wurde.

 

            Der Leiter der Provinzialverwaltung wurde Joseph von Zerboni di Sposetti, ein Posener.

 

            Fast alle Landratsposten, die Kommunal- und Polizeiverwaltung und die untere Gerichtsbarkeit wurden polnisch besetzt.

 

 

1815

STETTIN (Preußen)

Stettin mit ihren 21.000 Einwohnern wurde Hauptstadt des gesamten preußischen Pommerns und bildete einen eigenen Stadtkreis.

 

 

1815

RUSSLANDS Literaturentwicklung

Nach dem Vaterländischen Krieg gegen Napoleon wuchs das russische Nationalbewusstsein. Es beeinflusste das Selbstbewusstsein des Bürgertums und die wirtschaftliche Entwicklung des Kapitalismus. Auch die russische Literatur erhielt dadurch nachfolgend einen Aufschwung. Bedeutende Namen sind:

 

- M. J. Lermontow, Lyriker,

- I. A. Krylow, Fabeldichter und Dramatiker,

- W. A. Slowikowski, Romantiker,

- A. S. Gribojedow, Dramatiker,

- N. W. Gogol, Begründer des russischen kritischen Realismus.

 

Puschkin, Lermontow, Gogol und andere nahmen starken Einfluss auf die fortschrittlichen Gesellschaftsschichten.

 

 

1815

Schweiz

Der Wiener Kongress erkannte die immerwährende Neutralität völkerrechtlich an.

 

            Mit einer neuen Verfassung wurden die Kantone selbstständiger.

 

 

1815

SERBIEN (Türkei)

Der Schriftsteller Milos Obrenovic führte den Volksaufstand gegen die Türken bis 1817.

 

 

1815

WIENER KONGRESS (Europa)

Nach der Rückkehr Napoleon I. aus der Verbannung erfolgte im Juni die Niederlage Napoleons I. bei Waterloo durch Preußen (Blücher) und durch England (Wellington) sowie durch die anderen Alliierten. Es kam zum Zweiten Pariser Frieden am 20. November 1815. Napoleon wurde auf die britische Insel Sankt Helena verbannt, wo er 1821 starb.

 

            Die Versammlung der europäischen Fürsten und Staatsmänner vom 1. Oktober 1814 bis 9. Juni 1815, die nach dem Sturz Napoleon I. über die (Neuordnung) Umgestaltung Europas entschied, war der Wiener Kongress.

 

            Großbritannien, Österreich und Frankreich verbündeten sich geheim gegen Russland und Preußen.

 

            Den Vorsitz führte Fürst Metternich, neben ihm war Zar Alexander I. von großem Einfluss. Preußen wurde von Friedrich Wilhelm III., Frankreich von Teyllerand, England von Castlereagh vertreten. Russland spielte die Rolle des Retters und Schiedsrichters Europas.

 

            Russland erhielt den größten Teil des Herzogtums Warschau (Kongresspolen) in Personalunion (Konstitution) als Königreich Polen. Eine eigene Staatlichkeit wurde Polen zugesprochen. Außerdem behielt Russland Finnland und Bessarabien.

 

            Das gesamte litauische Gebiet ging laut dem Wiener Kongress an Russland. Weitere Auswanderer verließen LITAUEN.

 

            Österreich bekam seine Besitzungen zurück (Erblande und Salzburg), auch Galizien, außerdem die Lombardei und Venetien, verlor jedoch die südwestdeutschen Gebiete und die vormals österreichischen, die Holland als Königreich der Vereinigten Niederlande zusammenschloss. Bayern hatte Österreich Tirol, Vorarlberg, Salzburg und das Innviertel zurückgegeben und erhielt dafür die Rheinpfalz.

 

            Polen war eigentlich nur noch der Freistaat Krakow, der 1846 an Österreich kam.

 

            Preußen erhielt die Provinzen Großherzogtum Posen (Großpolen), Thorn und Danzig, das nördliche Sachsen, Neuvorpommern mit Rügen, Westfalen und die Rheinprovinz. Schweden und Norwegen wurden zu einer Personalunion vereinigt.

 

            Die 1807 gebildete preußische Provinz Schlesien wurde 1815 durch den größten Teil der bis dahin sächsischen Oberlausitz vergrößert.

 

            Der Wiener Kongress zwang Schweden zum Abtritt von Neuvorpommern und Rügen.

 

            Anstelle des 1806 aufgelösten Heiligen Römischen Reiches trat der Deutsche Bund. Ein lockerer Staatenbund mit 41 deutschen Staaten wurde am 8. Juni gegründet, damit ein deutscher Staat aufrecht erhalten wurde.

 

            Die Schweiz umfasste nun durch den Hinzutritt von Genf, Neuenburg und Wallis 22 Kantone.

 

            England behielt Malta, Helgoland und andere Kolonien.

 

            Auch die Heilige Allianz in Paris (Bund der Regenten von Russland, Österreich und Preußen), der später alle Monarchen, außer von England, von der Türkei und dem Papst, beitraten, wurde in Wien vorbereitet.

 

            Seit dieser Zeit nahm Österreich unter Fürst Metternich eine führende Stellung in Europa ein, weshalb Liberalisierungen hart bekämpft wurden.


Günter Lehmann: "Mitteleuropa. Handbuch zur Geschichte"
Mecklenburger Buchverlag, 2009. 1300 Seiten, 65 Abbildungen.

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Allzu leicht gerät aus dem Blick, dass der politisch motivierte Begriff "Osteuropa" Staaten meint, die in der Mitte des Kontinents liegen. Das Nachschlagewerk "Mitteleuropa - Handbuch zur Geschichte" bezieht sich ganz bewusst auf Gebiete, die im politischen Sinn osteuropäische sind, und auf deren Umgebung, da die Europäische Union in den vergangenen Jahren hauptsächlich in Richtung Osten erweitert wurde: auf die Gebiete vom heutigen Frankreich bis Russland und bis zur Ukraine, von Skandinavien bis Bulgarien.

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