Leseprobe:
Tokajer Den berühmtesten Wein aus Ungarn, der nach der gleichnamigen
Stadt im Norden benannt ist, gibt es schon seit über 400 Jahren. Möglicherweise
war er der erste Wein, der aus edelfaulen Beeren gewonnen wurde. Zu den Gütern
des ungarischen Fürsten György Rákóczi I. von Siebenbürgen (1600-1660) gehörte
das Weinbaugebiet von Tokaj-Hegyalja. Als im Jahre 1650 wieder einmal ein türkischer
Überfall drohte, beschloss der zuständige Hofprediger Máté Sepsi Laczkó mit der
Weinlese zu warten, bis die Gefahr gebannt sei. Während des langen und sonnigen
Herbstes begannen die Beeren zu schrumpfen, und es setzte die Edelfäule ein. Die
Winzer wurden angewiesen, bei der Lese die Trauben des Weinberges Oremus gesondert
von den anderen abzupressen. Nach der Gärung konnte man
zu Ostern
1651 den ersten Tokajer Ausbruchwein kredenzen. Der Wein wurde schnell zum Lieblingsgetränk
des ganzen Hofes und bald auch vieler Herrscherhäuser und Persönlichkeiten wie
Maria Theresia, Papst Benedikt,
Rabelais,
Voltaire,
Goethe und
Beethoven.
Auf dem Konzil von Trient im Jahre 1562 wurde Papst Pius IV. (1499-1565) ein Tokaj
Aszú überreicht.
Die russische Zarin Katharina die Große (1729-1796) unterhielt
in Tokaj eine eigene Kosakenabteilung, deren Aufgabe es war, die Lieferungen zu
ihrem Wohnsitz zu eskortieren. Sie bekannte, "ohne den Tokajer nicht leben
zu können." Sonnenkönig Ludwig XIV. verlieh ihm den Titel "Wein der Könige,
König der Weine". Einmal wurde der Tokajer sogar als diplomatische Waffe eingesetzt.
Als die Türken 1683 vor Wien scheiterten und 1686 auch aus Budapest vertrieben
wurden, wollte Fürst Ferenc Rákóczi II. (1676-1735) das nun befreite
Ungarn als
eigenständiges, nationales Königreich etablieren. Um sich mit
Ludwig XIV. zu verbünden,
sendete er diesem als Präsent einen edlen Tokajer von seinen Gütern. Aber letztlich
half das nichts, denn das habsburgische
Österreich und seine Verbündeten (England) gewannen den Krieg. Während der kommunistischen
Regierungsperiode gab es einen totalen Niedergang der Tokajer-Kultur.
Heute
erlebt der Tokajer eine Wiedergeburt, und eine Vereinigung mit dem Namen "Tokaj
Renaissance" widmet sich der Pflege dieses berühmten Weines.
Der üppig-süße,
bernsteingoldene Weißwein stammt aus den Hügeln von Tokaj (Tokaj-Hegyalja = am
Fuße des Berges gewachsen) in der südlichen Tatra. Die Weingärten liegen an der
Grenze der Slowakei und der
Ukraine. Die beiden Flüsse Bodrog und Tsza (Theiß)
beeinflussen das spezifische Klima, das ähnlich dem im französischen Sauternes
ist und die für die Edelfäule erforderliche Botrytis fördert. (...)
Prost!
Goethe Der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) hat dem Wein (und auch den Frauen) in kurzer, prägnanter Form folgendes Denkmal gesetzt: Ein Mädchen und ein Gläschen Wein, die lindern alle Not, und wer nicht küsst und wer nicht trinkt, der ist schon lange tot! Dem Wein soll es auch zu verdanken sein, dass Goethe überhaupt geboren wurde. Als das Kind bei der Geburt zu ersticken drohte, massierte die Hebamme seine Brust mit Wein (welche Sorte ist nicht überliefert). Goethe ließ sich, wie so viele andere Künstler auch, durch den Weingenuss für seine unvergänglichen Werke inspirieren. In diesem Zusammenhang bemerkte er einmal: Andere schlafen ihren Rausch aus, bei mir steht er auf dem Papier! Es ist ein Brief erhalten, in dem er an seine Schwester Cornelia, die mit einem Weinhändler verheiratet war, schreibt: "Sende mir bitte Wein, denn in meinem Keller befinden sich nur mehr 400 Flaschen." Es wird glaubhaft berichtet, dass Goethe schon am Vormittag seine erste Flasche Wein leerte. Er war ein bekennender Weinfreund (Das Trinken lernt der Mensch zuerst, viel später erst das Essen, drum soll er auch aus Dankbarkeit das Trinken nicht vergessen!) und trank jeden Tag bis zu seinem Tode eineinhalb Liter Wein. Es ist schriftlich dokumentiert, dass er unter anderem besonders den Tokajer und den Würzburger Stein (einen Riesling) liebte. ... wieder nach oben ...
Aus Norbert Tischelmayers "Wein-Glossar. 2777 Begriffe rund um den Wein", erschienen im NP Buchverlag. ... mehr über dieses Buch ...